utzräUmen ·~ - Hochschule für bildende Künste Hamburg
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Plastiktüten in der DDR so verwittert, daß<br />
es die kühnsten Träume der Umweltschützer<br />
bei weitem übertrifft. Nur mit Mühe läßt<br />
sich der Schriftzug Prima leben und sparen<br />
entziffern. Man erkennt die Plastiktüte eher<br />
nur noch am typischen Blau-Orange. Sie<br />
wird am Abend gewaschen und auf die Leine<br />
gehängt, wo sie zwischen Babywindeln<br />
und Kniestrümpfen trocknet. Am Nachmittag<br />
wird sie wie eine Trophäe zum<br />
Kaufladen getragen.<br />
Bratkartoffeln. HO-Gaststätten haben<br />
mich meistens geärgert. Geärgert hat mich<br />
die klinische Ordnung und Sauberkeit. Die<br />
stummen Trinker, die gedämpften Gespräche.<br />
Die Selbstverständlichkeit, mit der es<br />
meist nichts mehr gab.<br />
Ist es erwähnenswert, daß die Bratkartoffeln<br />
hier fast immer kalt und/ oderversalzen<br />
sind?<br />
Liegt das Gemecker über diese Bratkartoffeln<br />
auf der Ebene der Jammerlappen,<br />
denen es nirgendwo schmeckt außer<br />
zu Hause? Oder auf der Ebene derer, die<br />
sich vor der nächsten Italienreise den Kofferraum<br />
mit Dosenwürstchen und Sauerkraut<br />
vollpacken bzw. das damals taten,<br />
weil es inzwischen ja überall McDonald's<br />
gibt?<br />
Die Bratkartoffeln in den HO-Gaststätten<br />
schmecken nicht, weil es sie nur gibt,<br />
weil es sonst nichts gibt. Aus ihnen spricht<br />
die Resignation der Köche.<br />
Alkohol. An heißen Sommerabenden<br />
stehen die Männer mit Benzinkanistern vor<br />
den Kneipen, mit Eimern und mit Blumenvasen.<br />
Sie warten darauf, daß ihnen der<br />
Schankkellner das Bier gläserweise in ihre<br />
Gefäße zapft. Flaschenbier ist selten und oft<br />
am fiühen Morgen schon ausverkauft.<br />
Der Alkoholrausch ist hier der einzige<br />
Rausch. Er ist kurz und schmerzlos.<br />
Er ist tief, denn er ist der Ersatz fur einen<br />
jeglichen Höhenflug. Er ist der Ersatz fur<br />
die Genußsüchtigen und die, die hoch hinaus<br />
wollen, sich aber selbstverständlich<br />
nichts anmerken lassen. Wie jeder.<br />
Alle versuchen, tagsüber so durchschnittlich<br />
wie nur irgend möglich zu sein,<br />
und am Abend macht der Alkohol alle<br />
gleich.<br />
P.S. Während noch der Beamte der<br />
Volkspolizei unseren Kofferraum durchwühlt<br />
und über die Menge der belichteten<br />
Filme in der Kühlbox staunt, erwartet sie<br />
uns schon, die andere Seite, die moderne<br />
Welt. Wir freuen uns auf ein Abendessen<br />
und das Bier, das wir hjer trinken dürfen,<br />
obwohl wir noch weiterfahren müssen.<br />
Später fahren wir durch neonbeleuchtete<br />
Durchgangsstraßen und fmden Plastikpizzerias,<br />
Steakhouses und Wienerwälder.<br />
Meine Güte, die haben sich hjer ganz schön<br />
rausgeputzt in den paar Jahren zwischen<br />
dem zweiten Weltkrieg und jetzt. Kilometer<br />
um Kilometer eine blinkende Fassade<br />
an der anderen, und irgendwo im Dunkeln<br />
dahinter leben Menschen. Jeder sein kleiner<br />
Phönix aus der Asche. Vor dem Jägerstübchen<br />
parken nur Mercedesse und ähnlich<br />
dicke Schlitten. Als wir schließlich irgendein<br />
Lokal betreten, sind wir so hungrig,<br />
daß uns kaum auffallt, daß die Stühle<br />
hier am Boden festgeschraubt sind und<br />
wirk}jch nur den Bewegungsspielraum lassen,<br />
der notwendig ist, um Wurst zu essen.<br />
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