utzräUmen ·~ - Hochschule für bildende Künste Hamburg
utzräUmen ·~ - Hochschule für bildende Künste Hamburg
utzräUmen ·~ - Hochschule für bildende Künste Hamburg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ernst Bloch<br />
Ein Sieg des Magazins<br />
Alffiatz aus dem Jahr 1929<br />
I mmer weiter noch fallt die Mühe aus.<br />
Die Zeitung ist heiter gesetzt, um desto angenehmer<br />
überflogen zu werden. Auf der<br />
Fahrt ins Büro, in den Pausen eines Lebens,<br />
das kaum im Bett zu sich kommt. Gar die<br />
Zeitschrift ist entweder keine mehr, oder<br />
sie geht ein, wo sie eine bleiben will.<br />
icht funfZeilen stehen über Gedichte,<br />
geschweige, daß man diese selber läse.<br />
icht über dreißig Zeilen darf ein Romen<br />
besprochen sein, es sei denn, daß er den<br />
Bürger 1<br />
wie er sich vorstellen möchte, selber<br />
in den Bücherschrank stellt. Aufsätze,<br />
die in Frankreich etwa, als einem unzerstreuten<br />
Bürgerland, sofort magnetisierten,<br />
negativ oder positiv, sind hier gedruckt dasselbe<br />
wie nie gewesen. Vergeblich klagte<br />
einmal Stresemann darüber, daß die Zeitschrift<br />
als Ergänzung der Tageszeitung<br />
aussterbe und keine Gelegenheit ihm gebe,<br />
sich über das geistige Leben des Landes zu<br />
unterrichten. In Frankreich sind die Bürger<br />
im Bewußtsein ihres ideologischen Zerfalls<br />
noch weniger vorgeschritten; also werden<br />
Briands dort unterrichtet. Doch den deutschen<br />
Druckraum hat die Reklame: bald<br />
ätherisch, bald junonisch ist die Zigarette<br />
bebildert, Lärm legt sich um bedeutend<br />
weniger als um ein Omlett und nur den<br />
Schriftstellern fehlt Platz. Nähme man den<br />
Druckraum der Kosmetik, der Tabakreklame<br />
zusammen, so könnte Deutschland eine<br />
Zeitschrift haben, wogegen die "Neue<br />
Rundschau" ein bloßer Verlagsprospekt<br />
wäre. In Frankreich lebt noch der scharfe<br />
Kommentar, der raumschlagende Essay;<br />
bei uns wirken ehemals große Revuen selber<br />
wie "Creme, die dem Wind die Schärfe<br />
nimmt" oder "wie das Wunder ausgeglichener<br />
Mischung, welche unser Araberformat<br />
so bekömmlich macht". Sie können daher<br />
von Mouson und Reemtsma ersetzt<br />
werden; aber wer hilft Stresemann? Quod<br />
licetJovi, non licet bovi - nurder Reichspräsident<br />
hat das Recht, seit seiner Kadettenzeit<br />
kain Buch gelesen zu haben.<br />
Daneben leben noch Blätter, die einen<br />
recht frisch, die anderen nicht einmal ganz<br />
welk. Als Typ der ersten ste.ht etwa die<br />
"Weltbühne", der zweiten die " eue Rundschau";<br />
auch edlere gibt es, halten noch die<br />
Zeit, da man von Armut als dem großen<br />
Glanz von innen gesprochen und sich<br />
nichts dabei gedacht hatte. Linke Zeitschriften<br />
lesen undeutliche Leute, fette, die<br />
etwas Essig brauchen, jüdische und andere<br />
Unzufriedene, die an Witz oder beizendem<br />
Ton sich abreagieren. Die Schreiber dieser<br />
Dinge verstehen oft die Kunst, jederzeit<br />
rechtzeitig am falschen Platz zu sein, einige<br />
sind Überläufer an sich, welche überhaupt<br />
nicht recht ankommen wollen. Aktivisten<br />
stehen auf dem Markt, die niemand dingt,<br />
Publizisten sind zuweilen der Typ selbst,<br />
den sie bekämpfen, den sie mit möglichen<br />
und unmöglichen Witzen ebenso unterhalten.<br />
Das pflegt ein gewisses Linkshurrah,<br />
oft nützlich und Platz haltend fur Genaueres,<br />
oft recht abstrakt und gehaltlos. Licht<br />
ist freilich etwas darüber, so daß man sagen<br />
kann: wie die große Demopresse geblieben<br />
ist (wer weiß wie lange), obwohl die demokratische<br />
Partei, gar Gesinnung nicht mehr<br />
ist, so hat im Plus, das ein Mann wie Ossietzky<br />
der "Weltbühne" gab, sich U.S.P. gehalten<br />
und Besseres als dies radikale Kriegs-,<br />
mehr Friedensgebilde. Was aber die mttSl~<br />
sehen Zeitschriften a Ia " eue Rundschau"<br />
angeht, so haben sie überhaupt keine bestehende<br />
Schicht mehr hinter sich, bloß eine<br />
von gestern, die flieht. Früher lag hier eine<br />
Mitte gebildeter Kaufleute und besitzender<br />
Akademiker; diese pflegte eine gewisse<br />
Hauskunst und Hausbildung. eben dem<br />
Boden des fetten Verdienstes blühte etwas<br />
Gartenerde; feinere Wortkunst verschönte<br />
in guten Familien den Knacks der zweiten<br />
Generation. Wie die Abonnenten dieser<br />
Kultur sind aber auch ihre Schreiber vergangen;<br />
und übrig blieb bloßer Waschzettel<br />
der Zeit, der im Schlendrian von "Strömungen"<br />
und "Betrachtungen" seine Neutralität<br />
hat. In Ordnung also, daß dieses vergeht;<br />
den Platz der falsch zusammenhängenden<br />
Musen nimmt, ganz und gar richtig,<br />
das unzusammenhängende Magazin.<br />
Ein amerikanisches Gebilde, dem tieferen<br />
Niveau der dortigen Mittelklasse seit langem<br />
gemäß; mit ihm auch beginnt aufrichtiger,<br />
zu Ende getriebener Spaß. Die Zerstreuten<br />
laufen zwar von dem wirklichen<br />
Leben weg, doch die sich bloß musisch gesammelt<br />
haben, waren ihm nicht näher.<br />
Garwas heutenoch an Bildung, durch Vortrag<br />
und Rundfunk, als fertige Ware, verschoben<br />
und nicht alle wird, verdinglicht<br />
zum zweitenmaL Ein Bewußtsein, das so<br />
gebildet vom Alltag wegblickt, ist schlimmer<br />
als die Zerstreuung. Als welche, wenn<br />
sie vom Alltag wegblickt und zur Ablenkung<br />
von ihm benützt wird, doch ebenso<br />
seine Leere mitenthält Der Jahrmarkt der<br />
Zerstreuung lenkt ab und betäubt, doch er<br />
ist immerhin- ein Jahrmarkt. Bilder aus aller<br />
Welt unterhalten mit dem Angestellten<br />
den Fluß, worin er sich befindet.