utzräUmen ·~ - Hochschule für bildende Künste Hamburg
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Herzklopfen 1 Das folgende Gespräch führte unser<br />
Mitarbeiter Djalal Madani<br />
(Köln) mit einer Finnin, die seit mehreren Jahren in<br />
der Bundesrepublik lebt und arbeitet.<br />
-Wie gehen die Leute im täglichen<br />
Leben mit dir um? Z.B. in<br />
der Straßenbahn, beim Bäcker?<br />
Wenn ich z.B. zum Metzger gehe,<br />
passiert es mir, daß die drei<br />
anderen Frauen vor mir außer<br />
dem "Dankeschön" <strong>für</strong> ihre Bestellung<br />
auch ein "Schönes Wochenende"<br />
gewünscht bekommen.<br />
Mir wird die Wurst einfach<br />
auf den Tisch geknallt. Es<br />
kommt auch darauf an, mit<br />
wem ich unterwegs bin. Als ich<br />
einmal mit einem afrikanischen<br />
Kommilitonen in einer Bäckerei<br />
war, hat ein alter Mann zu der<br />
Verkäuferin gesagt: .. Das ist<br />
doch Rassenschande, unter<br />
Adolf wäre das nicht möglich<br />
gewesen." Und hat uns dabei<br />
angeguckt.<br />
-Und die Behörden?<br />
Wenn ich mit einem anderen<br />
Ausländer ins Ausländeramt gehe,<br />
erfahre ich immer wieder,<br />
daß er viel netter behandelt<br />
wird, wenn ich dabei bin, weil<br />
die Sachbearbeiter zuerst annehmen,<br />
daß, wenn eine Dolmetscherin<br />
dabei ist, sie eine<br />
Deutsche ist. Aber wenn er allein<br />
dahin geht, wollen sie ihn<br />
noch nicht mal empfangen oder<br />
wollen angeblich kein Englisch<br />
oder Französisch verstehen und<br />
schicken ihn einfach weg.<br />
"Kommen Sie nächste Woche<br />
mal w ieder", obwohl sie wissen,<br />
daß das sehr schwierig ist und<br />
sehr zeitraubend und Geld kostet.<br />
Und außerdem weiß er<br />
noch nicht einmal, weshalb das<br />
passiert. Und wenn ich mit irgendeinem<br />
Deutschen unterwegs<br />
bin, z.B. im Ausländeramt,<br />
kann es passieren, daß ich als<br />
Ausländerin behandelt werde,<br />
und die Deutschen, die dabei<br />
sind, werden gefragt, ob sie<br />
hätten wirklich keine menschliches<br />
Mitgefühl mehr. Und ich<br />
meine, daß diese jüngeren Leute<br />
noch schlimmer sind als die<br />
vom alten Schlag.<br />
-Warum gerade die jüngeren?<br />
Ich denke, daß man bei den Al <br />
ten es etwas besser verstehen<br />
kann, weil sie sich nicht mehr<br />
ändern können. Sie sind in der<br />
faschistischen Zeit groß geworden,<br />
haben diese Ideologie geschluckt,<br />
aber bei diesen jüngeren<br />
Leuten sehe ich keine Chan <br />
ce, daß sie sich änderr.. Weißt<br />
du, die werden noch 30 oder 40<br />
Jahre Beamte sein, und was bei<br />
denen täglich durch die Hände<br />
geht- sie entscheiden wirklich<br />
über menschliche Schicksale.<br />
Und sie zeigen keine menschliche<br />
Regung dabei.<br />
-Also der übelste Ort, mit dem<br />
ein Ausländer konfrontiert wird,<br />
ist die Ausländerbehörde?<br />
Ja. Ich kann mir vorstellen, daß<br />
es nur im Gefängnis schlimmer<br />
ist. Weißt du, was man <strong>für</strong> eine<br />
Angst hat, wenn man da hingeht?<br />
Herzklopfen!<br />
-Warum? Sie sind doch Menschen?<br />
Ja, aber die haben sehr viel<br />
Macht über dich. Wehe, wenn<br />
du aufmuckst. Die können dich<br />
in kürzester Zeit rauswerfen, sie<br />
können die Polizei anrufen, die<br />
holt dich ab.<br />
-Welche Möglichkeiten gib~ es<br />
auf internationaler Ebene? Andert<br />
sich etwas an der Lage der<br />
Ausländer durch die Proteste<br />
aus dem Ausland?<br />
Ja. Vor allem müssen die Leute<br />
im eigenen Land darüber informiert<br />
werden, wie unsere Situation<br />
hierzulande ist.<br />
denn überhaupt Deutsche seien. -Welche Leute? Die in unserer<br />
-Die Behörden tragen selbst zur Heimat?<br />
Ausländerfeindlichkeit bei? Ja. Das fängt schon damit an,<br />
Auf jeden Fall. Sie setzen doch daß man entweder gar nicht in<br />
die momentanen Tendenzen die Heimat schreibt oder aber<br />
durch. Das sind die Leute, die die Lage hierzulande beschödie<br />
Ausländer "verwalten". Auf nigt. Daß man nicht sagt, wie<br />
der untersten Ebene werden die schlimm es ist und daß es jeden<br />
Gesetze und Verordnungen und Tag schlimmer wird. Ich weiß,<br />
Erlasse lebendig. Und da sieht daß viele Ausländer versuchen,<br />
es schlimm aus. Ich denke aber so ein Image des .. Erfolgreioft,<br />
daß sich diese kleinen chen" in den Augen der Ver<br />
Beamte wie Strafversetzte füh- wandten hochzuhalten. Daß sie<br />
len, so wie sie uns behandeln. z.B. nicht wagen, ohne ein Auto,<br />
Sie verstehen sich selbst als ohne teure Geschenke und<br />
Opfer, wenn sie sich mit den Sparbücher in die Heimat zu geungeliebten<br />
Ausländern rumpla- hen und dort Urlaub zu machen.<br />
gen müssen.<br />
Und wenn man in der Heimat<br />
erfährt, daß in den Massenme-<br />
-Was sind das <strong>für</strong> Menschen,<br />
die bei der Ausländerbehörde<br />
d . · d b<br />
len lrgen etwas ü er die Bunarbeiten?<br />
Kannst du sie charak- desrepublikberichtet wird, so<br />
terisieren?<br />
sollte man überprüfen, ob es<br />
auch stimmt, und wenn nicht,<br />
Das sind meist sture Bea mte, sollte man versuchen, es zu kordie<br />
ständig wiederholen, sie tä- rigieren. Jeder, der irgendwie<br />
ten nur ihre Pflicht, das müßten Einfluß nehmen kann auf die<br />
wir doch verstehen. Es gibt aber Medien im Ausland, sollte verauch<br />
welche, vor allem unter suchen, das zu tun. Vielleicht<br />
den jüngeren, die sind so un- ergibt sich auf diesem Weg die<br />
freundlich und so unmensch- Möglichkeit, daß die Machthalich,<br />
daß man denken muß, sie ber hierzulande auf den Druck<br />
des Auslands reagieren.<br />
- Die Aufmerksamkeit des Auslands<br />
sollte also auf die Auslän <br />
derfeindlichkeit gelenkt werden?<br />
Ja. Im Ausland hat man meist in<br />
dieser Hinsicht aus der Vergangenheit<br />
gelernt. Man reagiert<br />
darauf, wenn die Deutschen<br />
Feindschaften gegen irgendwelche<br />
M inoritäten haben. Ich weiß<br />
nicht, ob es in anderen Sprachen<br />
ein entsprechendes Wort<br />
<strong>für</strong> das Wort .. Ausländerfeindlichkeit"<br />
gibt. An sich ist dieses<br />
Wort ja noch zu schön. Es beschönigt<br />
den Zustand. Man sagt<br />
noch nicht mal Diskriminierung<br />
der Ausländer oder Unterdrükkung<br />
der ausländischen Minderheit,<br />
nein, man sagt .. Ausländerfeindlichkeit".<br />
Das ist zu wenig.<br />
-Man muß es Ausländerunterdrückung<br />
nennen.<br />
Ja, durchaus. Dir dürfte z.B. bekannt<br />
sein, daß hier in Köln<br />
manche Taxifahrer sich weigern,<br />
Ausländer zu befördern.<br />
Ich kenne einige Leute, die dagegen<br />
einen Prozeß anstrengen,<br />
daß diverse Lokale ebenfalls<br />
den Zutritt von Ausländern verweigern.<br />
Das ist auch häufig in<br />
Köln vorgekommen.<br />
-Gibt es auch physische Gewaltanwendung?<br />
Schlagen,<br />
Prügeln?<br />
Ich habe neulich selbst erlebt,<br />
wie später abends plötzlich ein<br />
deutscher Jugendlicher einen<br />
Ausländer, ohne irgendein<br />
Wort zu sagen, zusammengeschlagen<br />
hat. Der Ausländer<br />
hat sich nicht gewehrt, hat<br />
nichts gesagt; er lag auf dem<br />
Boden. Keiner von den Leuten,<br />
die das gesehen haben, hat<br />
irgendetwas dagegen unternommen,<br />
bis eine Frau, eine<br />
Ausländerin, gerufen hat: " Bitte<br />
haltet doch den Mann zu <br />
rück, er schlägt doch den an <br />
dern tot!". Und in dem Moment<br />
ist der Schläger zurückgetreten<br />
und hat noch gesagt, daß der<br />
andere ihn blöd angeschaut<br />
hätte. Aber eigentlich hat da<br />
keiner eingegriffen. Der Schläger<br />
ist nur deshalb verschwunden,<br />
weil diese Ausländerin so<br />
laut geworden war, und der<br />
Ausländer ist langsam aufgestanden<br />
und hat geblutet. Was<br />
danach passiert ist. weiß ich<br />
nicht. Seide sind verschwunden.<br />
Für mich war das ein<br />
schlimmes Erlebnis, weil ich<br />
gewußt habe, es hätte genauso<br />
gut mir pa ssieren können, zu <br />
sammengeschlagen zu werden,<br />
ohne daß mir jemand hilft.<br />
Hierzulande kann wirklich ein<br />
Mensch totgeschlagen werden,<br />
ohne daß die Menschen etwas<br />
dagegen tun.<br />
Kunst am Bau I Einen Beitrag zur produktiven<br />
Aneignung jüngerer deutscher<br />
Geschichte bemüht sich derzeit die <strong>Hamburg</strong>er Kulturbehörde<br />
zu leisten. Von den zahlreichen Hochbunkern,<br />
die die Nationalsozialisten zur Vorbereitung<br />
ihres Krieges im <strong>Hamburg</strong>er Stadtgebiet errichten<br />
ließen und die sich zu einem großen Teil als<br />
unverwüstlich erwiesen, soll jetzt eine ganze Reihe<br />
von der Stadt nicht nur wieder (<strong>für</strong> den nächsten<br />
Krieg) instandgesetzt werden; auch schrieb die Kulturbehörde<br />
einen Wettbewerb <strong>für</strong> Künstler aus, die<br />
mit Gestaltungsvorschlägen aufwarten sollen: wie<br />
kann eine solche Anlage möglichst bürger- und umweltnah<br />
aufgemacht werden?<br />
Das alte Lied also. Denn wie aus den Erläuterungen<br />
der Behörde zu erfahren ist, war schon den Nazis,<br />
später auch der britischen BesatzungsfT.lacht die<br />
klobige Häßlichkeit der Ungetüme e1n Argernis. Die<br />
ersten beklagten, daß die Bauten nicht hinreichend<br />
getarnt waren und sannen über Klinkerfassaden<br />
nach; eine Ausführung allerdings wurde durch die<br />
Kriegswirren verhindert. Die andern wollten die Betonbunker<br />
abtragen und rückten ihnen mit Sprengstoff<br />
zu Leibe; freilich scheiterten sie meist an deutscher<br />
Wertarbeit.<br />
Eine Lösung scheint sich jetzt aber anzubahnen - in<br />
Gestalt jenes Wettbewerbs. Die Zivilverteidiger werden<br />
einem gütigen Schicksal danken, der ihnen dieses<br />
Vermächtnis hinterließ; die Kulturbürokraten<br />
der Hansestadt dagegen haben wieder Gelegenheit<br />
zu zeigen, daß sie halten, was sozialdemokratisch<br />
versprochen war: eine "Kultur <strong>für</strong> alle"- freundlich,<br />
leichtverständlich, gut zu praktizieren, in bester<br />
deutscher Tradition also.