Kapitel 2 - Ipce
Kapitel 2 - Ipce
Kapitel 2 - Ipce
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
oder zu gestatten. Die Zulässigkeit eines entsprechenden Verbots endet sobald der<br />
Minderjährige die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit erreicht.<br />
Die traditionelle Ansicht begründet die Notwendigkeit dieser Einschränkungen der selbständigen<br />
Ausübung von Grundrechten, also des Konzepts der Grundrechtsmündigkeit, damit, daß die<br />
Allgemeinheit und der Minderjährige selbst vor Gefahren geschützt werden müßten, die mit<br />
einer zu frühen selbständigen Ausübung verbunden wären. Das Kriterium der Fremdgefährdung<br />
ergebe sich aus den allgemeinen Grundrechtsschranken, jenes der Selbstgefährdung aus der<br />
Fürsorgeverpflichtung des Staates. 63 Diese Fürsorgepflicht, die aus der Verpflichtung zum<br />
Schutz der Menschenwürde abgeleitet wird, erlaube es nicht nur, die selbständige<br />
Grundrechtsausübung zu untersagen, sondern gebiete dies mitunter sogar. 64<br />
Kritik der Grundrechtsmündigkeit<br />
An dem Konzept der Grundrechtsmündigkeit wird verstärkt Kritik geübt. 65<br />
Die Kritiker machen geltend, daß sich dafür in der Verfassung keine Grundlage finde. Wende<br />
man die herkömmlichen Auslegungsmethoden an, so unterliege die Grundrechtsausübung von<br />
Minderjährigen keinen anderen Beschränkungen als den allgemein zulässigen oder ausdrücklich<br />
für Minderjährige normierten Schranken. 66<br />
Der Grundsatz der Grundrechtseffektivität verlange, daß die Geltungskraft der Grundrechte<br />
tendenziell verstärkt, nicht gemindert werde. 67 Das Konzept einer besonderen<br />
Grundrechtsmündigkeit schwäche aber die personale Substanz der Grundrechte. „[Diese]<br />
verformen sich in den Händen ihrer minderjährigen Träger zu einer bloßen Hülle" 68 .<br />
Werde den Jugendlichen auch noch die Beweislast für die ausreichende Einsichts- und<br />
Urteilsfähigkeit auferlegt, so bedeute dies „eine weitere, mit dem Gebot der ausübungssicheren<br />
Grundrechtseffektivität nicht mehr zu vereinbarende Schwächung der Grundrechtsposition<br />
Minderjähriger" 69 .<br />
Die traditionelle Ansicht kehre das Regel-Ausnahme-Verhältnis „zu Lasten des minderjähriger<br />
Grundrechtsträger" um. Die damit verbundene Vermutung des Nicht-Ausüben-Könnens sei<br />
unzulässig, weil „verfassungsrechtlich nicht begründbar" 70 .<br />
Da grundrechtliche Freiheitsgewährleistungen für die Herausbildung einer Persönlichkeit<br />
fundamental seien, sei das „selbständige Ausüben [ ...] möglichst frühzeitig, d.h. prinzipiell