Kapitel 2 - Ipce
Kapitel 2 - Ipce
Kapitel 2 - Ipce
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Diese Ausnahme ergibt sich aus dem konsequenten Verständnis der Funktion der<br />
Menschenrechte als Schutz der Schwachen und Schutzlosen. Mitunter kann sich daraus sogar<br />
die Verpflichtung zur Grundrechtseinschränkung ergeben.<br />
Die Beweislast für das Vorliegen einer verminderten Einsichtsfähigkeit und einer<br />
Selbstgefährdung liegt im Sinne der Grundrechtseffektivität beim Staat.<br />
Weicht die Einsichts- und Urteilsfähigkeit nicht (mehr) wesentlich vom Durchschnitt eines<br />
erwachsenen Menschen ab, so ist Selbstgefährdung als Kriterium zur Einschränkung der<br />
selbständigen Grundrechtsausübung unzulässig.<br />
An die Einsichtsfähigkeit sind keine zu strengen Kriterien anzulegen, insbesondere ist keine<br />
perfekte Meisterung neuer Lebenssituationen nötig.<br />
Anmerkungen Kap. 2.12<br />
1<br />
Diese Fürsorgeverpflichtung folgt aus der Aufgabe des Staates, die Freiheit des Einzelnen zu maximieren. Dieser<br />
Aufgabe würde er nicht gerecht, beschränkte er sich darauf, eigene Freiheitseingriffe zu minimieren, aber keinen<br />
Schutz gegen Beeinträchtigungen und Verletzungen von seiten anderer Individuen zu gewähren. Aus diesen<br />
Gründen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus den Bestimmungen der EMRK auch positive<br />
Verpflichtungen der Staaten zum Schutze der Freiheitsrechte auch gegenüber anderen Individuen abgeleitet (siehe<br />
unten Kap. 2.212 [2]).<br />
2<br />
Die folgenden Ausführungen gelten sinngemäß auch für andere Personen mit geminderter Einsichts- und<br />
Urteilsfähigkeit, wie psychisch Kranke, Berauschte u.ä.. Wegen des Gegenstandes der Untersuchung (Kinder- und<br />
Jugendschutz im Sexualstrafrecht) ist im Weiteren immer nur von Kindern und Jugendlichen die Rede.<br />
3<br />
Die Darstellungen der Positionen Hobbes, Lockes und Mills folgen hier im wesentlichen der Darstellung bei<br />
Worsfold 1974 (p. 143ff).<br />
4<br />
Hobbes unterliegt hier einem gewissen Widerspruch, denn er verpflichtet Kinder dazu, Gehorsam zu versprechen,<br />
obwohl er ihnen gleichzeitig die Fähigkeit zu gültigen Versprechen abspricht, weil sie die Folgen nicht übersehen<br />
könnten.<br />
5<br />
„There would be no reason why any man should desire to have children or to take care to nourish them if<br />
afterwards to have no other benefit from them than from other men." (Hobbes, Leviathan, Molesworth ed., Vol. 3, p.<br />
329, London: J. Bonn, 1839-45, zit. nach: Worsfold 1974, p. 144)<br />
6<br />
Beachtenswert ist, daß bei Locke, im Gegensatz zu Hobbes, nun von Eltern und nicht mehr nur vom Vater die<br />
Rede ist.<br />
7 Locke schloß auch Katholiken und Atheisten von der religiösen Toleranz aus (Richards 1986, p. 248)<br />
8<br />
siehe oben Kap. 2.11