Kapitel 2 - Ipce
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Das täuschte einerseits genau jene Art von Homogenität in moralischen Werten vor, die die<br />
Geschichte der westlichen Ethik Lügen straft 28 und ließe andererseits außer Acht, daß in einer<br />
Gesellschaft, die auf dem Fundament der Freiheit aufgebaut ist 29 , ethisches Denken nur von<br />
freien Menschen ausgehen 30 und das Strafrecht „keinen missionarischen Auftrag auf dem<br />
Gebiet der Moral" 31 haben kann. „Echte Moral blüht nur in der Freiheit" 32 . 33<br />
Schadensprinzip<br />
Das „dem Menschenrecht immanente Toleranzgebot" verbürgt aber nicht nur die Freiheit zu<br />
moralischer Selbstbestimmung sondern verpflichtet auch, „sich so zu verhalten, daß nicht in<br />
die Rechte anderer eingegriffen wird" 34 . Die französische Verfassung von 1795 bezeichnete<br />
dies als „von Natur aus in alle Herzen gegrabenes Prinzip". 35<br />
Dementsprechend hat J.S. Mill Kriterien entwickelt, die die demokratische Mehrheit beachten<br />
muß, wenn sie kriminelle Sanktionen verhängen will, die mit den Grundwerten unserer<br />
Gesellschaftsordnung vereinbar sind.<br />
(1) Handlungen dürfen nur dann unter Strafe gestellt werden, wenn sie konkrete Personen<br />
tatsächlich schädigen 36<br />
(2) Es ist nie angebracht, eine Handlung nur deswegen zu kriminalisieren, um den<br />
Handelnden selbst vor Schaden zu bewahren 37<br />
(3) Verhalten darf nie bestraft werden, nur weil der bloße Gedanke daran bei anderen<br />
Ärgernis erregt 38<br />
Das damit zum Ausdruck kommende Schadensprinzip war bereits für die Erklärung der<br />
Menschen- und Bürgerrechte 1789 so zentral, daß deren Art. 4 bestimmte, daß „le liberté<br />
consiste à pouvoir faire tout ce qui ne nuit pas à autrui". 39<br />
Das Postulat, daß Handlungen nur dann unter Strafe gestellt werden dürfen, wenn sie andere<br />
schädigen oder gefährden (Sozialschadensprinzip), ist heute weitgehend anerkannt und wird<br />
kaum mehr ernsthaft bestritten. 40<br />
In dubio pro libertate