Kapitel 2 - Ipce
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Die Europäische Menschenrechtskonvention stellt das bisher effektivste Instrument des<br />
internationalen Menschenrechtsschutzes dar.<br />
Sie ist im Lichte der heutigen Verhältnisse und anhand des Zieles des größtmöglichen<br />
Schutzes der Menschenrechte zu interpretieren. Die in ihr festgelegten Grundrechtsschranken<br />
sind eng auszulegen und ungeschriebene Schranken abzulehnen.<br />
Den Staaten steht bei der Ausschöpfung der Eingriffsermächtigungen ein gewisser<br />
Ermessensspielraum zu, der allerdings in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht der umfassenden<br />
Kontrolle durch die Konventionsorgane unterliegt. Diese haben die Befugnis zur verbindlichen<br />
Letztentscheidung.<br />
Die europäische Kontrolle der nationalen Ermessensentscheidungen erfolgt nach rein objektiven<br />
Kriterien und orientiert sich am Maßstab einer demokratischen Gesellschaft anhand deren<br />
Kennzeichen Pluralismus, Toleranz und Weltoffenheit. Sie ist besonders streng, wenn nationale<br />
Vorschriften internationalen Rechtsentwicklungen oder einem europäischen Konsens in den<br />
rechtlichen Regelungen, im Bereich der Expertenansichten oder der öffentlichen Meinung<br />
widersprechen.<br />
Insbesondere die Notwendigkeit strafrechtlicher Normen ist - im Sinne derer Natur als „ultima<br />
ratio" und im Sinne der Freiheitsvermutung des Menschenrechtsgedankens - besonders genau<br />
anhand eines Vergleichs der nationalen Rechtsordnungen zu prüfen. Je mehr Staaten ein<br />
bestimmtes Verhalten nicht strafrechtlich verfolgen, desto sorgfältiger und strenger ist die<br />
Notwendigkeit einer Pönalisierung zu prüfen. Trifft dies auf eine wesentliche Zahl von Staaten<br />
zu, so müssen sehr schwerwiegende Gründe für die Kriminalisierung sprechen.<br />
Bei der Erfüllung von positiven Verpflichtungen, die sich aus den Konventionsrechten<br />
ergeben, besteht ein weiter Ermessensspielraum, der aber ebenfalls von Ausmaß des Konsenses<br />
zwischen den nationalen Rechtsordnungen, in der Wissenschaft sowie der öffentlichen Meinung<br />
beeinflußt wird.<br />
Innerstaatliche Gerichte, die die EMRK anzuwenden haben, können bei der Überprüfung des<br />
Ermessensspielraums des Staates strengere Kriterien anlegen als die Konventionsorgane.<br />
Anmerkungen Kap. 2.13