Kapitel 2 - Ipce
Kapitel 2 - Ipce
Kapitel 2 - Ipce
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Europäische Kontrolle<br />
Dieses Auswahlermessen erstreckt sich jedoch nicht auf die Beurteilung, ob ein Eingriff in<br />
Grundrechte den Anforderungen der Konvention genügt. 21 Diese Beurteilung obliegt alleine den<br />
Konventionsorganen, denen in diesen Fällen volle Überprüfungsgewalt in rechtlicher und<br />
tatsächlicher Hinsicht sowie die Befugnis zur verbindlichen Letztentscheidung zukommt. 22<br />
Die europäische Kontrolle der Ermessensentscheidung des Staates richtet sich dabei<br />
ausschließlich nach objektiven Kriterien. Die Ansicht, wonach guter Wille eine<br />
Konventionsverletzung ausschließt 23 , ist lange aufgegeben. 24 Dies entspricht auch dem<br />
Grundrechtsverständnis in den meisten nationalen Rechtsordnungen 25 sowie dem<br />
völkerrechtlichen Grundsatz, daß ein Staat seine Verpflichtungen nicht einseitig bestimmen<br />
kann. 26<br />
Die Präambel geht davon aus, daß die Aufrechterhaltung der Menschenrechte „wesentlich auf<br />
einem wahrhaft demokratischen politischen Regime einerseits und auf einer gemeinsamen<br />
Auffassung und Achtung der Menschenrechte andererseits beruht" (Abs. 4). Die nationalen<br />
Behörden haben ihre Ermessensentscheidungen daher immer auf der Grundlage und den<br />
Anforderungen einer demokratischen Gesellschaft gemäß zu treffen; das heißt sich insbesondere<br />
von den Grundsätzen der Toleranz, Pluralismus und Weltoffenheit leiten zu lassen. 27 Und sie<br />
haben auf die Verhältnisse in den Rechtsordnungen der anderen Konventionsstaaten zu<br />
achten. 28<br />
Die Konventionsorgane folgen konsequent der Zielbestimmung des Vertrages, eine „größere<br />
Einigkeit" unter den Mitgliedstaaten durch „Wahrung und Entwicklung der Menschenrechte"<br />
herbeizuführen (Abs. 3), wenn sie feststellen, daß der Ermessensspielraum der Staaten mit<br />
dem Maß der Übereinstimmung zwischen den nationalen Rechtsordnungen abnimmt. 29 Besteht<br />
in einer Frage etwa voller Konsens, so gibt es überhaupt keinen Ermessensspielraum. 30 Läßt<br />
sich hingegen keinerlei Übereinstimmung finden, so ist der Ermessensspielraum recht weit. 31<br />
Einzelgänger schaden bei dieser Beurteilung nicht 32 und - im Rechtsvergleich - einzigartige<br />
Bestimmungen bedürfen genauester Überprüfung. 33<br />
Auffällig ist, daß der Gerichtshof dabei an die Feststellung eines Konsenses recht geringe<br />
Anforderungen stellt. Meist handelt es sich um obiter dicta, einzelstaatliche Gesetze werden<br />
kaum angeführt, meist nur einige wenige Länder pauschal genannt. 34 Der Gerichtshof scheint<br />
nicht so sehr Übereinstimmung in den positiven Normen der einzelnen Rechtsordnungen zu<br />
verlangen, sondern läßt bereits mehr oder weniger starke Tendenzen in der Rechtsentwicklung