Kapitel 2 - Ipce
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Sind jedoch „grundsätzliche Werte und wesentliche Aspekte des Privatlebens betroffen" und<br />
ist „wirksame Abschreckung" 55 „unerläßlich und [...] nur durch strafrechtliche Vorschriften<br />
erreich[bar]", so besteht die Verpflichtung zum Einsatz des Strafrechts. 56<br />
Bei der Prüfung, ob so eine Verpflichtung besteht, ist im konkreten Fall auf die Regelungen<br />
in den anderen nationalen Rechtsordnungen 57 sowie darauf Bedacht zu nehmen, daß das<br />
innerstaatliche strafrechtliche System konsistent ist. Hat ein Staat in einem Bereich „generell<br />
ein auf dem Strafrecht basierendes Schutzsystem gewählt" und besteht ,,[d]ie einzige Lücke"<br />
in dem vorliegenden Fall, so spricht dies für eine Verpflichtung zur Erlassung strafrechtlicher<br />
Normen für diesen Fall. 58<br />
2.213 Innerstaatliche Rechtsprechung<br />
Die innerstaatliche Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK zeigt keine Abweichungen zu jener der<br />
Konventionsorgane.<br />
Sowohl der Oberste Gerichtshof als auch der Verfassungsgerichtshof rechnen das private<br />
Sexualleben eines Menschen ohne Zweifel dem Privatleben zu. 59<br />
Ansonsten hat die österreichische Rechtsprechung bisher keine differenzierten Aussagen zu Art.<br />
8 getroffen 60 , ausgenommen nur die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 9. März<br />
1978, in der er grundsätzlich zur Zulässigkeit der „Moral" als Motiv für sexualstrafrechtliche<br />
Vorschriften Stellung genommen hat: 61<br />
„Gemessen an den Wertmaßstäben unserer Demokratie ist der Staat nicht dazu legitimiert, die<br />
Freiheit des Individuums in Ansehung von Verhaltensweisen einzuschränken, die der<br />
Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung treten und weder Gemeinschaftsinteressen noch auch<br />
legitime Interessen anderer Individuen irgendwie beeinträchtigen. Der Umstand, daß dieses<br />
Verhalten als unmoralisch qualifiziert wird, hat für sich allein noch nicht zur Folge, daß ein<br />
Verbot als zulässig, weil notwendig in einer demokratischen Gesellschaft beurteilt werden<br />
dürfte". 62<br />
Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof in diesem Fall die Pönalisierung der „in der<br />
Öffentlichkeit nicht in Erscheinung tretenden geschlechtlichen Hingabe [auch] wenn sie um<br />
einer bedungenen Entlohnung willen erfolgt" 63 als verfassungswidrig qualifiziert. 64<br />
Dies gelte hingegen nur für entgeltliche, nicht jedoch für gewerbsmäßige sexuelle Kontakte, 65<br />
weil diese „der Öffentlichkeit gegenüber notwendig in Erscheinung treten" 66 . „Durch die