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Roxandra Stourdza war für Alexander I. eine einfühlsame, ho<strong>ch</strong>intelligente<br />
und sehr an religiösen Fragen und wegen einer gewissen<br />
Neigung zum Mystizismus beliebte Gesprä<strong>ch</strong>spartnerin. Von<br />
den bis dahin ers<strong>ch</strong>ienenen S<strong>ch</strong>riften Jung-Stillings gab sie vor allem<br />
den »Szenen aus dem Geisterrei<strong>ch</strong>e (1795 bis 1801)« den Vorzug.<br />
Sie s<strong>ch</strong>loß mit Jung-Stilling, den sie sehr verehrte, einen<br />
»ewigen Freunds<strong>ch</strong>aftsbund im Namen der Liebe und Barmherzigkeit«.<br />
Dieser s<strong>ch</strong>rieb später über sie in einem Brief: »Drei Personen<br />
waren mir besonders merkwürdig: 1. Die Prinzessin Sturza, Nièce<br />
des Hospodars von der Moldau und Walla<strong>ch</strong>ei, Marnsi und Üpsilanti<br />
32 , die die erste Hofdame und Liebling der Kaiserin ist, sie will<br />
aber nur Fräulein genannt werden. Diese vortreffli<strong>ch</strong>e Grie<strong>ch</strong>in ist<br />
eine im innern Leben mit Christo in Gott weitgeförderte Seele, und<br />
es tut mir wohl, dass sie si<strong>ch</strong> auf ewig mit mir vereinigt und verbündet<br />
hat. Sie hat vielen Einfluss auf die Kaiserin und kann also<br />
sehr viel Gutes wirken«.<br />
Roxandra Stourdza, die dem russis<strong>ch</strong>-orthodoxen Bekenntnis<br />
angehörte, s<strong>ch</strong>rieb ihrerseits über Frau von Krüdener und Jung-Stilling<br />
in ihren Memoiren: »In Baden wurde i<strong>ch</strong> näher mit zwei Personen<br />
bekannt, die si<strong>ch</strong> ehrli<strong>ch</strong> und gründli<strong>ch</strong> der Betra<strong>ch</strong>tung göttli<strong>ch</strong>er<br />
Dinge widmeten. Baronin Krüdener und Jung-Stilling gewannen<br />
mi<strong>ch</strong> beide lieb, was mir besonders teuer war, da i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong><br />
von der Langeweile und Fadheit des Hofs in ihre Gesells<strong>ch</strong>aft retten<br />
konnte. Die Baronin lebte in einer Hütte, wo zu ihr die Bettler und<br />
Trostsu<strong>ch</strong>enden kamen, ebenso Kinder und vers<strong>ch</strong>iedene weltli<strong>ch</strong>e<br />
Leute … Jung-Stilling gehörte zu der Zahl der heißen und reinen<br />
Seelen, denen es ledigli<strong>ch</strong> an einer positiven Religion fehlt, um in<br />
Glaubenssa<strong>ch</strong>en den Fußspuren Fénelons 33 zu folgen. Aber er wur-<br />
Manuskript im Besitz der Jung-Stilling-Gesells<strong>ch</strong>aft, Siegen.<br />
32<br />
Marnsi und Üpsilanti (=Ypsilanti): alte grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Honoratiorenfamilien, die<br />
mehrfa<strong>ch</strong> Hospodars und hohe Militärs stellten.<br />
33<br />
Fénélon, Francois (eigentli<strong>ch</strong>: Francois de Salignac de la Mothe-Fénélon, geb. am<br />
6.8.1651, gest. am 7.1.1715). Erzbis<strong>ch</strong>of von Cambrai. S<strong>ch</strong>rieb erzieheris<strong>ch</strong>e Bü<strong>ch</strong>er<br />
für die Jugend im Sinne der beginnenden Aufklärung.<br />
OFFENE TORE 3/10<br />
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