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Offene Tore 3 / 2010 - Orah.ch

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sten kommende, halte. Vor allem wollte der Zar da wohl eine klare<br />

Auskunft Jung-Stillings über die Bedeutung der Herrnhuter hören.<br />

Jung-Stilling antwortete ihm aber nur auswei<strong>ch</strong>end, wohl um dem<br />

russis<strong>ch</strong>-orthodoxen Zaren ni<strong>ch</strong>t zu nahe zu treten. Er bekannte frei<br />

heraus, dass er keine Antwort auf diese Frage geben könne, da<br />

na<strong>ch</strong> seiner Meinung alle <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Bekenntnisse und au<strong>ch</strong> die<br />

Sekten ihr Gutes hätten, und keines der <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Bekenntnisse<br />

s<strong>ch</strong>lösse den Weg zur Seligkeit aus. Es käme eben nur auf den<br />

Mens<strong>ch</strong>en an, auf seine Gesinnungen und seinen Lebenswandel.<br />

Der Zar war unzufrieden über diese auswei<strong>ch</strong>ende Antwort und<br />

meinte, es müsse do<strong>ch</strong> Unters<strong>ch</strong>iede zwis<strong>ch</strong>en den vers<strong>ch</strong>iedenen<br />

Bekenntnissen geben. Jung-Stilling meinte hingegen, es sei ihm<br />

einfa<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>, eine unters<strong>ch</strong>iedli<strong>ch</strong>e Wertung der einzelnen<br />

Bekenntnisse vorzunehmen. Darauf versetzte Alexander, er habe<br />

eigentli<strong>ch</strong> den Eindruck, dass die Herrnhuter Brüdergemeine dem<br />

großen Vorbild am ehesten entsprä<strong>ch</strong>e. »O ja«, soll Stilling geantwortet<br />

haben, »die Herrnhuter sind vortreffli<strong>ch</strong> und mir gewiß lieb;<br />

aber die Form tut es au<strong>ch</strong> hier ni<strong>ch</strong>t, und wenn der Mens<strong>ch</strong> nur gut<br />

ist, so kann er in jeder gedeihen«.<br />

Alexander, der seit seiner Kindheit auf der Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> einer<br />

wahrhaften und ihn voll befriedigenden Religion war, hatte in der<br />

Tat alle ihm errei<strong>ch</strong>bare religiösen S<strong>ch</strong>riften seiner Zeit gelesen,<br />

darunter au<strong>ch</strong> – soweit sie bereits ins Russis<strong>ch</strong>e übersetzt worden<br />

waren – die Bü<strong>ch</strong>er Jung-Stillings. Im Jahre 1812 hatte der Kaiser<br />

dann unter dem Einfluß der ungewissen Kriegszeit und der hohen<br />

Verantwortung, die er zu tragen hatte, so etwas wie eine innere<br />

Wandlung und religiöse Erweckung erlebt. Das kam vor allem zum<br />

Ausdruck in einer Aufstellung empfehlenswerter <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>er Literatur,<br />

die er für seine S<strong>ch</strong>wester Katharina in Jahre 1812 angefertigt<br />

hat. In dieser Aufstellung unters<strong>ch</strong>ied er drei Arten von geistli<strong>ch</strong>en<br />

und theologis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riften. In den S<strong>ch</strong>riften der ersten<br />

Klasse werden na<strong>ch</strong> seiner Eins<strong>ch</strong>ätzung theoretis<strong>ch</strong>e Lehren dar-<br />

OFFENE TORE 3/10<br />

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