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der Gewohnheiten »höherer Tö<strong>ch</strong>ter« der damaligen Zeit. Sie war<br />
selbstsi<strong>ch</strong>er, »ungebärdig«, intelligent, energis<strong>ch</strong> und burs<strong>ch</strong>ikos.<br />
Dazu entwickelte sie soziale Interessen und trug au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> ihr<br />
Haar kurz ges<strong>ch</strong>nitten. Na<strong>ch</strong> der Gründung einer florierenden Mäd<strong>ch</strong>en-Gewerbe-S<strong>ch</strong>ule<br />
spielte sie aber s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> in der Gesells<strong>ch</strong>aft<br />
der Stadt Riga eine allseits gea<strong>ch</strong>tete Rolle. Sie war eben »etwas<br />
Besonderes«. Friedri<strong>ch</strong> von Jung-Stilling hatte außer diesen Tö<strong>ch</strong>tern<br />
no<strong>ch</strong> einen Sohn, den er au<strong>ch</strong> Friedri<strong>ch</strong> genannt hatte. Dieser<br />
nahm eine Stelle in der Verwaltung des Gouvernements Lettland<br />
an. Er wurde sozusagen »das statistis<strong>ch</strong>e Gewissen« der Verwaltung.<br />
Sein Wissen gab er in Bü<strong>ch</strong>ern voll endloser Zahlenkolonnen<br />
heraus. Sie enthielten (in deuts<strong>ch</strong>er Spra<strong>ch</strong>e) alle in der Verwaltung<br />
gesammelten demographis<strong>ch</strong>en Daten, von den Geburtenzahlen<br />
und Sterberaten in den einzelnen Gemeinden, über die Entwicklung<br />
der Lohne und Gehälter, bis zu den Preisen für die Lebensunterhaltung<br />
sowie allen Angaben über Verkehrsverbindungen, Straßenbau<br />
und S<strong>ch</strong>iffahrt 58 . Für Regional - Historiker sind diese Bü<strong>ch</strong>er<br />
Friedri<strong>ch</strong> von Jung-Stillings jun. heute no<strong>ch</strong> von hohem Interesse<br />
und eine Fundgrube. Friedri<strong>ch</strong> der Jüngere wiederum hatte<br />
au<strong>ch</strong> nur einen Sohn. Der hieß Roderi<strong>ch</strong> von Jung-Stilling. Er wurde<br />
S<strong>ch</strong>auspieler, was in der Familie »ungeheures Entsetzen« ausgelöst<br />
haben soll. Mit Rücksi<strong>ch</strong>t auf die Vorurteile der meisten anderen<br />
Familienmitglieder nahm Roderi<strong>ch</strong> von Jung-Stilling daher den<br />
Künstlernamen »Ri<strong>ch</strong>ard Starnberg« an. Er verließ, wie die meisten<br />
Baltendeuts<strong>ch</strong>en, im Zuge der um die Jahrhundertwende heraufziehenden<br />
politis<strong>ch</strong>en Gewitter seine baltis<strong>ch</strong>e Heimat. Ab 1922 arbeitete<br />
und lebte er in Berlin. Seine Ni<strong>ch</strong>te Elisabeth erinnert si<strong>ch</strong><br />
daran, dass sie ihren »Onkel Rodi« des öfteren darauf angespro<strong>ch</strong>en<br />
habe, ob er ni<strong>ch</strong>t do<strong>ch</strong> heiraten und eine Familie gründen wolle, um<br />
58<br />
Erwähnt seien davon nur: a) Riga in den Jahren 1866–1870, b) Beitrag zur Gebäudestatistik<br />
der Stadt Riga für das Jahr 1866, c) Beitrag zur Bevölkerungsstatistik<br />
Livlands und d) Ergebnisse der Rigaer Handelsstatistik aus den Jahren 1866 -<br />
1870.<br />
OFFENE TORE 3/10<br />
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