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Schweizer Tierschutzstrafpraxis 2012 - Stiftung für das Tier im Recht

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Nasenausfluss gelitten sowie oberflächliche Verletzungen am Körper aufgewiesen. Die zuständige<br />

Strafbehörde hat in diesem Fall Art. 28 Abs. 1 lit. a TSchG <strong>für</strong> einschlägig befunden und eine<br />

Busse von 200 Franken ausgesprochen 66 . Hier hätte nach der Meinung der TIR zwingend der<br />

Vernachlässigungstatbestand gemäss Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG angewendet werden müssen.<br />

c) Forderungen<br />

Der soeben zitierte Fall 67 zeigt exemplarisch, <strong>das</strong>s insbesondere <strong>Tier</strong>schutzwidrigkeiten bei Katzen<br />

von den Behörden oftmals nicht genügend ernst genommen und als Übertretung mit Bagatellcharakter<br />

statt als Vergehen beurteilt werden. Strafbehörden haben jedoch eine gesetzeskonforme<br />

und klare Unterscheidung zwischen den Tatbeständen der Vernachlässigung und der mangelhaften<br />

Haltung vorzunehmen. Immer dann, wenn Halter ihre Pflicht nach Art. 6 Abs. 1 TSchG<br />

verletzen, gemäss der sie ihre <strong>Tier</strong>e angemessen betreuen, nähren, pflegen und beschäftigen<br />

müssen, ist nach Meinung der TIR der Vernachlässigungstatbestand zur Anwendung zu bringen 68 .<br />

Dabei handelt es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt, bei dem <strong>das</strong> tatbestandsmässige Verhalten<br />

in der Nichtvornahme der nach Art. 6 Abs. 1 TSchG gebotenen Handlungen besteht. Nicht<br />

erforderlich ist nach hier vertretener Ansicht, <strong>das</strong>s be<strong>im</strong> <strong>Tier</strong> tatsächlich Schmerzen, Leiden,<br />

Schäden, Ängste oder andere Belastungen auftreten; es genügt die Missachtung der Fürsorgepflicht<br />

69 . Art. 28 Abs. 1 lit. a TSchG sollte bei der Verletzung der <strong>Tier</strong>halterpflichten nach Art. 6<br />

TSchG nur noch dann zur Anwendung gelangen, wenn dem Verstoss Bagatellcharakter zuzumessen<br />

ist 70 . Eine konsequente Umsetzung des <strong>Tier</strong>schutzgesetzes und die korrekte Anwendung des<br />

<strong>Tier</strong>quälereitatbestands nach Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG sind dringend angezeigt.<br />

66 Siehe den Strafbefehl des Statthalteramts Zürich vom 22.2.<strong>2012</strong> (ZH12/031).<br />

67 Siehe Fn 66.<br />

68 Bolliger/Richner/Rütt<strong>im</strong>ann 113ff. Vgl. auch BGE 6B_660/2010 und BGE 6B_661/210, gemäss diesen beiden<br />

Urteilen wurden die Beschuldigte und ihr Ehemann wegen der Vernachlässigung von sechzig Katzen verurteilt. Einige<br />

<strong>Tier</strong>e der Beschuldigten waren mager und teilweise chronisch krank gewesen (eitrige Ohrentzündungen,<br />

Taubheit, Zahnfleischentzündungen, Bindehautentzündungen), eine fachlich richtige und tierärztliche Betreuung<br />

war ihnen versagt worden. Es fehlte zudem an ausreichend Kotschalen, die Räume waren verdreckt und <strong>das</strong><br />

Raumkl<strong>im</strong>a schlecht. Die beiden Verfahren wurden durch <strong>das</strong> Bundesgericht zu einem Verfahren vereinigt, nachdem<br />

beide Beschuldigten als tierschutzrechtlich gleichermassen verantwortliche Betreuer eingestuft worden waren.<br />

Die beiden vorinstanzlichen Urteile des Obergerichts des Kantons Aargau vom 27.5.2010 sind in der TIR-<br />

Datenbank unter AG10/049 und AG10/050 abrufbar.<br />

69 So auch <strong>das</strong> Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 11.9.2007 (TG07/010); vgl. <strong>im</strong> Einzelnen die<br />

Ausführungen in Bolliger/Richner/Rütt<strong>im</strong>ann 114f. Widersprüchlich zu dieser Thematik ist die <strong>Recht</strong>sprechung<br />

des Bundesgerichts vom 14.3.2013, vgl. zu diesem Diskurs und den Hinweisen auf die verschiedenen Bundesgerichtsurteile<br />

Andreas Rütt<strong>im</strong>ann, Der <strong>Tier</strong>quälereitatbestand der Vernachlässigung – Eine kritische Auseinandersetzung<br />

mit dem Urteil des Bundesgerichts 6B_63/<strong>2012</strong>, in: Jusletter vom 8.7.2013.<br />

70 Bolliger/Richner/Rütt<strong>im</strong>ann 116.<br />

Richner / Flückiger / Rütt<strong>im</strong>ann / Künzli – <strong>Schweizer</strong> <strong><strong>Tier</strong>schutzstrafpraxis</strong> <strong>2012</strong>

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