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Schweizer Tierschutzstrafpraxis 2012 - Stiftung für das Tier im Recht

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sagen, bedarf es zwingend des konsequenteren Anzeigeverhaltens durch die Bevölkerung und der<br />

Untersuchung entsprechender Handlungen (unter dem Aspekt der qualvollen Tötung) durch die<br />

Strafbehörden.<br />

2.7. Qualzuchten 118<br />

2.7.1. Problematik<br />

Seit rund einem Jahrhundert werden He<strong>im</strong>tierrassen zu Liebhaberzwecken gezüchtet. Solange<br />

dabei <strong>das</strong> Einzeltier und seine natürlichen Bedürfnisse <strong>im</strong> Mittelpunkt stehen, ist dies aus tierschutzrechtlicher<br />

Sicht unbedenklich. Seit einigen Jahrzehnten orientiert sich die He<strong>im</strong>tierzucht<br />

jedoch <strong>im</strong>mer mehr an charakteristischen Verhaltensweisen und an der Verstärkung von ästhetischen<br />

Merkmalen, wie bspw. Gefieder, Grösse oder Hautpigmentierung der <strong>Tier</strong>e. Die entsprechenden<br />

Vorgaben der Zuchtverbände führen nicht nur zu bizarren Körperformen, sondern auch<br />

zu psychischen oder physischen Leiden be<strong>im</strong> einzelnen <strong>Tier</strong>. Gesundheit und Wohlbefinden der<br />

<strong>Tier</strong>e sind häufig erheblich beeinträchtigt. Ein artgerechtes Leben wird durch die zuchtbedingten<br />

Krankheiten oftmals verunmöglicht.<br />

Am häufigsten sind Hunde von züchterischen Auswüchsen betroffen 119 . Aber auch bei Katzen gibt<br />

es sogenannte Qualzuchten (auch Extrem- oder Defektzucht genannt). So etwa kann sich die<br />

stummelbeinige Munchin-Katze nicht arttypisch bewegen, ist die Sphinx aufgrund ihres fehlenden<br />

Fells der Witterung schutzlos ausgeliefert, können viele Siamesen wegen eines neurologischen<br />

Defekts nichts mehr sehen oder haben Perserkatzen aufgrund ihrer viel zu flachen Nase Mühe<br />

mit Atmen und Fressen.<br />

Seit der Totalrevision der <strong>Tier</strong>schutzgesetzgebung <strong>im</strong> Jahr 2008 sind Qualzuchten explizit untersagt.<br />

Gemäss Art. 10 Abs. 1 TSchG ist die Anwendung natürlicher und künstlicher Zucht- und Reproduktionsmethoden<br />

verboten, wenn bei den Elterntieren und ihren Nachkommen durch <strong>das</strong><br />

Zuchtziel bedingte oder damit verbundene Schmerzen, Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen<br />

entstehen (Qualzuchtverbot) 120 .<br />

118 Vorliegende Ausführungen basieren auf der <strong>2012</strong> erschienenen Studie von Bolliger/Richner/Künzli 36ff.<br />

119 Zu nennen ist bspw. der Schäferhund, der aufgrund der ihm angezüchteten Hüftgelenkdysplasie erhebliche Probleme<br />

be<strong>im</strong> Gehen hat. Kleingezüchtete, zwergwüchsige <strong>Tier</strong>e wie der Chihuahua, der Yorkshire Terrier oder der<br />

Zwergpudel leiden an Geburtsschwierigkeiten, Sterilitäten, Gebissanomalien und zum Teil an offenen Fontanellen<br />

(Schädelknochenlücken). Riesenhunde, wie bspw. Deutsche Doggen, Bernhardiner, Mastiffs oder Irish Wolfhounds,<br />

weisen mitunter schwere Gelenk-und Skelettschäden auf. Auf Kurzköpfigkeit (sog. Brachyzephalie) gezüchtete<br />

Rassen wie Boxer, Möpse, Pekinesen etc. leiden unter Atemnot, Glotzäugigkeit und weiteren zuchtbedingten<br />

Beschwerden. Aufgrund ihrer massigen Schädel ist ein normaler Geburtsvorgang oftmals nicht möglich.<br />

120 Art. 25 Abs. 1 TSchV konkretisiert, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Züchten stets darauf auszurichten ist, gesunde <strong>Tier</strong>e zu schaffen, die<br />

frei von Eigenschaften und Merkmalen sind, die ihre Würde verletzen.<br />

Richner / Flückiger / Rütt<strong>im</strong>ann / Künzli – <strong>Schweizer</strong> <strong><strong>Tier</strong>schutzstrafpraxis</strong> <strong>2012</strong>

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