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mit CJD-Schülern und Profis an der Fachhochschule Bochum

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Musische Bildung<br />

M<strong>an</strong>chester getroffen? Gut möglich, <strong>und</strong> warum nicht, bekommt sie zur Antwort, aber er<br />

entsinne sich dessen nicht. Und so geht es weiter. Mr. <strong>und</strong> Mrs. Martin stellen nach <strong>und</strong><br />

nach verw<strong>und</strong>ert fest, dass sie beide aus M<strong>an</strong>chester kommen, es beide vor fünf Wochen<br />

verlassen haben, <strong>mit</strong> dem gleichen Zug gefahren sind <strong>und</strong> im gleichen Abteil saßen. Dass<br />

sie beide in <strong>der</strong> Bromfieldstreet Nr. 19, im fünften Stock im Appartment Nr. 8 wohnen<br />

<strong>und</strong> in einem Bett zwischen Klosett <strong>und</strong> Bibliothek unter einer grünen Fe<strong>der</strong>decke schlafen.<br />

Und immer wie<strong>der</strong> betonen sie, dass es gut möglich wäre – <strong>und</strong> warum nicht, aber<br />

sie entsinnen sich keineswegs, immer <strong>und</strong> immer wie<strong>der</strong> hört <strong>der</strong> Zuschauer den Satz,<br />

bis er am liebsten aufschreien möchte, sie sollen gefälligst <strong>an</strong><strong>der</strong>e Ausdrücke nehmen.<br />

Aber nein, das hätte m<strong>an</strong> ja wissen können, dass so etwas im Stück vorkommt, denn wie<br />

war nochmal die Beschreibung? Ach ja, Tragödie <strong>der</strong> Sprache. Als m<strong>an</strong> sich gerade <strong>mit</strong><br />

den Ausdrücken <strong>an</strong>fre<strong>und</strong>en will, f<strong>an</strong>gen Martins plötzlich <strong>an</strong>, im Hopserlauf zu t<strong>an</strong>zen<br />

<strong>und</strong> freuen sich, dass sie ein<strong>an</strong><strong>der</strong> wie<strong>der</strong>gef<strong>und</strong>en haben – <strong>und</strong> weg ist die Verw<strong>und</strong>erung,<br />

so als hätte es sie nie gegeben. Was für ein Glück, denkt m<strong>an</strong> sich.<br />

Falsch gedacht, denn kaum glaubt m<strong>an</strong>, dass m<strong>an</strong> etwas Wahrheit erkennt hätte, schon wird<br />

sie wi<strong>der</strong>legt. Ein adrett gekleidetes Dienstmädchen (M<strong>an</strong>uela Pütz) springt behende <strong>mit</strong> einem<br />

Regenschirm auf die Bühne <strong>und</strong> bringt <strong>mit</strong> einer messerscharfen Logik das eben so<br />

sorgfältig aufgebaute Beweissystem <strong>der</strong> Martins zum Einsturz. Währenddessen gelingt es<br />

dem Zuschauer wenigstens, das „Stühle“-Ehepaar etwas einzuschätzen. Semiramis, die<br />

Ehefrau (Helen Winter), sprüht geradezu vor Energie <strong>und</strong> Dynamik, während ihr Ehem<strong>an</strong>n<br />

(gespielt von Dominique Laengner) sich betont gel<strong>an</strong>gweilt <strong>mit</strong>schleppen lässt. Semiramis<br />

bemuttert ihn geradezu, hält ihm vor, was er alles hätte werden können, erzählt wehmütig<br />

von einem Sohn, den sie <strong>an</strong>geblich hatten, schmettert voller Emotion einen Stuhl über die<br />

Bühne, als sie dramatisch weinend den Verlust ihres einzigen Kindes beklagt.<br />

Ihr Ehem<strong>an</strong>n hingegen redet monoton von seiner eigenen Kindheit. Seine Mutter habe<br />

sterbend im Graben gelegen, sagt er ohne Zeichen einer Emotion, sie wollte nicht, dass<br />

er geht. Aber – <strong>und</strong> nun erhellt sich sein Gesicht plötzlich – er hatte Besseres zu tun.<br />

Und <strong>mit</strong> einer spont<strong>an</strong>en Motivation schwärmt er von einem Ball, auf dem er stattdessen<br />

war, steigert sich <strong>mit</strong> leuchtenden Augen hinein, während Semiramis beteuert, was<br />

für ein guter Sohn er doch gewesen sei. M<strong>an</strong> erkennt, dass die Darsteller sich richtig in<br />

ihren Figuren wohl fühlen, sich gerne in ihre Situationen hineinversetzen, ihre Launen<br />

ausüben. Das ist auch nicht weiter verw<strong>und</strong>erlich, denn gemeinsam <strong>mit</strong> S<strong>an</strong>dy Eggers<br />

basteln sie nun schon ein Jahr l<strong>an</strong>g <strong>an</strong> ihrer Figur herum <strong>und</strong> haben sie sehr gut kennen<br />

gelernt –fast wie einen echten Menschen.<br />

Obwohl die Sache <strong>mit</strong> real, sichtbar <strong>und</strong> irreal dem Zuschauer überlassen wird. Denn die<br />

Martins <strong>und</strong> S<strong>mit</strong>hs <strong>der</strong> „Kahlen Sängerin“ haben währenddessen einen weiteren Besucher,<br />

den Feuerwehrhauptm<strong>an</strong>n (Alex<strong>an</strong>dra Kessler), <strong>der</strong>, wie es scheint, auch zunächst für<br />

einige unsichtbar bleibt – bis er leibhaftig vor <strong>der</strong> Tür steht. Und das ist für den Zuschauer<br />

noch nicht die letzte Überraschung bei diesem Stück. Er wird sich noch über Kartoffeln,<br />

Selbstmorde, Affären <strong>und</strong> einiges mehr w<strong>und</strong>ern dürfen...<br />

Alex<strong>an</strong>dra Kessler, 10e<br />

1. Halbjahr 2005/2006<br />

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