Akt 2 - Anduin
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Akt 2 - Anduin
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verborgenen Archiv neu zu ordnen versuchte,<br />
in den letzten Seiten des Tagebuches eine der<br />
Eintragungen über den geheimen Tempel.<br />
Er beschloß, nach Kanday zu reisen und den<br />
verborgenen Tempel zu suchen, gleichgültig wie<br />
schwierig die Suche sein würde.<br />
Angesichts der katastrophalen Lage seines<br />
Ordens sah Onderian in der Wiederentdeckung<br />
der Schätze die einzige Möglichkeit, den Orden<br />
der Feuersäule wieder aufzubauen und Rache an<br />
dem abtrünnigen Kampforden zu nehmen.<br />
Seit nunmehr zwei Jahren hält er sich in<br />
Sarkum auf und sucht nach Hinweisen über<br />
den geheimen Tempel. Da er diesen allerdings<br />
auf dem Festland vermutet, blieb seine Suche<br />
bisher erfolglos.<br />
DER EINSTIEG<br />
INS ABENTEUER<br />
An einem Morgen im späten Agrazhar des<br />
Jahres 720 TR bewegt sich eine kleine Schar<br />
Reisender auf der Küstenstraße zwischen<br />
Sarkum und der weiter südlich gelegenen Abtei<br />
von Melot. Das Wetter ist kühl und regnerisch<br />
und Nebelbänke ziehen über die endlosen<br />
Heideflächen zur landgewandten Seite der<br />
Straße.<br />
Läßt man den Blick über die unruhige See<br />
der Bucht von Sarkum schweifen, nordwärts<br />
die Hügelketten von Turmale hinter weißen<br />
Nebelfetzen erahnend und westlich der Burg<br />
die schmale Landzunge im Dunst verborgen<br />
wissend, wo schemenhaft eine kleine,<br />
namenlose Insel ihre zerklüftete Felsgestalt aus<br />
der gischtsprühenden See erhebt, so mag dem<br />
müßigen Reisenden die rauhe Schönheit dieses<br />
Flecken Kelestias bewußt werden, für die die<br />
hier Lebenden in ihrem täglichen Mühsal keinen<br />
Blick zu haben scheinen.<br />
Obgleich der Himmel sich im trüben<br />
Trauerkleid zeigt und die steife Seebrise im<br />
Gesicht beißt, erscheint dies fast als ein sanftes<br />
Lüftchen, verglichen mit dem heftigen Sturm der<br />
vergangenen Nacht.<br />
In Steinwurfweite der Brandung laden<br />
ein paar bemooste Felsen dazu ein, den<br />
schmerzenden Füßen und dem drückenden<br />
Bündel nachzugeben, für eine kurze Rast den<br />
Schwertgurt zu lockern und der Wegzehrung<br />
zuzusprechen. Ist doch der Tag noch lang und<br />
die Wegstrecke schon zur Hälfte geschafft.<br />
Doch kaum hat man es sich bequem gemacht<br />
und den Duft von Brot und Käse eingesogen,<br />
zieht es den Blick auch schon wieder hinaus in<br />
die tosende Brandung und die nebelverschleierte<br />
Bucht.<br />
Doch auf einmal, sei es durch ein geringfügiges<br />
Aufhellen des Himmels, sei es durch das<br />
Verwehen einer Nebelbank, erkennt man einige<br />
Meilen südlich, kurz bevor die Küstenstraße<br />
hinter dem kleinen Dorf Isos ins Landesinnere<br />
führt, direkt am Ufer, inmitten der ausrollenden<br />
Brecher den unförmigen Rumpf eines Schiffes.<br />
Hilflos, einem auf dem Rücken liegenden Insekt<br />
gleich, rollt es in der Dünung.<br />
Es bedarf fast einer halben Stunde Zeit, um<br />
sich dem Schiff zu nähern, das zwischenzeitlich<br />
immer wieder von treibenden Nebelfeldern<br />
verhüllt wird.<br />
Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass es<br />
sich bei dem Wrack um eine einmastige Kogge<br />
im Baustil einer shorkynischen Dak handelt,<br />
nur dass das Bugkastell ungewöhnlich klein<br />
ausfällt und der Rumpf etwas schlanker geraten<br />
ist, womit er ein wenig an eine Karune aus<br />
Trierzon erinnert, was auf ein recht neues Schiff<br />
hindeutet.<br />
Des weiteren verfügt das Schiff über eine<br />
auf der Brücke montierte Ruderwinde, was<br />
eine Steuerung vom Oberdeck aus möglich<br />
macht und damit das geringe Alter des Schiffes<br />
zweifelsfrei bestätigt. Der Schiffsname „Trianth“<br />
ist in verblaßten, aber noch lesbaren goldenen<br />
Lettern an den Steuerbordbug geschrieben.<br />
Als die Abenteurer beim Wrack eintreffen ist<br />
gerade ablaufendes Wasser und die Ebbe hat<br />
das Schiff fest auf den Grund gesetzt, wo es nun<br />
völlig ruhig liegt, als wäre es immer schon hier<br />
gewesen. Die Bordwand ragt gut zwei Meter<br />
aus dem Boden; sie ist muschelbesetzt und<br />
teilweise von Tang überwuchert. Ein Geruch<br />
Rubriken Lesen & Spielen Abenteuer Prosa, Lyrik & Comics Rezensionen<br />
www.anduin.de - © 2003 Tommy Heinig<br />
von Moder und Salzwasser liegt in der Luft.<br />
Dem aufmerksamen Beobachter (Wahrnehmungsprobe)<br />
entgeht bei aller Faszination<br />
durch das Schiff jedoch nicht, dass auf der der<br />
See zugewandten Seite des Schiffes Spuren im<br />
Schlick zu erkennen sind. Die Spuren stammen<br />
offenbar von nackten Füßen und führen vom<br />
Schiff aus ein paar Schritte in Richtung Meer,<br />
um dann abrupt etwa 40 Meter vor den ersten<br />
Wellen zu enden.<br />
Sie stammen von dem Fischer Erewat aus<br />
Fjorn, der das Wrack etwa eine halbe Stunde<br />
vor den SC entdeckte, als er, gemeinsam mit<br />
seinen Söhnen, dicht unter Land segelte, um<br />
eine geringfügige Havarie an seinem Boot zu<br />
richten. Er betrat das Wrack bei Hochwasser<br />
und verließ es, als das Wasser bereits ablief und<br />
schon einige Meter trockenes Land zwischen<br />
dem Wrack und seinem Boot lagen. Das diesige<br />
Wetter entzog sein Boot den Blicken der SC (ein<br />
geflügelter Dämon, der dem Wrack entstieg,<br />
oder ein Wassermann, der sich in Luft auflöste,<br />
dürften für abergläubische Seelen allerdings die<br />
einleuchtendere Erklärung sein).<br />
Auf dem Oberdeck gibt es wenig<br />
Interessantes zu entdecken, abgesehen von<br />
einer sich zwischen den Trümmern der Takelage<br />
befindenden zerzausten Trikolore, die einem<br />
heraldisch versierten SC verraten könnte, dass<br />
das Schiff ursprünglich aus Rethem stammt.<br />
Die Offiziersunterkünfte im Heckkastell<br />
wurden gewaltsam geöffnet und durchwühlt,<br />
die Seekisten aufgebrochen und geplündert. Das<br />
Flaschenregal in der Kapitänskajüte wurde nicht<br />
angerührt (Erewat und seine Söhne fanden so<br />
viele wertvoll aussehende Gegenstände, dass sie<br />
den Flaschen keinerlei Beachtung schenkten).<br />
Die Flaschen wurden von ihrem Besitzer<br />
fest vertäut, um ihr Herausfallen bei schwerer<br />
See zu verhindern. Sie sind aus gewöhnlichem<br />
Ton und allesamt verkorkt. Drei von ihnen<br />
enthalten Rum, eine ist leer. Öffnet man die<br />
leere Flasche, findet man einen vergilbten Brief<br />
mit achteckigem Siegel. Es handelt sich dabei um<br />
den vertraulichen Brief vom Großmeisters des<br />
Ordens der Feuersäule an den Kommandanten<br />
der Trianth.<br />
Er sollte genügen, um das Interesse der SC an<br />
den fehlenden Gegenständen zu wecken.<br />
Das Unterdeck ist noch kniehoch mit<br />
Wasser gefüllt und mit Tang und Trümmern<br />
bedeckt. Die herumliegenden Skelette tragen<br />
noch Überreste von Rüstungen. Unvorsichtige<br />
Abenteurer riskieren beim Durchwaten des<br />
Wassers in herumliegende Waffen oder andere<br />
spitze Gegenstände zu treten, die, unter Sand<br />
und Tang verborgen, überall herumliegen.<br />
Die in der abgeteilten Kajüte liegende Leiche<br />
trägt noch Reste ihrer priesterlichen Gewänder<br />
(es handelt sich dabei um die sterblichen<br />
Überreste vom Anführer des Bergungstrupps).<br />
Seine Sichel und sämtlicher Schmuck wurden<br />
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