(JSE) 2013 - Zeitschrift Jura Studium & Examen
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AUSGABE 2 | <strong>2013</strong><br />
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kommen musste erst noch das Trinken durch<br />
die O selbst und darüber hinaus die Einnahme<br />
einer zu hohen Dosis. Die Überwachungsgarantenstellung<br />
muss aber dort enden,<br />
wo die Eigenverantwortlichkeit anderer<br />
Personen beginnt.<br />
Damit stellt sich die Frage, ob nicht schon im<br />
Bereich der objektiven Zurechenbarkeit das<br />
Ergebnis näher liegt, dass sich O eigenverantwortlich<br />
selbst gefährdet hat. Dass tatsächlich<br />
A den Tod der O zu verantworten<br />
hat, würde jedenfalls voraussetzen, dass O<br />
wirklich ohne Suizid-Gedanken gehandelt<br />
hat und A dies erkannt hat. Denn eine Teilnahme<br />
an einer Selbsttötung wäre mangels<br />
teilnahmefähiger Haupttat straflos. Spätestens<br />
mit dem Erbrechen muss A aber klar geworden,<br />
sein, dass O nicht sterben wollte.<br />
Anmerkung: Auch hier ist wieder zu beachten,<br />
dass für Kandidaten der Ersten juristischen<br />
Staatsprüfung Vorsicht bei der Lektüre<br />
von Revisionsentscheidungen geboten ist;<br />
diese beschränken sich auf die Prüfung, ob<br />
die vom Tatgericht ermittelten Feststellungen<br />
im Urteil den Schuldspruch tragen. Verfehlt<br />
wäre es daher, den Suizid-Unwunsch<br />
der O in Frage zu stellen oder den Vorsatz<br />
des A näher zu untersuchen.<br />
Auch wenn man das Ergebnis des LG Trier,<br />
welches vom BGH bestätigt wurde, in dogmatischer<br />
Hinsicht anzweifeln mag, sei noch<br />
kurz auf die Frage eingegangen, weswegen<br />
weder das Tatgericht noch der BGH an das<br />
Wegschicken der Mitbewohnerin M angeknüpft<br />
hat. A könnte hierdurch einen rettenden<br />
Kausalverlauf abgebrochen haben. Es<br />
käme dann ein Totschlag durch aktives Tun<br />
gem. § 212 Abs. 1 StGB in Betracht, bei dem<br />
sich beide im Fall aufgetretenen Probleme<br />
nicht stellen würden. Von einem eigenverantwortlichen<br />
Handeln des Opfers kann zu<br />
diesem Zeitpunkt keinesfalls ausgegangen<br />
werden; auch die Frage nach der Garantenstellung<br />
stellt sich nicht.<br />
Jedoch ist zu beachten, dass nach den Feststellungen<br />
die O nur in den ersten 30 Minuten<br />
nach Einnahme noch hätte gerettet werden<br />
können. Das Wegschicken der Mitbewohnerin<br />
ereignete sich aber erst ca. eine<br />
Stunde nach der Einnahme des Reinigungsmittels.<br />
Wäre O in diesem Fall schon „unrettbar<br />
verloren“ gewesen, käme man bei der Anwendung<br />
der condicio-sine-qua-non-Formel<br />
zu dem Ergebnis, dass das Wegschicken<br />
nicht kausal für den Tod der O war. Denn<br />
würde man das Wegschicken hinwegdenken,<br />
entfiele der Erfolg nicht, sondern er wäre<br />
ebenso eingetreten.<br />
(Akad. Mit. RA Dr. Patrick Alf Hinderer /<br />
Ref. iur. Stephanie Siewert-Schatz, Dipl.-<br />
Verw.-Wirtin (FH))<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
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