ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe
ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe
ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe
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Ich mußte ihm auseinandersetzen, daß nicht ein künstlerischer Entwurf, sondern eine<br />
wissenschaftliche Arbeit die Vorbedingung zum Doktorexamen sei, was ihn, glaube ich,<br />
sehr empörte. Er ließ durchblicken, daß die zivilisierte Welt nichts als Enttäuschungen<br />
böte und nur noch bei primitiven Menschen einige Erholung zu hoffen sei. Ich erinnerte<br />
an Gauguin. Er nahm das so ernsthaft auf, daß ich bei seinem Fortgang einen Aufbruch<br />
aus Europa mit Sicherheit erwartete. Ich bin nur seinen Bildern wieder begegnet, aber<br />
der Jugendeindruck, den ich von ihm hatte, hat mir sein schweres, schmerzvolles Ringen<br />
mit sich und mit seiner Umwelt immer verständlich gemacht. Ich freute mich seines<br />
Sieges.<br />
Auch die letzten Eindrücke von Heckel knüpfen an meine Tätigkeit als Lehrer der Innenarchitektur<br />
an. Als ich zum erstenmal nach dem Kriege im Kronprinzenpalais eine Gesamtausstellung<br />
seiner letzten Arbeiten sah, schrieb ich ihm nach Erfurt, wo er im Museum<br />
seinen Raum ausmalte, in meiner ersten Freude ein paar Zeilen. Er antwortete mir,<br />
daß er gerade bei seinem augenblicklichen Werk oft denken müsse an seine Dresdener<br />
Entwurfsarbeiten und die Überlegungen über die Gesetze des Raumes, die sich daran<br />
knüpften.<br />
So habe ich diese beiden Schüler, die nicht Architekten wurden, ausgiebiger vorfolgen<br />
können, wie die meisten anderen. Und seltsam, von Hamburg aus war das in den Kampfesjahren<br />
der »Brücke« leichter, als von Dresden aus, denn in Hamburg hatte sie eher<br />
eine Gemeinde, wie in der Stadt, aus der sie hervorging.<br />
Als ich 1909 nach Hamburg übersiedelte, fand ich dort ein Kunstpublikum, das sich in<br />
täglichen Diskussionen erging über Lichtwarks Bevorzugung so revolutionärer Erscheinungen<br />
wie Kalkreuth und Liebermann. Daneben aber stand unvermittelt eine Gemeinde,<br />
die sich nicht nur um Nolde, Kirchner, Heckel und Schmidt-Rottluff kümmerte,<br />
sondern für die sie der Mittelpunkt der künstlerischen Interessen waren. Diese Gemeinde<br />
drang immer siegreicher vor und auch für mich wurden allmählich Heckel,<br />
Kirchner und Pechstein künstlerische Begriffe, die ich kaum noch mit meinen persönlichen<br />
Eindrücken in Beziehung brachte. Nur der historisch eingestellte Blick von Jubiläen<br />
bringt solch Erinnern wieder an die Oberfläche.<br />
A U S D E R V O R G E S C H I C H T E D E R » B R Ü C K E «<br />
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