ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe
ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe
ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
70<br />
F R I T Z B L E Y L<br />
Darstellung von unabhängigen Schaubildern; wir machten bei ihm auch unsere ersten<br />
Studien nach dem lebenden Modell, freilich noch zu »akademisch«.<br />
Noch einmal zurückgreifend auf meine ersten Hochschulferien will ich erwähnen, daß<br />
damals auch in Zwickau mein erstes selbständiges wirkliches Bild entstand, eine Kohlezeichnung,<br />
von der in der Nähe von Zwickau die weite Gegend eindrucksvoll beherrschenden<br />
Grenzburg gegen die Sorben, Schönfels. Zusammen mit mehreren Freunden<br />
hatte ich einen singenden und klingenden Mondscheinausflug dorthin unternommen,<br />
wir hatten das zauberhafte Bild der sich im großen Mühlenteich spiegelnden Burg betrachtet<br />
und in uns aufgenommen und waren weit nach Mitternacht heimgekehrt. Am<br />
nächsten Nachmittag stellte ich das mit einem blaugrauen Tonpapierbogen bespannte<br />
Reißbrett, einen Kinderstuhl als behelfsmäßige Staffelei benutzend, auf und schuf in<br />
glückhafter Stimmung das Bild, das ich noch heute besitze und gern um mich habe.<br />
Es muß etwa um 1903 gewesen sein, oder auch um einiges später, als eine neue, eigenartige<br />
Persönlichkeit an unsere engere Freundesgemeinschaft herantrat. Eigenwillig<br />
grau, anscheinend nach besonderem Schnitt gekleidet, mit rundgedrücktem schwarzem<br />
Filzhut angetan, ließen hohe Stirn und klugblickende, klare, oft aufleuchtende und aufblitzende<br />
Augen und das ganze eindringliche Wesen Bedeutendes erwarten und erkennen,<br />
konnte das angehende Künstlertum des Neuen nicht verborgen bleiben. Es war, etwas<br />
jünger als wir, der von Kirchner schon angekündigte aus Chemnitz kommende Erich<br />
Heckel.<br />
Sogleich gewann durch ihn unsere Gemeinschaft neues Leben, unsere künstlerischen<br />
Belange Bereicherung und neuen Auftrieb. Aquarell und Holzschnitt wurden tüchtig gepflegt,<br />
und gezeichnet und gemalt auf Deubel komm raus.<br />
Auch Heckel war zuerst noch nicht rein Maler, sondern versuchte sich erfolgversprechend<br />
auf architektonisch-kunstgewerblichem Gebiet. So entsinne ich mich seiner Arbeit<br />
als Hilfskraft von Architekt Professor Wilhelm Kreis bei der Errichtung und Außenund<br />
Innengestaltung eines entzückenden Musiklusthauses auf der dritten Deutschen<br />
Kunstgewerbeausstellung in Dresden.<br />
Durch ein Wandgemälde, dessen Inhalt mir leider nicht mehr recht gegenwärtig ist, war<br />
auch der noch an der Kunstakademie auf der Brühlschen Terrasse als Meisterschüler des<br />
Professors Gußmann arbeitende Max Pechstein an der Innengestaltung dieses Musikheims<br />
beteiligt. Heckel lernte ihn dort kennen, fühlte richtig den kommenden Mann und<br />
zukünftigen künstlerischen Revolutionär in ihm und gewann ihn für die Beteiligung an<br />
einer nun schon allmählich sich herauskristallenden, ans Licht und zum Leben drängenden<br />
Künstlervereinigung, die mit den bisher auf den Kunstausstellungen und in der Öffentlichkeit<br />
gezeigten üblichen Richtungen und Bestrebungen brechen, neue Ausdrucksmöglichkeiten<br />
suchen und verwirklichen, um Geltung und Anerkennung kämpfen und<br />
sich durchsetzen sollte.<br />
Auf der 3. Deutschen Kunstgewerbeausstellung in Dresden war es auch, wo uns eine<br />
große, eindrucksvolle Überraschung erwartete und erregte. In dem von Frankreich ausgestalteten<br />
Ausstellungsraum lagen mehrere dicke, etwa ½ zu ¾ m große Bände mit<br />
photographischen Wiedergaben von Meisterwerken moderner französischer Kunst aus.<br />
Wir bestaunten diese großen, hervorragenden Wiedergaben der Bilder etwa Van Goghs<br />
oder Gauguins, um nur zwei Namen der Großen aus der Reihe der französischen Künstler<br />
herauszugreifen.<br />
Ein reges und mannigfaltiges Leben künstlerischen Austausches setzte ein. Wöchentlich<br />
einmal kamen wir regelmäßig, zuerst bei Kirchner, zusammen. Der Wunsch, nach dem<br />
lebenden Modell zu zeichnen, wurde verwirklicht und sogleich durchgeführt, nicht in