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ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe

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MIT FESTEM FUNDAMENT UND<br />

»JUGENDLICHER KECKHEIT« 1<br />

–<br />

VOM <strong>ARCHITEKT</strong>EN E. L . <strong>KIRCHNER</strong>,<br />

DER AUSZOG, MALER ZU WERDEN<br />

KATHARINA SIEGMANN<br />

Am 1. Mai 1905 reichten die beiden Architekturstudenten Ernst Ludwig Kirchner und<br />

Fritz Bleyl an der Königlich Technischen Hochschule in Dresden ihre Diplomarbeiten ein<br />

und erhielten am 1. Juli nach erfolgreich absolvierten Prüfungen ihre Zeugnisse zum Diplomingenieur.<br />

2 In der Zwischenzeit hatten sie gemeinsam mit den Kommilitonen Erich<br />

Heckel und Karl Schmidt aus Rottluff am 7. Juni die Künstlervereinigung »Brücke« gegründet.<br />

Kirchner und Bleyl hatten ihr Architekturstudium im Sommersemester 1901 aufgenommen.<br />

Ihre beider Neigung drängte nach freier künstlerischer Tätigkeit, doch ein Studium<br />

der Malerei war ihnen nach eigenem Bekunden seitens der Familien verwehrt, die mit<br />

der Ausbildung zum Architekten die kreativen Fähigkeiten in einem bürgerlichen Beruf<br />

kanalisiert sehen wollten. 3 Zu den beiden Studenten stießen 1903 beziehungsweise<br />

1905 die wie Kirchner aus Chemnitz stammenden Freunde Heckel und Schmidt, die bereits<br />

in der Schülervereinigung »Vulcan« ihre Interessen an Malerei und Dichtung verfolgt<br />

hatten. 4 Während Kirchner und Bleyl also zum Zeitpunkt der »Brücke«-Gründung<br />

kurz davor standen, einen akademischen Abschluss zu erhalten, widmeten sich Heckel<br />

und Schmidt nur zeitweise dem Architekturstudium und gaben es bald auf. Die jungen<br />

Architekturstudenten – Karl Schmidt war mit 20 Jahren der jüngste, Kirchner mit 25 der<br />

älteste – propagierten nun mittels der »Brücke« die Unabhängigkeit von akademischer<br />

Künstlerausbildung und arriviertem Künstlertum. Ohnehin waren ihnen ihre Gesinnung<br />

und ihr Streben maßgeblicher als bürgerliche Ansichten über Ausbildungsberufe. Dennoch<br />

gingen sie keineswegs so autodidaktisch dem Künstlertum entgegen, wie sie es<br />

selbst gerne später darstellten. Jenseits ihres jugendlichen Elans – woher rührte dieser<br />

entschlossene Mut, diese »Keckheit« der Architekturstudenten, sich auf freie Künstlerfüße<br />

zu stellen?<br />

AU S B I L D U N G U N D S E L B ST ST U D I U M<br />

Kirchner schilderte, seit seinem »dritten Lebensjahr mit Zeichnen, Malen und Modellieren<br />

beschäftigt« gewesen zu sein. 5 Als Schüler am Chemnitzer Realgymnasium hatte er<br />

Zeichenunterricht bei Max Rudolf Fischer, der ihm »systematische Licht- und Schattenlehre«<br />

vermittelt habe. 6 Gemäß seinen Vorlieben fiel auch das Zeugnis der Reifeprüfung<br />

vom 29. März 1901 aus – es weist Kirchner im Freihandzeichnen als »vorzüglich« aus,<br />

wohingegen er in allen anderen Fächern mit »genügend« die Schule beendete. 7<br />

Abgesehen von Kinderzeichnungen, die Kirchner später in Holzschnitte übertrug, 8 stammen<br />

die frühesten erhaltenen Skizzenbücher von dem 20-jährigen Künstler. Darin sind<br />

landschaftliche und familiäre Szenen sowie zahlreiche architektonische Skizzen in Bleistift<br />

und Aquarell festgehalten. Deutlich lässt sich das Bemühen um Stimmungsgehalt,<br />

Komposition und Perspektive ablesen.Wenngleich im akademischen Sinne als Naturstudien<br />

aufgefasst, so sind sie doch bereits mit energischem Strich gezeichnet (ABB. 1). 9<br />

Ernst Ludwig Kirchner mit frühen Gemälden<br />

auf dem Balkon seiner Eltern in Chemnitz,<br />

um 1904, Fotografie, Kirchner Museum<br />

Davos<br />

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