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ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe

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3 Ernst Ludwig Kirchner in München,<br />

Fotografie, 1903/04<br />

52 K A T H A R I N A S I E G M A N N<br />

Zentral für Kirchner und in der Folge auch für seine Freunde sind dessen Monate in<br />

München gewesen (ABB. 3). 20 Für das Wintersemester 1903/04 schrieb sich Kirchner an<br />

der dortigen Technischen Hochschule gemäß seiner Studienakte für Kurse in Allgemeiner<br />

Kunstgeschichte, Modellieren und Ornament- und Figurenzeichnen sowie Dekorative<br />

Architektur ein (siehe Abb. S. 46). 21 Die Einschreibung an der th lieferte den Freiraum,<br />

um in den Lehr- und Versuchsateliers für angewandte und freie Kunst von Wilhelm<br />

von Debschitz und Hermann Obrist seine künstlerische Ausbildung weiter zu verfolgen.<br />

Welche Kurse Kirchner dort besuchte, ist nicht sicher; er selbst berichtete später,<br />

er habe Aktzeichnen belegt. 22 Grundsätzlich werden Kirchner wohl die Kurse in Porträtund<br />

Landschaftsmalerei sowie in den grafischen Techniken interessiert haben. 23 Meike<br />

Hoffmann vermutet, dass Kirchner einen Holzschnittkurs bei Hugo Steiner-Prag besucht<br />

hat, da sich der früheste von Kirchner erhaltene Holzschnitt auf einer Postkarte befindet,<br />

die er von München an Fritz Bleyl sendete. 24<br />

Die Lehrmethode der Lehr- und Versuchsateliers unterschied sich grundlegend von der<br />

an den Akademien praktizierten. Hermann Obrist, der charismatische Kopf der Schule in<br />

den ersten Jahren, setzte sich für das vorbildlose Schaffen aus sich selbst heraus ein:<br />

»Wohl dem, der Begabung und Trieb zu etwas hat und darin keinen offiziellen Schulunterricht<br />

erhalten hat. … Hat er noch dazu Charakter, d. h. Arbeitskraft, Ausdauer, Besonnenheit,<br />

Wille, so steht ihm der Himmel der schöpferischen Kunst offen.« 25 Dies dürfte<br />

bei Kirchner den Nerv getroffen haben.<br />

Obrist schilderte 1904, wie er einen neuen Schüler zunächst ganz frei nach dessen Interessen<br />

zeichnen ließ. »Nach sehr kurzer Zeit stellt sich regelmäßig heraus, daß es<br />

nichts mehr und nicht weniger ist als ganz gewöhnliches Blümchen- oder Tierchenzeichnen<br />

nach bloß malerischen oder illustrativen Gewohnheiten, was er da treibt. Hier<br />

erst setzt der Unterricht ein. Es wird ihm vor allem gezeigt, was er alles nicht gesehen<br />

hat, wie matt und oberflächlich er das über die Maßen interessante Naturgebilde aufgefaßt<br />

hat. … Er begreift allmählich, daß eine Blume, eine Muschel … noch etwas anderes<br />

ist als bloß associativ oder intellektuell eine Muschel, eine Wurzel …, daß es organisierte<br />

Gebilde voller Gesetzmäßigkeiten, voller Strukturen, voller Kräfteäußerungen sind.<br />

… Erst nachdem der Schüler sich gewissermaßen frei ausgelebt hat, wird die kritische<br />

Sonde angelegt« und die Fragen nach der Funktion und Bedeutung erörtert. 26 Prinzipiell<br />

müsse Architektur und Kunst, ob frei oder angewandt »… echt, wahr, zeitentsprechend<br />

und individuell« sein. 27 Das stellt nun sowohl das Gegenmodell zur Ausbildung an Technischen<br />

Hochschulen dar als auch eine höchst geeignete Auffassung für Kirchner, der<br />

ohnehin einem freien, bedingungslosen Künstlertum zustrebte. Mit diesen wegweisenden<br />

Impulsen kehrte er 1904 nach Dresden zum Abschluss seines Studiums und zu seinen<br />

Freunden zurück, mit denen er nunmehr bestärkt das Fortschreiten auf dem Weg als<br />

Maler betreiben konnte.<br />

W E C H S E L Z U N E U E N U F E R N<br />

Die Freunde hatten den Zusammenschluss zu einer Künstlergemeinschaft lange erwogen;<br />

Heckel berichtet von ihren Überlegungen, wie sie »an die Öffentlichkeit treten<br />

können. Eines Abends sprachen wir auf dem Nachhauseweg wieder davon. Schmidt-<br />

Rottluff sagte, wir könnten das Brücke nennen – das sei ein vielschichtiges Wort, würde<br />

kein Programm bedeuten, aber gewissermaßen von einem Ufer zum anderen führen.<br />

Wovon wir weg mußten, war uns klar – wohin wir kommen würden, stand weniger<br />

fest.« 28 1906 wurde das vermutlich schon im Vorjahr verfasste Programm von Kirchner<br />

in Holz gestochen: »Mit dem Glauben an Entwicklung, an eine neue Generation der

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