ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe
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1 Adolph Michalsky, Blick auf Dresden,<br />
um 1911, Feder und Aquarell, 51,5 × 86,5 cm,<br />
Städtische Galerie Dresden<br />
74 H E N R I K K A R G E<br />
Eine ähnliche Bevölkerungsentwicklung erlebten auch viele andere Großstädte des<br />
Deutschen Reiches, die wirtschaftliche Struktur war in Dresden jedoch eine besondere:<br />
In der Residenzstadt wurde keine Schwerindustrie angesiedelt. Stattdessen entfaltete<br />
sich nach der Depressionsphase der 1870er-Jahre neben der traditionellen Nahrungsund<br />
Genussmittelindustrie, die insbesondere in der Fertigung von Zigaretten und Schokolade<br />
bedeutend war, eine hochspezialisierte Feinindustrie, die im Maschinenbau vor<br />
allem Näh-, Schreib-, Rechen- und Verpackungsmaschinen sowie Geräte für die wissenschaftliche<br />
Forschung hervorbrachte. Besonders zukunftsträchtig war die Fabrikation<br />
von Fotoapparaten durch die 1889 gegründeten Kamerawerke Ernemann, die vor dem<br />
Ersten Weltkrieg auf dem Gebiet der Filmvorführgeräte weltweit führend waren.Weitere<br />
Schwerpunkte bildeten der medizinisch-hygienische Bereich mit der Fabrikation von<br />
Arzneimitteln und der Mundwasserfirma Odol von Karl August Lingner sowie vielfältige<br />
kunsthandwerkliche Industriezweige, zu denen die Herstellung von Porzellan und anderer<br />
Keramik (Villeroy & Boch), Möbeln (Deutsche Werkstätten Hellerau), Klavieren und<br />
Orgeln gehörte. Diese außerordentlich verzweigte Industrieproduktion war um 1900 bereits<br />
in einem bemerkenswerten Ausmaß in die Weltwirtschaft eingebunden und erlebte<br />
demgemäß auch starke konjunkturelle Schwankungen. So hatte die Wirtschaftskrise<br />
von 1900 bis 1902 eine Reihe von Firmenzusammenbrüchen und -konzentrationen<br />
und verstärkte technische Innovationen zur Folge. Sie bildete eine auffallend moderne<br />
Wirtschaftsstruktur mit einem beträchtlichen Frauenanteil, guten Entwicklungsperspektiven<br />
und einer hohen Wertschöpfung aus. 7<br />
Dass Dresden dennoch nach außen hin nicht primär als moderne Wirtschaftsmetropole<br />
in Erscheinung trat, hatte hauptsächlich mit dem traditionellen Image der Stadt als<br />
Zentrum der Künste und ihrer Einbettung in einen der attraktivsten Landschaftsräume<br />
Mitteleuropas zu tun. Es war die singuläre Schönheit der Residenzstadt an der Elbe, die<br />
im Zusammenklang von Architektur und Natur und im Wechselspiel von künstlerischen<br />
Traditionen und Neuerungen die ideale Voraussetzung für die Entfaltung einer sehr spezifischen<br />
Lebenskultur bot, die nicht ohne Einfluss auf die Ausprägung der einzelnen<br />
Künste blieb.<br />
Hier ist an erster Stelle das berühmte Stadtbild Dresdens8 zu nennen, das sich – nach<br />
den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs auch heute wieder – durch eine einzigartige