ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe
ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe
ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe
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<strong>ERNST</strong> <strong>LUDWIG</strong> <strong>KIRCHNER</strong> UND<br />
DER AUFBRUCH DER KÜNSTE UM 1900<br />
VORWORT UND DANK<br />
RALF BEIL<br />
Kirchner vor Kirchner: Die Ausstellung Ernst Ludwig Kirchner als Architekt zeigt nicht weniger<br />
als die frühesten Werke des späteren Expressionisten von Weltrang. Zum ersten<br />
Mal überhaupt werden die virtuosen Architekturzeichnungen und ambitionierten Baupläne<br />
des jungen Ernst Ludwig Kirchner in Deutschland im musealen Rahmen präsentiert.<br />
Zum ersten Mal werden darüber hinaus alle erhaltenen Arbeiten dokumentiert:<br />
Rund ein Zehntel des architektonischen Œuvres war bislang unveröffentlicht. Ausstellung<br />
wie Publikation können aus einem reichen Konvolut an Arbeiten aus den Jahren<br />
1901 bis 1905 im Nachlass Kirchner schöpfen. Ernst Ludwig Kirchner ist der einzige der<br />
vier Architekturstudenten und späteren »Brücke«-Künstler Bleyl, Heckel, Kirchner und<br />
Schmidt-Rottluff mit einem veritablen Korpus an Architekturzeichnungen zwischen<br />
Historismus, Jugendstil und früher Moderne.<br />
Die Entwürfe aus Kirchners Studienzeit in Dresden und München reichen von aufwendigen<br />
Innenraumgestaltungen mitsamt Möbeln, Lampen und Wandornamenten über<br />
Wohnhausprojekte, Malerateliers, Hotel- und Museumsplanungen bis hin zu seiner Diplomarbeit<br />
mit dem Entwurf einer kompletten Friedhofsanlage. Es handelt sich bei alledem<br />
um mehr als nur eine Fußnote oder einen Nebensatz seiner Biografie. Immerhin<br />
hat Kirchner sein Studium nicht nur erfolgreich mit Diplom abgeschlossen, sondern laut<br />
seinem Professor Fritz Schumacher sogar noch, wenn auch am Ende erfolglos, einen<br />
Doktortitel in Architektur angestrebt.<br />
Fritz Schumacher, Jahrgang 1869, wird 1901 – im Jahr der ersten, epochemachenden<br />
Künstlerkolonieausstellung auf der <strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt – mit 32 Jahren an die<br />
Technische Hochschule Dresden berufen. Er gehört zur Generation des Aufbruchs der<br />
Künste um 1900, genau wie Peter Behrens und Joseph Maria Olbrich, mit denen zusammen<br />
er 1907 Mitbegründer des Deutschen Werkbundes wird. Fritz Bleyl beschreibt in<br />
seinen Erinnerungen eine Studienfahrt, »geleitet von Professor Schumacher, … nach<br />
Aschaffenburg, Darmstadt … und Frankfurt.« Auch wenn nur Bleyl und Heckel damit<br />
1905 nachweislich in Darmstadt und mit Sicherheit auch in der Künstlerkolonie <strong>Mathildenhöhe</strong><br />
gewesen sind – die Zeichnungen des durch Bücher und Zeitschriften wie The<br />
Studio oder Der Kunstwart wohlinformierten Kirchners zeigen Einflüsse von Olbrich wie<br />
Behrens gleichermaßen. Die Skizze für ein Berghäusel um 1904 mit großen weißen<br />
Wandflächen und Schachbrettfenstern sowie der lebensreformerisch schlichte Innenraum<br />
mit Liege von 1902–1905 mit markanter Teppichmusterung zeugen exemplarisch<br />
von der zeichnerischen Virtuosität und Modernität der Kirchner-Entwürfe.<br />
Die Ausstellung auf der <strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt stellt das stark von Jugendstil und<br />
früher Moderne geprägte architektonische Werk Kirchners zum einen in den Kontext<br />
seiner Lehrer, darunter Paul Wallot (Architekt des Berliner Reichstags 1884–1894) und<br />
Fritz Schumacher (ab 1909 einflussreicher Stadtbaumeister von Hamburg). Sie evoziert<br />
seine Kommilitonen und späteren »Brücke«-Kollegen Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl<br />
Skizze für ein Berghäusel, um 1904,<br />
Tuschfeder, Bleistift und Aquarell auf Velin,<br />
24,2 × 31 cm<br />
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