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ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe

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Ein mehrtägiger Ausflug führte uns beide nach der »Sächsischen Schweiz«, wo wir, wohl<br />

im Zusammenhang mit unserem Architekturstudium an der Technischen Hochschule,<br />

viel in Kohle und Kreide zeichneten. In dieser Zeit hatte sich Kirchner eine sehr schwere<br />

Erkältung zugezogen, die ihn lange so mit einem quälenden Dauerhusten belästigte, daß<br />

er sich sogar vom Arzt den Kehlkopf pinseln lassen mußte. Sonst kannte Kirchner bei<br />

seinen Arbeiten, Neigungen und Studien keine körperliche Schonung, ein Umstand, der<br />

wohl den Grund mit dazu legte, daß er in kommenden Jahren gezwungen war, nach Davos<br />

zu gehen. Neben unserer außerordentlichen Betätigung als freischaffende Maler<br />

und Zeichner ging ständig unser Hochschulstudium einher.<br />

Es ist immer erstaunlich, wie wir doch den Anforderungen der Hochschule voll und ganz<br />

Genüge taten und unsere damals noch schwer durch allgemeine Fächer, wie Chemie,<br />

Physik u. ä. belasteten Prüfungen sogar mit dem Urteil »gut bestanden« erledigten.<br />

1903 war Kirchner auf ein Semester an die Technische Hochschule in München gegangen,<br />

wohin ich ihm leider nicht folgen konnte. Am letzten Abend vor der nächtlichen<br />

Abreise Kirchners hatte er noch eine bescheidene Abschiedsfeier in der Stadt gegeben,<br />

bei der auch Dodo mithielt, Kirchners Mädchen, zu dem er sich damals gefunden hatte.<br />

Es war, erstaunlicher Weise im Gegensatz zu der stürmischen Wesensart Kirchners, ein<br />

sanftes, zartes, weiches Geschöpf, das ihn aber doch, da sie hübsch und wohlgestalt war,<br />

stark zu fesseln schien und einige Zeit um ihn war, bis sie sich wieder voneinander<br />

trennten. Einige Holzschnitte Kirchners ließen die Gestalt Dodos unschwer erkennen. Im<br />

Zusammenhang mit dieser Neigung zu Dodo mag es gestanden haben, daß er seine<br />

Wohnung auf der Ostbahnstraße aufgab und mehr nach der Ausstellung hin verlegte.<br />

Von München aus trafen ein paar schmissige Federzeichnungspostkarten bei mir ein,<br />

auch entstanden dort einige Holzschnitte »Fatzken« und natürlich eine Unmenge Skizzen.<br />

Sonst schien München keinen allzu nachhaltigen Einfluß auf Kirchner ausgeübt zu<br />

haben. Nach einem Semester kehrte er als der Alte nach Dresden zurück, heiß erwartet<br />

von mir.<br />

An der Technischen Hochschule war es unter den Professoren vor allem die Persönlichkeit<br />

Fritz Schumachers, die uns stark fesselte und förderte. Schumacher war 1901, als wir<br />

die th bezogen, eben als Professor an die Hochbauabteilung berufen worden, wir gehörten<br />

also zu seinen ersten Schülern, und es war uns gerade recht, daß er, der als Künstler<br />

unter den ersten war, die sich von der totgelaufenen Stilarchitektur ab und – nach Überwindung<br />

des Jugendstils – freierem Schaffen zuwandten, uns junge Studenten ebenfalls<br />

zu solchem Schaffen anzuregen suchte und verstand. Freilich führte das zu noch ungeklärten<br />

Formen und Gestaltungen, immerhin begann ein frischerer Geist an der th umzugehen,<br />

von dem wir uns mit vollen Zügen erfassen ließen.<br />

Äußerst fördernd für uns waren auch die sogenannten Skizzierübungen bei Professor<br />

Wallot. Er lehrte zwar an der Kunstakademie auf der Brühlschen Terrasse, kam aber zu<br />

uns herüber und stellte uns vierzehntägige Hausaufgaben, die dann, mit löwenmäßigen<br />

kritischen Pausen des Meisters versehen, vor versammeltem Kolleg besprochen wurden.<br />

Wallot hatte ein paar bestimmte Beurteilungsausdrücke, aus denen man das Nötige<br />

über die Bewertung und Güte der eingereichten Arbeit zu entnehmen vermochte, etwa<br />

»fleißige« oder »tüchtige« oder aber »sehr gute« und »ausgezeichnete« Arbeit. Wir<br />

beide, Kirchner und ich, waren bald unter der letzteren Gruppe, nicht zum wenigsten<br />

auch unserer malerischen Schaubilder wegen, auf Grund deren uns einstmals auch ein<br />

Bekannter voraussagte: »Sie werden einmal als Maler enden.«<br />

Auch Professor Weichardt gab uns ziemlich viel Freiheit und unseren persönlichen Talenten<br />

Ausdrucksmöglichkeiten. Bei ihm handelte es sich mehr oder weniger nur um<br />

E R I N N E R U N G E N<br />

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