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ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe

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1 Rudolf Heyn, Treppenhalle des Hauptgebäudes<br />

der Technischen Hochschule<br />

Dresden, 1872–1875<br />

108 K E R S T I N Z A S C H K E<br />

Sommersemester 1901 weitere 22 Studenten12 immatrikuliert, darunter Fritz Bleyl:<br />

»Dann begann das Studium an der Technischen Hochschule. Den ernsteren lehrhaften<br />

Fächern wie höhere Mathematik, Physik, darstellende Geometrie, Chemie und anderes,<br />

allerdings rein wissenschaftlich und lebensfremd betrieben, konnte ich keine Reize abgewinnen,<br />

sie schreckten mich im Gegenteil ab und bedrückten mich; da sagten mir die<br />

technischen, baulichen Gebiete schon eher zu, Formenlehre der Antike und des Mittelalters<br />

boten schon Künstlerisches, am meisten und liebsten aber hielt ich mich im Freihandzeichensaal<br />

auf, wo ich mich bald an die Spitze vorzuarbeiten wußte, und wo mich<br />

die beste Semestralnote mit stolzer Freude und Genugtuung erfüllte.« 13 Man kann annehmen,<br />

dass es Kirchner ähnlich wie Bleyl erging, da er ebenso wie dieser »durch familienbegründete<br />

Zwangsverhältnisse« 14 anstelle eines Malereistudiums das Studium der<br />

Architektur gewählt hatte.<br />

Das Studium an der th Dresden war wie an den meisten Technischen Hochschulen der<br />

Zeit rein wissenschaftlich und wenig an der Praxis orientiert, was auch den Dresdner<br />

Professoren bewusst war. So gab es auch hier Bemühungen, das Architekturstudium zu<br />

reformieren. Fritz Schumacher, 15 1901 als junger, reformbegeisterter Architekt an die<br />

th Dresden berufen, beschrieb dies noch für 1908, kurz bevor er als Baudirektor nach<br />

Hamburg wechselte: »Examensforderungen wurden ermäßigt, Methoden verbessert,<br />

aber die grundsätzliche Umgestaltung der mathematischen und naturwissenschaftlichen<br />

Hilfsfächer im Sinne einer Entthronung der Theorie und einem Anpassen an das<br />

praktische Leben konnten wir nicht erreichen.« 16 Am 2. August 1901 trat die neue Prüfungsordnung<br />

für Diplomingenieure in Kraft. 17 Die Änderungen betrafen vor allem die<br />

Anzahl der abzulegenden Prüfungen. Kirchner wusste dies sofort auszunutzen, indem er<br />

im darauffolgenden Semester seine Einschreibung in Anwendungen der Differentialund<br />

Integralrechnung sowie Analytische Geometrie wieder streichen ließ.<br />

DA S ST U D I U M B I S Z U R D I P L O M -VO R P RÜ F U N G<br />

Die von Bleyl bezeichneten »rein wissenschaftlich und lebensfremd betriebenen Fächer«<br />

wurden im ersten Semester jeweils vor der Mittagspause gelesen, während der Nachmittag<br />

hauptsächlich den fachbezogenen Übungen vorbehalten war. Fachbezogener,<br />

wenn auch in den Augen der Architekturstudenten offensichtlich ebenso lebensfremd<br />

betrieben, waren da schon die Übungen im Geodätischen Zeichnen bei Arwed Fuhr-<br />

mann 18 oder Darstellende Geometrie bei Karl Rohn. 19<br />

Fuhrmanns Kurs begann mit Erläuterungen zum Aufmessen von Gelände, Wegen und<br />

Gebäuden und zur fachlich-angemessenen grafischen Darstellung in Plänen bis hin zum<br />

Entwerfen von Gärten und Stadtplätzen. 20 Sein Buch Anleitungen betreffend das Geodätische<br />

Zeichnen der Architekten21 vermittelt einen sehr guten Eindruck, wie er sein Fach<br />

lehrte: »Das ›Geodätische Zeichnen‹ der Architekten hat in erster Linie die Genauigkeit<br />

und die bestehenden Gebräuche zu berücksichtigen, es muss aber bei allen Darstellungen<br />

auch ästhetische Rücksichten nehmen, mithin das Hässliche … sorgfältig vermeiden.<br />

… Die zu benützenden Bleistifte müssen hart sein. Man spitzt sie an beiden Enden<br />

und zwar an dem einen ›flach‹, an dem anderen ›rund‹. … Die ›flache‹, besser gesagt: die<br />

keilförmige Spitze wird stets zum Zeichnen der geraden, die kegelförmige immer zu dem<br />

der krummen Linien benutzt. … Besonders hervor zu heben ist, dass die zu benutzenden<br />

Farben nicht grell sein dürfen und dass sie gut zusammenpassen müssen …«. 22 (ABB. 2)<br />

Freies künstlerisches Gestalten, wie es Kirchner suchte, hatte hier keinen Raum.<br />

Die Woche startete montagmorgens mit einem Vortrag Rohns zu darstellender Geometrie,<br />

der sich mit den Studenten wegen ihrer mangelnden Vorkenntnisse ziemlich

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