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ERNST LUDWIG KIRCHNER ALS ARCHITEKT - Mathildenhöhe

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3 Peter Behrens, Speisezimmer im Haus<br />

Behrens, <strong>Mathildenhöhe</strong> Darmstadt, 1901,<br />

historische Fotografie, 1901<br />

32 D I E T E R B A R T E T Z K O<br />

alpenländischen »Davos-Besessenheit« – Peter Behrens’ Darmstädter Vorliebe für möglichst<br />

schmucklose Kuben zum Greifen nah. Das gilt nahezu durchgängig für die Interieurs,<br />

die Kirchner in Dresden entwarf (siehe Abb. S. 36–45), und von denen Schumacher<br />

in seinen Erinnerungen betonte, in ihnen habe sich das freischöpferische Temperament<br />

des späteren Malers durchgesetzt. 8 Auf den ersten Blick mit Entwürfen Henry van de<br />

Veldes oder Olbrichs zu verwechseln, zeigen sie, eingehender betrachtet, Affinität zur<br />

Kühle und Tektonik, mit der Peter Behrens seine noblen gradlinigen Innenräume und Einrichtungen<br />

entwarf (ABB. 3). Gleichfalls wie bei Behrens sind auch die Terrains für pulsierende<br />

und revoltierende Formen oder Ornamente rigide eingegrenzt: Meist sind es Teppiche<br />

oder sparsam vereinzelte Wandbehänge und Panele, auf denen sich die damals<br />

virulente Sucht nach Vitalität in wilden Zickzackmustern oder schlingernden Kurven<br />

entlädt (siehe Abb. S. 11, 41).<br />

Ist damit Ernst Ludwig Kirchner ein selbstverhinderter zweiter Peter Behrens? Dem<br />

widersprechen zahlreiche andere Entwürfe der Dresdner Zeit und auch der Münchner<br />

Episode, seinem Wintersemester 1903/04, das er an der dortigen Königlichen Technischen<br />

Hochschule absolvierte, und in dem er Kurse bei Paul Pfann, einem Schüler Paul<br />

Wallots, besuchte. Wegweisend für Kirchner, aber leider durch keine Zeichnungen dokumentiert,<br />

dürfte sein gleichzeitiger Aufenthalt in den Schwabinger »Lehrateliers für freie<br />

und angewandte Kunst« gewesen sein. 1902 von Hermann Obrist und Wilhelm von Debschitz<br />

eröffnet, hatte sich diese Privatschule der Aufhebung aller herkömmlichen Grenzen<br />

zwischen Architektur, Kunsthandwerk, Malerei und Bildhauerei verschrieben. Die Impulse<br />

beider Institutionen, von denen die th München der gerade etablierten Prämoderne<br />

zuneigte, während die Lehrateliers absolute Autonomie der Kunst vertraten, lenkten<br />

Kirchners Ambitionen in eine neue Richtung. Während Behrens – insbesondere als<br />

»Generalgestalter« der aeg – alle Künste, auch die Baukunst, zu angewandter, sprich: dienender<br />

Kunst vereinen wollte, erstrebten Kirchners Münchner Lehrer deren Autonomie.

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