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S-Bahn-Krimi Berlin - S-Bahn-Tisch

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AG und die jeweiligen Bundesregierungen<br />

unter dem Kanzler Gerhard Schröder<br />

beziehungsweise unter der Kanzlerin<br />

Angela Merkel mit aller Macht den<br />

<strong>Bahn</strong>börsengang vorantrieben. Das erfolgte<br />

in den Jahren 2003 bis 2008. Bereits<br />

2005 war der Zusammenhang zwischen<br />

dem Börsengang und der S-<strong>Bahn</strong>-<br />

Krise erkennbar – siehe den Kasten auf<br />

Seite 8 zur Kampagne des damaligen S-<br />

<strong>Bahn</strong>-Betriebsrates. Allerdings war der<br />

S-<strong>Bahn</strong>-Betriebsrat damals ein einsamer<br />

Rufer in der Wüste – ebenso wie das zu<br />

diesem Zeitpunkt neu gegründete Bündnis<br />

<strong>Bahn</strong> für Alle. Noch im Mai 2008<br />

fasste der Deutsche Bundestag einen bis<br />

heute relevanten Beschluss, wonach so<br />

bald als möglich die neu gebildete Subholding<br />

des DB Konzerns, die DB ML AG,<br />

bis zu 24,9 Prozent an private Investoren<br />

verkauft werden sollte. Da bei DB ML der<br />

Schienenfernverkehr (DB Fernverkehr),<br />

der Schienennahverkehr einschließlich<br />

der S-<strong>Bahn</strong>en (DB Regio), der Schienengüterverkehr<br />

(DB Schenker Railion) und<br />

die internationalen Aktivitäten des<br />

<strong>Bahn</strong>konzerns (Schenker und Arriva) gebündelt<br />

sind, orientiert dieser bis heute<br />

gültige Beschluss des Bundestags auf die<br />

Teilprivatisierung des gesamten Schienenverkehrs.<br />

Es war Peter Ramsauer, der<br />

damalige Vorsitzender der CSU-Landesgruppe<br />

im Deutschen Bundestag, der<br />

sich in besonderer Weise für diesen Bundestagsbeschluss<br />

und für einen <strong>Bahn</strong>börsengang<br />

engagierte.<br />

Derselbe Peter Ramsauer formulierte<br />

dann auf dem Höhepunkt der S-<strong>Bahn</strong>-<br />

Krise in <strong>Berlin</strong>, als eine Kritik am <strong>Bahn</strong>börsengang<br />

opportun geworden war,<br />

zutreffend wie folgt: „Um die hohen<br />

Renditeforderungen des Mutterkonzerns<br />

DB zu erfüllen, haben die dienstbeflissenen<br />

S-<strong>Bahn</strong>-Manager ihren Laden ausgepresst<br />

wie eine Zitrone – auf Kosten<br />

der Sicherheit und des Services.“ 6<br />

Wobei es natürlich nicht primär die<br />

„S-<strong>Bahn</strong>-Manager“, sondern die Top-<br />

Manager der Konzernspitze waren, die<br />

diese Politik betrieben hatten – unterstützt<br />

durch die jeweiligen Bundesregierungen<br />

und Herrn Ramsauer selbst.<br />

<strong>Berlin</strong> ist eine Stadt, in der auch heute<br />

noch die Hälfte der Haushalte über<br />

kein Auto verfügt. Damit dürften rund<br />

40 Prozent der Menschen im führerscheinbefähigten<br />

Alter, also der Erwach-<br />

Lunapark21·extra 6/2012<br />

senen, kein Auto haben. Rechnet man<br />

auch die Menschen im Alter von sechs<br />

bis 17 Jahren mit ein, dann dürfte in<br />

<strong>Berlin</strong> tatsächlich rund die Hälfte der<br />

Menschen, für die Mobilität ein hohes<br />

Gut ist, nicht über einen Pkw zur Bewältigung<br />

ihrer Alltagsmobilität verfügen.<br />

Diese Menschen sind auf ihre Füße, auf<br />

Fahrradpedale und auf die öffentlichen<br />

Verkehrsmittel angewiesen. Es gibt in<br />

Deutschland keine andere Stadt, in der<br />

es derart günstige Bedingungen für eine<br />

zukunftsfähige Verkehrspolitik geben<br />

würde.<br />

Die bisherigen Regierungen auf Bundesebene<br />

und in der Stadt <strong>Berlin</strong> selbst,<br />

erwiesen sich als unfähig, eine solche<br />

zukunftsfähige und notwendige Verkehrs-<br />

und <strong>Bahn</strong>politik umzusetzen.<br />

Offensichtlich wird eine solche dringend<br />

erforderliche Politik der Verkehrswende<br />

S-<strong>Bahn</strong> Desaster<br />

nur dann Erfolg haben, wenn sie von<br />

unten kommt: von den Menschen vor<br />

Ort, von den Beschäftigten im öffentlichen<br />

Verkehr, bei der <strong>Bahn</strong>, unterstützt<br />

von Umweltorganisationen und Verkehrsinitiativen.<br />

Der S-<strong>Bahn</strong>-<strong>Tisch</strong> in <strong>Berlin</strong> und die<br />

Initiative für ein Volksbegehren zum<br />

Erhalt einer fahrgastfreundlichen S-<br />

<strong>Bahn</strong> sind der Versuch, eine Bewegung<br />

von unten und aus der Bevölkerung zur<br />

Rettung der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> zustande zu<br />

bekommen.<br />

Winfried Wolf ist Chefredakteur von<br />

Lunapark21 – Zeitschrift zur Kritik der globalen<br />

Ökonomie und Verfasser mehrerer verkehrswissenschaftlicher<br />

Bücher (u.a. von<br />

„Verkehr. Umwelt. Klima – Die Globalisierung<br />

des Tempowahns“; Köln 2007 und 2009, und<br />

„<strong>Berlin</strong> – Weltstadt ohne Auto. Eine<br />

Verkehrsgeschichte 1848 – 2015“, Köln 1994).<br />

Anmerkungen:<br />

1 Es ist nicht ganz einfach, eine genaue Geburtsstunde der S-<strong>Bahn</strong> zu benennen. 2013 wird<br />

man das hundertjährige Jubiläum des Beschlusses des Preußischen Landtags über das<br />

„Gesetz über die Umstellung der <strong>Berlin</strong>er Stadt-, Ring- und Vorortbahnen auf elektrischen<br />

Betrieb“ aus dem Jahr 1913, eine Art Gründungsgesetz für die S-<strong>Bahn</strong>, begehen können.<br />

1924 wurde der elektrische Regelbetrieb auf dem ersten Streckenabschnitt, auf der<br />

Verbindung Stettiner Vorortbahnhof – Bernau aufgenommen. 1927/28 gab es die „Große<br />

Elektrisierung“ der Stadt-, Ring- und Vorortstrecken; am 11. Juni 1928 fuhren erstmals<br />

elektrische Züge über die Stadtbahn auf der Verbindung Potsdam – Erkner. Das S-<strong>Bahn</strong>-<br />

Symbol – ein weißes „S“ auf grünen Grund – und der Begriff „S-<strong>Bahn</strong>“ wurden am 1.<br />

Dezember 1930 in <strong>Berlin</strong> offiziell eingeführt und später in anderen Städten für vergleichbare<br />

<strong>Bahn</strong>en übernommen. Für was genau das „S“ steht, ist unklar; mal für „Schnell“, dann<br />

für „Stadt“, auch mal für „Stadtschnellbahn“.<br />

2 Torsten Hampel, Die Entgleisung, in: Die Zeit vom 15. April 2010.<br />

3 Die DDR gab 1984 den Betrieb der S-<strong>Bahn</strong> auf Westberliner Gebiet auf, da dieser u.a. aufgrund<br />

von Boykottaufforderungen im Kalten Krieg zunehmend zu einem Verlustgeschäft<br />

geworden war. Am 9. Januar 1984 übernahm die Westberliner BVG den Betrieb des bereits<br />

stark reduzierten S-<strong>Bahn</strong>netzes im Westteil der Stadt. Nach dem Mauerfall engagierten sich<br />

Bürgerinitiativen und Bürgerbegehren erfolgreich für eine Ausweitung des S-<strong>Bahn</strong>-Verkehrs<br />

und für einen Wiederaufbau des ursprünglichen S-<strong>Bahn</strong>-Netzes. Am 1. Januar 1995 wurde<br />

die S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH als 100-prozentige Tochter der im Jahr zuvor neu gegründeten<br />

Deutschen <strong>Bahn</strong> AG gebildet.<br />

4 Der GG-Artikel lautet: „Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere<br />

den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der<br />

Eisenbahnen des Bundes sowie deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit<br />

diese nicht den Personennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird.“ Der Nahverkehr<br />

war aus diesem GG-Gebot nur deshalb herausgenommen worden, weil dieser mit der<br />

<strong>Bahn</strong>reform von 1993/94 zur Ländersache erklärt wurde und im Zusammenhang mit dem<br />

Regionalisierungsgesetz und den ÖPNV-Gesetzen der Länder noch deutlicher den<br />

Zielsetzungen des „Wohls der Allgemeinheit“ und „den Verkehrsbedürfnissen“ verpflichtet<br />

wurde.<br />

5 Diese Ansicht wurde 1992 formuliert, als die „Initiative für eine bessere <strong>Bahn</strong> – fbb“<br />

gegründet wurde, u.a. mit Heiner Monheim, Tine Seebohm und Winfried Wolf. Aus dieser<br />

Initiative, die die <strong>Bahn</strong>reform und die <strong>Bahn</strong>privatisierung kritisierte, entstand bald darauf<br />

das „Manifest der 1435 Worte“ und schließlich 2001 die <strong>Bahn</strong>fachleutegruppe „Bürgerbahn<br />

statt Börsenbahn – BsB“, die wiederum 2005 zusammen mit Attac, Robin Wood und „<strong>Bahn</strong><br />

von unten“ (in Transnet, heute EVG) den Kern des Bündnisses „<strong>Bahn</strong> für Alle – BfA“ bildeten.<br />

Siehe die Vorworte.<br />

6 In: <strong>Berlin</strong>er Zeitung vom 4.November 2011.<br />

9

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