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Wessen <strong>Bahn</strong>? Unsere <strong>Bahn</strong>!<br />
Perspektiven und Alternativen<br />
für die <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong><br />
Katrin Dornheim und Lucy Redler<br />
„Die vier Feinde der S-<strong>Bahn</strong>: Frühling, Sommer, Herbst und Winter“. Kurz und prägnant wird auf Postkarten,<br />
die man in <strong>Berlin</strong>er Kaufhäusern erwerben kann, zum Ausdruck gebracht, dass nicht – wie zu<br />
Beginn des Chaos von DB-Managern behauptet – der Winter am Chaos der <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong> schuld ist.<br />
Ursache der Pleite- und Pannenserie bei der S-<strong>Bahn</strong> sind nicht Eis und Schnee, sondern das bewusste<br />
Kaputtsparen der S-<strong>Bahn</strong>, um die Profite der DB AG zu erhöhen. Personalabbau, die Schließung von<br />
Werkstätten und eine Verlängerung der Wartungsintervalle um 30 Prozent haben in die Krise geführt.<br />
Die durch den Sparkurs erzielten Gewinne<br />
wurden nicht in die S-<strong>Bahn</strong> re-investiert,<br />
sondern flossen an die DB AG.<br />
Wenn Politiker in dieser Situation den<br />
Kurs der Gewinnauspressung mit einer<br />
Teilprivatisierung der S-<strong>Bahn</strong> beantworten<br />
wollen, kann man entweder an<br />
ihrem Geisteszustand zweifeln oder<br />
muss erkennen, dass sie andere Interessen<br />
als die Beschäftigten und Fahrgäste<br />
der S-<strong>Bahn</strong> vertreten.<br />
Wie kann eine S-<strong>Bahn</strong> im Interesse<br />
der Beschäftigten und der Fahrgäste<br />
aussehen, die in der Metropole <strong>Berlin</strong><br />
zugleich eine ökologisch-gesellschaftliche<br />
Funktion einnimmt?<br />
Welche Sofortmaßnahmen müssen<br />
ergriffen werden, um die unmittelbare<br />
Situation zu verbessern? Und wie sieht<br />
unsere <strong>Bahn</strong> der Zukunft aus?<br />
A Sofortmaßnahmen<br />
und mittelfristige<br />
Maßnahmen<br />
180-Grad-Wende in der<br />
Personalpolitik – aufbauen<br />
statt kaputt schrumpfen<br />
Derzeit hört man schon fast regelmäßig<br />
in den Nachrichten, dass wegen kurzfristiger<br />
Krankmeldungen „pünktlich zum<br />
Wochenende“ die Taktfrequenzen vergrößert<br />
werden müssen, oder einige Linien<br />
der S-<strong>Bahn</strong> gar nicht befahren werden.<br />
Auch dies ist eine direkte Folge des<br />
Privatisierungskurses der Deutschen<br />
<strong>Bahn</strong> AG: der Druck auf die Personalkosten.<br />
Die Personalstärke wurde über eineinhalb<br />
Jahrzehnte hinweg drastisch reduziert.<br />
Bei Gründung der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong><br />
Lunapark21·extra 6/2012<br />
GmbH im Jahr 1994 zählte diese noch<br />
mehr als 5000 Beschäftigte; 4000 waren<br />
direkt bei der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH beschäftigt<br />
und 1150 Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter arbeiteten bei der S-<strong>Bahn</strong> im<br />
BVG-Bereich und wurden im Rahmen<br />
einer Dienstüberlassung für die neue<br />
Gesellschaft tätig. 2003 waren nur noch<br />
3920 Mitarbeiter bei der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong><br />
beschäftigt, 2006 war der Personalbestand<br />
bereits auf 3766 Beschäftigten<br />
reduziert. Bis 2009 wurde er erneut um<br />
fast ein Viertel auf 2885 Mitarbeiter<br />
gesenkt. Dabei muss immer bedacht<br />
werden, dass im gleichen Zeitraum die<br />
Leistungen der S-<strong>Bahn</strong> bei der Personenbeförderung<br />
sich fast verdoppelt haben<br />
und das Streckennetz deutlich verlängert<br />
wurde.<br />
Der Personalabbau und die Arbeitsverdichtung<br />
der verbliebenen Beschäftigten<br />
sind allein der Renditemaximierung, die<br />
der S-<strong>Bahn</strong> vom Mutterkonzern DB AG<br />
ins Stammbuch geschrieben wurde, geschuldet.<br />
Demnach hat die S-<strong>Bahn</strong> im<br />
Jahr 2006 etwa 24 Millionen Euro an die<br />
DB AG abgeführt, 2007 waren es bereits<br />
34 Millionen Euro, die im Jahr 2008 auf<br />
56,3 Millionen Euro gesteigert wurden. 1<br />
Es ist nicht so, dass sich die Triebfahrzeugführer<br />
zusammenrotten und „krankfeiern“<br />
wie es einzelne Kommentatoren<br />
gerne darstellen. Wie Ende 2011, als es<br />
hieß, von 960 Fahrern seien fast 100<br />
krankgeschrieben. Auf den Gedanken,<br />
dass die enorme Zunahme von Stress<br />
und Erkältungsgefahr bei den Fahrern<br />
auch dadurch verursacht wird, dass sie<br />
inzwischen auf fast allen S-<strong>Bahn</strong>höfen<br />
selbst die Zugabfertigung vornehmen<br />
und an jedem <strong>Bahn</strong>hof den Führerstand<br />
Perspektiven & Alternativen<br />
verlassen müssen, kommen diese Kommentatoren<br />
in ihren gut geheizten<br />
Redaktionsstuben nicht. Tatsache ist,<br />
dass es in der Novemberausgabe der<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Zeitschrift „Punkt 3“ hieß: „Lokführer<br />
dringend gesucht“ und dass S-<br />
<strong>Bahn</strong>-Chef Buchner am 18. Januar 2012<br />
bekannt gab: „Uns fehlen 50 Triebfahrzeugführer“.<br />
Im Wagenpark, beim Personal<br />
in den Werkstätten und auf den<br />
Zügen herrscht der gleiche Mangel an<br />
Reserven. Durchschnittlich hohe Arbeitsunfähigkeitszeiten<br />
können auf Kosten<br />
der verbliebenen Triebfahrzeugführer gemeistert,<br />
jedoch sporadisch auftretende<br />
Spitzen nicht mehr ausgeglichen werden.<br />
Mitarbeiter wurden in allen neuralgischen<br />
Bereichen der S-<strong>Bahn</strong> abgebaut,<br />
Ausbildungszahlen abgesenkt, Auszubildende<br />
nur nach strikter Forderung der<br />
Interessenvertretungen und dann immer<br />
nur zeitlich befristet übernommen.<br />
Vor diesem Hintergrund ist, um eine<br />
schnelle Verbesserung der Situation bei<br />
der S-<strong>Bahn</strong> zu erreichen, zu fordern: Der<br />
Personalbestand muss sofort und nachhaltig<br />
aufgestockt werden. Die derzeit<br />
insbesondere in den Werkstätten beschäftigten<br />
Leih- und Zeitarbeitnehmer<br />
sind umgehend fest einzustellen.<br />
Bei der Berechnung des Personalbedarfs<br />
sind alle Aspekte zu berücksichtigen<br />
(Urlaub, Krankheit, Bildungsurlaub,<br />
innerbetriebliche Bildungsmaßnahmen<br />
etc.). Es rächt sich, dass in der Vergangenheit<br />
an Nachwuchs kontinuierlich<br />
gespart wurde. Die Diskussionen um eine<br />
bevorstehende Teilausschreibung, die<br />
durch den <strong>Berlin</strong>er Senat vorangetrieben<br />
wird, ist in diesem Zusammenhang kontraproduktiv.<br />
Die Personalverantwortli-<br />
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