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S <strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong><br />
Welche S-<strong>Bahn</strong>-Fahrzeuge? Oder:<br />
Warum Vielfalt auch Einfalt sein kann<br />
Anmerkungen zur Debatte um die Neubeschaffung von Fahrzeugen für die S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong><br />
Dieter Doege<br />
Bei der vom <strong>Berlin</strong>er Senat 2011 und 2012 in die Wege geleiteten Markterkundung bleiben die S-<strong>Bahn</strong> Fahrzeuge<br />
der 481er Baureihe unberührt. Es geht um die Bestellung von 73 Halbzügen mit jeweils vier Wagen und 28 Viertelzügen<br />
mit jeweils zwei Wagen, also insgesamt um 348 Wagen und nicht, wie vielfach berichtet, um 348 Züge.<br />
Anders formuliert: Die genannten 348 Wagen entsprechen 174 Viertelzügen, das sind Züge jeweils mit vier Wagen.<br />
Derzeit verfügt die S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> über<br />
insgesamt 650 Viertelzüge. Diese teilen<br />
sich auf die drei Baureihen BR 481 (500<br />
Viertelzüge), BR 480 (70 Viertelzüge)<br />
und BR 485 (80 Viertelzüge) auf. Hiervon<br />
waren in den Jahren der offenen S-<br />
<strong>Bahn</strong>krise zwischen Anfang 2009 und<br />
Anfang 2012 nur eine drastisch verminderte,<br />
wechselnde Anzahl von S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Zügen unterwegs: zwischen 430 Viertelzügen<br />
und im ungünstigsten Fall nur<br />
155 Viertelzügen. Zur Kompensation<br />
technischer und betrieblicher Einschränkungen<br />
hält ein Verkehrsunternehmen<br />
Reserven bereit: Bei der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong><br />
sind das 70 Viertelzüge. Unter normalen<br />
Bedingungen stehen damit der S-<strong>Bahn</strong><br />
für den Betrieb planmäßig 580 Viertelzüge<br />
von insgesamt 650 Viertelzügen<br />
zur Verfügung. Dieses entspricht einer<br />
Quote der technischen Flottenverfügbarkeit<br />
von gut 89 Prozent und einer Betriebs-<br />
und Instandhaltungsreserve von<br />
rund 11 Prozent.<br />
Nach den Vorstellungen des Fahrgastverbandes<br />
PRO BAHN <strong>Berlin</strong>/Brandenburg<br />
ist die beabsichtigte Ausschreibung<br />
von 174 Viertelzügen sinnvoll und für<br />
den geplanten Ersatz der insgesamt 150<br />
Viertelzüge aus den Baureihen 480 und<br />
485 - siehe oben - auch angemessen. Es<br />
ist allerdings in diesem Zusammenhang<br />
unerlässlich, den Zeitplan für die Herstellung<br />
dieser geplanten Bestellung von<br />
174 Viertelzügen genauer zu durchleuchten.<br />
Grundbedingungen<br />
extremen finanziellen Verlusten korri-<br />
Erarbeitet werden muss ein überaus reagierbar.listisches, also belastbares Arbeitsszena- Was man in jedem Fall überlegen sollrio<br />
für einen sinnvollen, das heißt wirtte und was durchaus ratsam erscheint,<br />
schaftlichen und nach Möglichkeit stö- das wäre, eine neue Betriebsform für<br />
rungsfreien Produktionsablauf für neue den <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong>-Ring zu finden.<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Fahrzeuge. Dabei ist ein ausrei- Ähnlich der Nürnberger U-<strong>Bahn</strong>, die auf<br />
chender Zeitrahmen im Anfangsstadium einzelnen Linien in einer Mischform von<br />
der Entwicklung dieser Fahrzeuge und herkömmlich manuell sowie vollständig<br />
der Prototypen-Erprobung extrem wich- automatisierten, fahrerlosen Fahrzeugen<br />
tig. Jede notwendig gewordene Ände- betrieben wird, könnte der <strong>Berlin</strong>er S-<br />
rung an einem ausreichend lang getes- <strong>Bahn</strong>-Ringverkehr zukünftig automatiteten<br />
Prototypen erspart um ein Vielfasiert ablaufen. Damit wäre die Dichte<br />
ches zeitintensivere Nacharbeiten an des Zugverkehrs weitgehend kostenneu-<br />
einer Serie von 348 Wagen. Erwähnt tral ausschließlich über die Fahrgast-<br />
werden muss hier auch mit Blick auf die nachfrage zu steuern. Die freiwerdenden<br />
vielfachen Hinweise auf das „Unikat S- Triebfahrzeugführer können nicht nur<br />
<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong>“, dass diese Stückzahl unter zum Abbau des akuten Fahrermangels<br />
eisenbahntechnischen Bedingungen beitragen, sondern auch als kompetente<br />
bereits eine Großserie darstellt. <strong>Bahn</strong>hofsaufsichten endlich den frühe-<br />
Dazu gehört, die betrieblichen Anforren Servicegedanken der <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong><br />
derungen zu hinterfragen. <strong>Berlin</strong>er S- neu beleben.<br />
<strong>Bahn</strong>-Wagen sind Sonderfahrzeuge, die<br />
zu keinem anderen Eisenbahnnetz pas- Lehren aus der Vergangenheit<br />
sen. Diese können bis zum Ende ihrer Vom Fahrzeugtyp liegen die <strong>Berlin</strong>er S-<br />
Lebensdauer ausschließlich auf dem Ber- <strong>Bahn</strong>wagen in der Fertigungsbreite zwiliner<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Netz eingesetzt werden. Es schen Straßen- und Voll-Eisenbahnen.<br />
macht keinen Sinn, dieses ohnehin rela- Im Gegensatz zu den früheren langen<br />
tiv begrenzte S-<strong>Bahn</strong>-Netz durch unter- Erprobungszeiten von zehn und mehr<br />
schiedliche Vorgaben in verschiedene Jahren geht der Trend in der Schienen-<br />
Bereiche zu zerteilen. Das gilt für die fahrzeug-Herstellung immer stärker zu<br />
Fahrzeuge ebenso wie für mögliche Be- kurzfristigen Realisierungen. Das ist oft<br />
treiber. Eine einmal getroffene Entschei- mit verheerenden Folgen verbunden: So<br />
dung beeinflusst den S-<strong>Bahn</strong>verkehr der musste im Straßenbahnbereich vor acht<br />
Bundeshauptstadt <strong>Berlin</strong> auf die Dauer Jahren eine ganze Fahrzeugserie mit 500<br />
von 30 bis 40 Jahren und wäre nur mit schadhaften, fehlkonstruierten <strong>Bahn</strong>en<br />
Lunapark21·extra 6/2012