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Oben pfui, unten pfui<br />
Das Bündnis <strong>Bahn</strong> für Alle setzt sich<br />
seit 2005 aktiv gegen eine Privatisierung<br />
der <strong>Bahn</strong> ein. Eines unserer zentralen<br />
Argumente gegen die Privatisierung<br />
war von Anfang an die Befürchtung,<br />
dass eine privatisierte <strong>Bahn</strong> an der<br />
Substanz sparen und den <strong>Bahn</strong>verkehr<br />
damit unsicherer und unzuverlässiger<br />
machen würde. Unter <strong>Bahn</strong>chef Hartmut<br />
Mehdorn war das Kosteneinsparen<br />
oberstes Gebot, denn er wollte das<br />
Unternehmen um jeden Preis „fit für die<br />
Börse“ machen. Die Folgen dieses Kurses<br />
wurden spätestens am 9. Juli 2008 deutlich,<br />
als es in Köln zum Achsbruch an<br />
einem ICE kam – zum Glück bei niedriger<br />
Geschwindigkeit. Dieser Bruch hätte<br />
fast zu einem zweiten Eschede geführt,<br />
wäre er nur eine halbe Stunde früher<br />
wirksam geworden, als der Zug bei 300<br />
km/h von Frankfurt nach Köln fuhr.<br />
Dabei war die <strong>Bahn</strong>spitze von höchst<br />
kompetenter Seite gewarnt worden, dass<br />
die neu entwickelten Radsatzwellen<br />
nicht dauerfest waren. Dennoch wurden<br />
unter Führung des damaligen <strong>Bahn</strong>chefs<br />
Hartmut Mehdorn die Wartungs- und<br />
Kontrollintervalle „gespreizt“: Statt alle<br />
60000 km wurden die Achsen nur noch<br />
alle 300000 km überprüft – um ein Haar<br />
hätte dies tödliche Folgen gehabt. Die<br />
DB tat unter massiver Gefährdung von<br />
Fahrgästen und Beschäftigten wochenlang<br />
alles dafür, um die wahren Gründe<br />
für den Achsbruch zu verschleiern und<br />
den Börsengang im Herbst nicht zu gefährden.<br />
Der Börsengang scheiterte dann<br />
zum Glück doch – angeblich aufgrund<br />
Lunapark21·extra 6/2012<br />
des Börsencrashs, in Wahrheit jedoch<br />
auch aufgrund des immer deutlicher<br />
werdenden Umfangs der Wartungsmängel.<br />
Aber nicht nur die nicht dauerfesten<br />
Achsen zeigen, wie seit Jahren an der<br />
Substanz gespart wird. Auch die massiven<br />
Verspätungen (laut unabhängigen<br />
Überprüfungen durch die Stiftung Warentest<br />
sind nicht einmal zwei Drittel der<br />
Fernzüge pünktlich) und das inzwischen<br />
regelmäßige „Winterchaos“ mit Ausfällen<br />
zahlreicher Züge und stundenlangen<br />
Verspätungen, das uns 2011/2012 vor<br />
allem deshalb erspart blieb, weil es kaum<br />
einen Winter gab, sind Folgen dieser Politik.<br />
Im Zuge der Sparorgien wurden<br />
aber auch massiv <strong>Bahn</strong>strecken und Service<br />
abgebaut – der falsche Kurs für eine<br />
zukunftsfähige <strong>Bahn</strong>. Diese fatale Orientierung<br />
der DB haben wir im Alternativen<br />
Geschäftsbericht der DB AG (Lunapark21,<br />
Extra 05) ausführlich dargestellt.<br />
Wir werden dies auch im neuen Alternativen<br />
Geschäftsbericht Deutsche <strong>Bahn</strong><br />
AG 2011, der im Sommer 2012 in gedruckter<br />
Form erscheint, dokumentieren.<br />
Die S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> wurde ebenfalls<br />
Mehdorns Spardiktat unterworfen, mit<br />
ähnlichen Folgen: Auch in <strong>Berlin</strong> gab es<br />
einen Achsbruch (am 1.5.2009 in Kaulsdorf),<br />
der zum Glück glimpflich ablief,<br />
jedoch die Aufmerksamkeit auf die mangelhafte<br />
Wartung richtete. Danach wurden<br />
immer weitere Mängel deutlich, die<br />
die S-<strong>Bahn</strong> aufgrund des massiven Personalabbaus<br />
nicht mehr beheben konnte.<br />
Schließlich musste ein Großteil der<br />
Züge stillgelegt werden, und der S-<br />
<strong>Bahn</strong>-Verkehr brach in der Folge fast<br />
komplett zusammen. Seitdem kommt es<br />
immer wieder zu massiven Problemen,<br />
die mit den Sparmaßnahmen zusammenhängen.<br />
Damit ist die S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong><br />
quasi ein Modell im Kleinen dafür, was<br />
beim Mutterkonzern DB AG schief läuft<br />
und wie sich der Privatisierungskurs auswirkt.<br />
Eben: oben wie unten pfui!<br />
Das Bündnis <strong>Bahn</strong> für Alle fordert eine<br />
<strong>Bahn</strong> in öffentlicher Hand, die sich am<br />
Vorworte<br />
Gemeinwohl orientiert und nicht am<br />
Profit – und damit gleichzeitig auch eine<br />
öffentliche S-<strong>Bahn</strong>. Der „Wettbewerb im<br />
Schienenverkehr“, wie er von einigen<br />
propagiert wird, führt nicht zu Einsparungen<br />
und besserer Qualität. Das beweist<br />
nicht zuletzt das Beispiel Großbritannien<br />
mit seinem komplett liberalisierten<br />
Schienenverkehr, der im Vergleich<br />
zum rein öffentlichen System der<br />
Schweiz fast doppelt so teuer ist – bei<br />
deutlich schlechterer Qualität. Wir sollten<br />
aus den Erfahrungen unserer Nachbarn<br />
lernen und uns an der Schweiz und<br />
nicht an Großbritannien orientieren: für<br />
einen zuverlässigen und sicheren <strong>Bahn</strong>verkehr<br />
nicht nur in <strong>Berlin</strong>, sondern im<br />
ganzen Land, der immer mehr Menschen<br />
überzeugt, auf die <strong>Bahn</strong> als ökologischstes<br />
Verkehrsmittel umzusteigen.<br />
Für das Bündnis <strong>Bahn</strong> für Alle<br />
Bernhard Knierim<br />
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