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S-Bahn-Krimi Berlin - S-Bahn-Tisch

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56<br />

S <strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong><br />

die schwarz-gelbe Bundesregierung betreibt?<br />

Am VBB sind die Länder <strong>Berlin</strong> und<br />

Brandenburg beteiligt; der VBB befürwortet<br />

Ausschreibungen des Regionalverkehrs<br />

(siehe Brandenburg). Bei der<br />

zu 100 Prozent landeseigenen BVG wird<br />

mit dem Segen des Senats Lohndumping<br />

und Ausgründung betrieben – die BVG-<br />

Tochter <strong>Berlin</strong> Transport wurde unter<br />

dem rot-roten Vorgängersenat gegründet.<br />

Seitdem verdienen Neueingestellte<br />

erheblich weniger als die Alt-Beschäftigten<br />

der BVG.<br />

Einen Automatismus, dass eine S-<br />

<strong>Bahn</strong> in kommunalem Betrieb im Interesse<br />

der <strong>Berlin</strong>er und <strong>Berlin</strong>erinnen<br />

geführt würde, gibt es nicht.<br />

Entscheidend ist daher nicht, ob die<br />

S-<strong>Bahn</strong> im Eigentum des Bundes oder<br />

der Länder ist, sondern dass sie erstens<br />

in öffentlichem Eigentum, zweitens<br />

nicht privatrechtlich geführt und drittens<br />

einer ganz anderen demokratischen<br />

Kontrolle und Leitung unterstellt wird.<br />

4. Demokratische Kontrolle<br />

und Verwaltung<br />

Staatliches Eigentum ist eine notwendige,<br />

aber keine hinreichende Bedingung<br />

dafür, dass Betriebe im Interesse der<br />

Mehrheit der Bevölkerung stehen. Im<br />

Kapitalismus gebärden sich staatliche<br />

Betriebe oft wie private Konzerne. Das<br />

beste Beispiel in der Finanzkrise sind die<br />

Landesbanken, die sich genauso wie Privatbanken<br />

verspekuliert haben, und der<br />

schwedische staatliche Energiekonzern<br />

Vattenfall, mit dessen Hilfe in <strong>Berlin</strong> die<br />

Privatisierung der Energieversorgung –<br />

einschließlich der deutlichen Verteuerung<br />

der Energiepreise – zustande kam.<br />

Verstaatlichungen werden heute im<br />

Kapitalismus meist vorgenommen, um<br />

Verluste zu sozialisieren und Gewinne zu<br />

privatisieren. Dieses Schauspiel kann<br />

man aktuell auch am Beispiel der Hypo<br />

Real Estate (HRE) beobachten.<br />

Wenn also staatliche Betriebe im Interesse<br />

von Belegschaften und der Allgemeinheit<br />

stehen sollen, müssen sie an-<br />

Anmerkungen:<br />

1 Vgl. Kleine Anfrage an den Deutschen Bundestag, in: Drucksache 16/12945 vom 7.5.2009<br />

2 Vgl. S-<strong>Bahn</strong> will ihre Aufsicht durch Monitore ersetzen, <strong>Berlin</strong>er Morgenpost, 14.9.2011,<br />

unter: http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article1763972/S-<strong>Bahn</strong>-will-ihre-Aufsichtdurch-Monitore-ersetzen.html<br />

3 Zitiert nach: Peter Neumann: In manchen Wochen 60 Arbeitsstunden – Ein Lokführer<br />

erzählt , warum es bei der <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong> Personalmangel und so viele Krankmeldungen<br />

gibt in: <strong>Berlin</strong>er Zeitung, 1.2.2012, S. 16<br />

4 Die S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH gehört zu 100 Prozent der DB Regio, die wiederum eine Tochter<br />

der DB AG ist, welche zu 100 Prozent in Bundeseigentum ist. Die operative Geschäftsführung<br />

der S-<strong>Bahn</strong> lag bis 2010 bei der DB Stadtverkehr. Die DB Regio ist seit 2008 der<br />

Subholding DB Mobility Logistics (DB ML) unterstellt. Die DB ML ist von der Bundesregierung<br />

zur Teilprivatisierung (24,9%) vorgesehen – mit ihr die DB Regio und damit auch<br />

die S-<strong>Bahn</strong>en. Die Infrastruktur ist Teil der DB Netz AG und der DB Station & Service AG<br />

und der DB Energie GmbH und soll nicht privatisiert werden.<br />

5 Mit den Regionalisierungsmitteln des Bundes – die nach einem gesetzlich festgelegten<br />

Schlüssel an die Bundesländer verteilt werden – bezahlen die Länder den durch Ausschreibung<br />

bestellten Nahverkehr. Im Fall der Vergabe an private Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />

(EVU) gehen die „Gewinne“ an den Eigner des jeweiligen Unternehmens. Auch der Personenfernverkehr<br />

und der Schienengüterverkehr werden zur Umverteilungsmaschine: Die<br />

Instandhaltung und Modernisierung von Schienen und <strong>Bahn</strong>höfen und der Neubau von<br />

Strecken erfolgt zu einem großen Teil durch öffentliche Zuschüsse. Dies führt zu höheren<br />

Einnahmen von Personen- und Güterverkehr.<br />

6 Am 8. Februar 2011 entschied der Bundesgerichtshof aufgrund einer Klage des privaten<br />

<strong>Bahn</strong>unternehmens Abellio in einem Fall in NRW, dass eine Direktvergabe von Verkehrsleistungen<br />

des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) an die DB AG unzulässig sei.<br />

7 Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn (1990-93) waren sogenannte Sondervermögen<br />

des Bundes. Das hatte vor allem den Nachteil, dass diese Unternehmen leicht Spielball<br />

der Politik wurden, zur Versorgung von ehemaligen Politikern und Bürokraten herhalten<br />

mussten usw. Die Unternehmensform der Anstalt des öffentlichen Rechts bietet<br />

grundsätzlich die Chance der größeren Selbständigkeit und einer Festlegung auf spezifische<br />

verkehrspolitische, soziale und ökologische Ziele.<br />

ders als bisher kontrolliert und geleitet<br />

werden.<br />

Der S-<strong>Bahn</strong>-<strong>Tisch</strong> fordert ein dauerhaftes<br />

Aufsichtsgremium für die S-<strong>Bahn</strong>,<br />

in dem Vertreter der Eisenbahngewerkschaften,<br />

Vertreter der Fahrgastverbände<br />

und der Beschäftigten eine entscheidende<br />

Rolle spielen.<br />

Um die S-<strong>Bahn</strong> jedoch nicht nur zu<br />

kontrollieren, sondern diese auch an den<br />

Bedürfnissen der Fahrgäste und Beschäftigten<br />

auszurichten, wäre eine<br />

andere Leitung der S-<strong>Bahn</strong> nötig. Wie<br />

könnte eine solche aussehen? Man stelle<br />

sich als Vision vor, die S-<strong>Bahn</strong> würde<br />

paritätisch von Vertretern der Belegschaft,<br />

der Gewerkschaften, Umweltund<br />

Fahrgastverbänden und Vertretern<br />

der Regierung (Land und Bund) geleitet.<br />

Dies könnte möglicherweise dazu führen,<br />

dass die S-<strong>Bahn</strong> einen Beitrag zu<br />

kostengünstiger und perspektivisch kostenloser<br />

Mobilität und einer grünen<br />

Stadt für Alle leisten würde.<br />

Dass das nicht im Interesse der großen<br />

Konzerne wäre, versteht sich von<br />

selbst. Mit Hilfe von Tausenden Lobbyisten<br />

setzen sie täglich und stündlich ihre<br />

Interessen durch. Eine S-<strong>Bahn</strong> in unserem<br />

Interesse ist nicht im Einvernehmen,<br />

sondern nur gegen die Profitinteressen<br />

der Damen und Herren im DB-Tower und<br />

in den Konzernzentralen der Auto- und<br />

Luftfahrtindustrie und ihren Vertretern<br />

in der Bundesregierung durchsetzbar.<br />

Das Volksbegehren des S-<strong>Bahn</strong>-<strong>Tisch</strong>s<br />

ist ein wichtiger Anfang, aktiv zu werden.<br />

Es soll und kann betrieblichen und<br />

gewerkschaftlichen Protest nicht ersetzen.<br />

Die Aktiven des S-<strong>Bahn</strong>-<strong>Tisch</strong>s stehen<br />

für gemeinsamen Widerstand gegen<br />

die Zerschlagung der S-<strong>Bahn</strong>.<br />

In wessen Interesse öffentliche Betriebe<br />

arbeiten und wer sie leitet und<br />

kontrolliert, ist immer Ausdruck des gesellschaftlichen<br />

Kräfteverhältnisses. Eine<br />

andere S-<strong>Bahn</strong> wird es nur geben, wenn<br />

Beschäftigte und Fahrgäste ihre Geschicke<br />

selbst in die Hand nehmen und dafür<br />

streiten.<br />

Katrin Dornheim ist Betriebsrätin im DB<br />

Konzern und stellv. Vorsitzende des<br />

Ortsverbands <strong>Berlin</strong> der Gewerkschaft EVG.<br />

Lucy Redler ist Mitglied des<br />

Koordinierungskreises des S-<strong>Bahn</strong>-<strong>Tisch</strong>s<br />

<strong>Berlin</strong>.<br />

Lunapark21·extra 6/2012

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