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VII. Frühjahr 2012: Neues Stadium der S-<strong>Bahn</strong>-Krise<br />
Drei neue Elemente im S-<strong>Bahn</strong>-Desaster: Fahrermangel – <strong>Bahn</strong>höfe<br />
ohne Personal und Teilausschreibung des S-<strong>Bahn</strong>-Betriebs<br />
In den ersten Monaten des Jahres 2012 wird die Bedeutung der Krise, das negative Image,<br />
das von der Unzuverlässigkeit des S-<strong>Bahn</strong>-Verkehrs ausgeht, zumindest in den Medien<br />
kaum noch zur Kenntnis genommen. Das kann denen, die für die S-<strong>Bahn</strong>-Krise Verantwortung<br />
haben, nur Recht sein: eine eingelullte Öffentlichkeit verschafft ihnen neuen Spielraum.<br />
Gelingt es, dass die vormals heftige Kritik abflaut und die Fahrgäste die S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Dauerkrise als eine Art Naturnotwendigkeit hinnehmen, dann kann dort weitergemacht<br />
werden, wo 2003 begonnen wurde: mit dem Abbau von Personal, Service und Qualität<br />
bei der S-<strong>Bahn</strong> zugunsten der Gewinnmaximierung des <strong>Bahn</strong>konzerns.<br />
Und so war es auch, als am 29. März<br />
2012 Rüdiger Grube im <strong>Berlin</strong>er Hotel<br />
Maritim die Jahresbilanz der Deutschen<br />
<strong>Bahn</strong> für das Jahr 2011 vorstellte. S-<br />
<strong>Bahn</strong>-Krise in <strong>Berlin</strong>? Das war kein Thema<br />
mehr. Im Geschäftsbericht der DB für<br />
das abgelaufene Jahr taucht die S-<strong>Bahn</strong><br />
<strong>Berlin</strong> nur noch wie folgt auf: „Die betriebliche<br />
Lage bei der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> hat<br />
sich stabilisiert. Zum Fahrplanwechsel<br />
2011/2012 ist ein Fahrplanangebot mit<br />
rund 500 Viertelzügen im Fahrgastbetrieb<br />
umgesetzt worden.“ Im übrigen<br />
habe man den Fahrgästen weitere „zusätzliche<br />
Entschädigungsleistungen“ in<br />
Höhe von 50 Millionen Euro gewährt.<br />
Das war´s .<br />
Dass die verfügbaren und im Einsatz<br />
befindlichen S-<strong>Bahn</strong>-Wagen deutlich<br />
unter 500 Viertelzügen liegen (siehe<br />
unsere Fieberkurve auf Seite 13), dass<br />
vertraglich 562 Viertelzüge zugesichert<br />
sind, dass damit auch im ersten Vierteljahr<br />
2012 dauerhaft 12 bis 15 Prozent<br />
zu wenige S-<strong>Bahn</strong>-Wagen unterwegs<br />
waren – all das ist für die DB kein Thema.<br />
Zumal auch die Politik im Bund, in<br />
<strong>Berlin</strong> und im Land Brandenburg das<br />
Thema S-<strong>Bahn</strong>-Krise weitgehend ad acta<br />
gelegt hat. Der außerordentlich milde<br />
Winter, den es 2011/2012 gab, half bei<br />
diesem Krisen-Verdrängungsprozess. Dabei<br />
ist eigentlich allen aufmerksamen<br />
Beobachtern klar: Im Fall eines neuen<br />
harten Winters wird es im S-<strong>Bahn</strong>betrieb<br />
zu neuen deutlichen, möglicherweise<br />
auch wieder zu tiefen Einbrüchen<br />
kommen.<br />
Tatsächlich gelangt das S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Desaster 2012 in ein neues Stadium, das<br />
durch drei Elemente gekennzeichnet ist.<br />
Erstens durch den Mangel an Triebfahr-<br />
Lunapark21·extra 6/2012<br />
zeugführern, zweitens durch den nun<br />
definitiv geplanten flächendeckenden<br />
Abbau von Personal auf fast allen S-<br />
<strong>Bahn</strong>höfen und drittens durch die seitens<br />
des <strong>Berlin</strong>er Senats beschlossene<br />
Ausschreibung von Teilen des S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Betriebs.<br />
Mangel an Fahrpersonal<br />
Als zum Jahreswechsel 2011/2012 immer<br />
mal wieder S-<strong>Bahn</strong>en ausfielen, weil<br />
kein Fahrpersonal für diese Züge vorhanden<br />
war, setzte zunächst eine Polemik<br />
über den angeblich „zu hohen Krankenstand“<br />
bei den Triebfahrzeugführern der<br />
S-<strong>Bahn</strong> ein. Das ließ sich nicht durchhalten.<br />
Der reale Krankenstand war<br />
durchschnittlich bzw. er entsprach den<br />
besonderen Anforderungen an das Fahrpersonal,<br />
die mit der Einführung von<br />
„ZAT“, der Zugabfertigung durch den<br />
Triebfahrzeugführer, deutlich gestiegen<br />
waren. Bald darauf gestand die S-<strong>Bahn</strong><br />
GmbH ein, dass es schlicht und einfach<br />
zu wenig Triebfahrzeugführer gibt.<br />
Irgendwie hat man vergessen, dass<br />
man zum Betreiben der allmählich wieder<br />
vergrößerten Fahrzeugflotte auch<br />
mehr Fahrpersonal benötigt. Jetzt heißt<br />
es, man werde „intensiv“ daran arbeiten,<br />
diesen Missstand zu beheben und inzwischen<br />
„verstärkt neues Fahrpersonal<br />
ausbilden“. Bis Mitte oder Herbst diesen<br />
Jahres 2012 sei dieses „Problem gehoben“.<br />
Die <strong>Berlin</strong>er Medien nahmen das<br />
überwiegend ohne allzu große Proteste<br />
zur Kenntnis. Tatsächlich ist es jedoch<br />
ein Skandal, dass nach drei Jahren<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Krise und nach zwei Jahren<br />
Arbeit, um die selbst verschuldeten<br />
technischen Probleme beim Fuhrpark in<br />
den Griff zu bekommen…. schlicht das<br />
Die S-<strong>Bahn</strong>-Krise Frühjahr 2012<br />
Personal fehlt, um die langsam steigende<br />
Zahl fahrbereiter S-<strong>Bahn</strong>-Züge auch zu<br />
betreiben (siehe den nebenstehenden<br />
Kasten S. 18).<br />
In der Folge kommt es seit April 2012<br />
zu neuen Einschränkungen des S-<strong>Bahn</strong>betriebs.<br />
Nunmehr in erster Linie aufgrund<br />
der zu geringen Zahl von Fahrpersonal.<br />
Zunächst wurde für März und<br />
April 2012 angekündigt, dass „an<br />
Wochenenden und an Feiertagen“ der S-<br />
<strong>Bahn</strong>-Betrieb auf einigen Linien (S25<br />
und S75) stark ausgedünnt würde. Die<br />
Linie S45 stellt an Wochenenden und<br />
Feiertagen den Betrieb komplett ein. Zur<br />
Linie S85 (nach Grünau), die seit Beginn<br />
der S-<strong>Bahn</strong>-Krise aufgegeben wurde,<br />
heißt es, diese werde auch „auf absehbare<br />
Zeit nicht wieder in Betrieb genommen“.<br />
Und warum? Weil in Grünau alle<br />
zu Hause bleiben? Weil dort alle ein<br />
Sabbat-Jahr ohne S-<strong>Bahn</strong> einlegen?<br />
Abbau des Personals<br />
auf den S-<strong>Bahn</strong>höfen<br />
Weitgehend zum gleichen Zeitpunkt<br />
ging die S-<strong>Bahn</strong> GmbH wieder in die<br />
Offensive beim Abbau des Personals auf<br />
den S-<strong>Bahn</strong>höfen. Die weitgehende Umstellung<br />
auf „ZAT = Zugabfertigung<br />
durch Triebfahrzeugführer“ war 2008<br />
ausgebremst worden. Der offizielle<br />
Grund waren technische Probleme. Die<br />
Tiefe der S-<strong>Bahn</strong>krise und die öffentlichen<br />
Proteste gegen die Auszehrungspolitik,<br />
die der <strong>Bahn</strong>konzern gegenüber seiner<br />
Tochter S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH betrieb,<br />
dürften dabei jedoch auch eine Rolle gespielt<br />
haben.<br />
2012 sollen die technischen Probleme<br />
gelöst sein. „ZAT“ soll in Zukunft funktionieren,<br />
ohne dass der Triebfahrzeug-<br />
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