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S <strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong><br />
ren noch einmal einen Vertrag mit der<br />
Hamburger S-<strong>Bahn</strong> in Direktvergabe<br />
gemacht. Der gilt bis 2020, mit einer<br />
weiteren Verlängerungsoption für fünf<br />
Jahre. Dafür hat die S-<strong>Bahn</strong> dort sich<br />
verpflichtet, neue Fahrzeuge zu beschaffen.<br />
Zweitens hatte die Hamburger S-<br />
<strong>Bahn</strong> aber auch einen sehr geschlossenen<br />
Betriebsrat.<br />
AB: Trotz der ohne Zweifel vorhandenen<br />
Schwierigkeiten hat der damalige Betriebsrat<br />
im Rahmen seiner Möglichkeiten<br />
versucht, das Schlimmste zu verhindern.<br />
Im damals verhandelten Sozialplan<br />
findet sich z.B. der Hinweis wieder, dass<br />
die geplanten Maßnahmen die Leistungsfähigkeit<br />
und die Zukunft der <strong>Berlin</strong>er<br />
S-<strong>Bahn</strong> gefährden. Der Einigungsstellenrichter<br />
erklärte aber, dass z.B. der<br />
Abbau der Aufsichten eine unternehmerische<br />
Entscheidung ist. Nachdem sich<br />
der Herr Thon und seine Kumpels bei der<br />
S-<strong>Bahn</strong> ausgetobt hatten und das S-<br />
<strong>Bahn</strong>system kollabiert ist, wurden dann<br />
auch diese Leute entsorgt. Insgesamt<br />
wurden in der Amtszeit des Betriebsratsvorsitzenden<br />
Heiner Wegner 13 oder 14<br />
Geschäftsführer bei der <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong><br />
verschlissen.<br />
Übrigens gab es bereits davor schon<br />
Versuche, bei der S-<strong>Bahn</strong> ähnliches<br />
umzusetzen, aber das konnte der<br />
Betriebsrat damals noch durch Vereinbarungen<br />
verhindern. Danach fing es dann<br />
an. Viele Maßnahmen, die man bei der<br />
DB über viele Jahre verteilt durchgeführt<br />
hat, sind dann bei uns auf einen Schlag<br />
durchgeführt worden. Deshalb ging das<br />
dann auch schief.<br />
BK: Heißt das, dass die gleichen Maßnahmen<br />
nicht zu den Problemen geführt<br />
hätten, wenn sie langsamer umgesetzt<br />
worden wären? Auch bei der<br />
DB gab und gibt es ja trotz der langsameren<br />
Umsetzung erhebliche Schwierigkeiten<br />
wie stark gesteigerte Verspätungen,<br />
Achsbrüche, Winterchaos, Klimaanlagenchaos<br />
etc.<br />
JP: Ich erinnere mich an ein Gespräch<br />
mit Herrn Dürr 3 im Speisewagen. Da<br />
ging es um „PVI – Planmäßig vorhaltende<br />
Instandhaltung“. Da blaffte mich Herr<br />
Dürr an: „Was ist das? Das brauchen wir<br />
bei der <strong>Bahn</strong> nicht mehr! Ausgewechselt<br />
wird erst, wenn etwas kaputt geht.“ Das<br />
war sein Kommentar. So hat man versucht,<br />
das ganze System umzustricken –<br />
das hat Mehdorn nicht anders gemacht.<br />
Nur: Reparier‘ mal einen Wagen, der auf<br />
der Stadtbahn kaputt geht und dort stehen<br />
bleibt. Wenn man Teile rechtzeitig<br />
auswechselt, dann vermeidet man solche<br />
Probleme.<br />
JK: Die Kolleginnen und Kollegen werden<br />
auch irgendwann verrückt, wenn<br />
auf eine Anweisung die nächste folgt.<br />
Bei der S-<strong>Bahn</strong> haben die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter einen ganzen Stapel<br />
von neuen Formblättern mit Regelungen<br />
bekommen; die haben zum Teil abends<br />
noch versucht, den ganzen Papierkram<br />
zu lesen, weil sie sonst tagsüber kein<br />
Drehgestell mehr gewechselt bekommen<br />
hätten. Da sind die Menschen auch<br />
irgendwann einfach überfordert.<br />
AB: Die alte Geschäftsführung unter<br />
Ruppert 4 hatte damals schon erkannt,<br />
wo die Reise hingehen soll, und die<br />
haben sich dagegen im Rahmen ihrer<br />
Möglichkeiten gewehrt; deswegen sind<br />
sie dann auch abgelöst worden. Ruppert<br />
und seine Leute waren zu sehr S-<strong>Bahn</strong>er<br />
– das hat nicht ins Konzept gepasst.<br />
JP: Das ist aber ein Problem bei der ganzen<br />
<strong>Bahn</strong>. Vor zwei Jahren machte die<br />
Transnet 5 eine Umfrage unter dem technischen<br />
Personal, und da gab es eine<br />
Unzufriedenheit von mehr als 98 Prozent.<br />
Das ingenieurtechnische Personal<br />
hat keine fachliche und sachliche Entscheidungskompetenz.<br />
Es entscheiden<br />
die Controller, und das sind ganz überwiegend<br />
Quereinsteiger, die den Laden<br />
überhaupt nicht kennen. Die interessiert<br />
gar nicht, ob die Brücke da jetzt nachgestopft<br />
werden müsste oder nicht. Die<br />
sagen: „Was, kostet 18000 Euro? Abgelehnt!“<br />
Drei Jahre später sind Risse im<br />
Brückenfundament, und es stehen 2,1<br />
Millionen zu Buche. Das interessiert im<br />
Nachhinein keinen mehr – nur der zuständige<br />
Bereichsleiter hat rechtzeitig<br />
Bescheid gesagt, was da passiert.<br />
JK: Woran wahrscheinlich alle Konzerne<br />
vergleichbarer Größe kranken, ist der<br />
Versuch, die Entscheidungen viele Etagen<br />
über der eigentlichen Arbeitsebene<br />
zu treffen. Es herrscht ein mangelndes<br />
Vertrauen zu den Beschäftigten. Führungskräfte<br />
denken auch, sie hätten nur<br />
dann die Kompetenz einer Führungskraft,<br />
wenn sie alles kontrollieren. Eine<br />
Führungskraft sollte aber so viel Spielraum<br />
einräumen, dass sich die Sachen<br />
auf den Ebenen darunter von selber<br />
regeln – dort, wo die tatsächliche Kompetenz<br />
dafür ist.<br />
BK: Was bedeutet es in der jetzigen<br />
Situation, als S-<strong>Bahn</strong>er zu arbeiten?<br />
Wie reagieren die Fahrgäste, wenn es<br />
immer wieder zu den bekannten Problemen<br />
kommt?<br />
AB: Bei allen Freunden – auch bei denen,<br />
die nie S-<strong>Bahn</strong> fahren – wird man<br />
inzwischen immer auf die Probleme angesprochen.<br />
Es gibt Kollegen, die sagen,<br />
sie fahren mit ihren Uniformen nicht<br />
mehr öffentlich. Sie möchten am liebsten,<br />
dass man gar nicht weiß, dass sie<br />
bei der S-<strong>Bahn</strong> arbeiten, weil sie immer<br />
wieder aufgrund der Presse und der Berichte<br />
vom RBB ziemlichen Anfeindungen<br />
ausgesetzt sind.<br />
JK: Ich bin noch nicht so lange in <strong>Berlin</strong>,<br />
aber ich habe noch nie erlebt, dass eine<br />
Bevölkerung so an einem Nahverkehrsmittel<br />
hängt. Die S-<strong>Bahn</strong> liegt den <strong>Berlin</strong>ern<br />
so am Herzen, so sind auch die vielen<br />
Unterschriften für das Volksbegehren<br />
zustande gekommen. In einer anderen<br />
Stadt, wäre die Sache schon ganz anders<br />
ausgegangen.<br />
JP: Als Nawrocki noch S-<strong>Bahn</strong>-Chef war,<br />
da war der Slogan der S-<strong>Bahn</strong>: „Es liebet<br />
der <strong>Berlin</strong>er Bär seine S-<strong>Bahn</strong> ganz doll<br />
sehr.“ Ein blöder Satz, aber das hat die<br />
Sache auf den Punkt gebracht.<br />
BK: Man sprach früher einmal von der<br />
„S-<strong>Bahn</strong>er-Familie“; es gab eine hohe<br />
Identifikation mit dem Arbeitsplatz.<br />
Wie erlebt Ihr das heute?<br />
AB: Ich bin seit 1999 dabei – das ist bei<br />
der S-<strong>Bahn</strong> kurz. Damals war ja noch<br />
alles in Ordnung, es war schon so, dass<br />
Lunapark21·extra 6/2012