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S <strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong><br />
ist, wer die entsprechenden Kosten in<br />
Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro<br />
tragen soll. Es ist gut vorstellbar, dass<br />
dann eine solche Großinvestition dazu<br />
genutzt wird, zusätzlich Druck in Richtung<br />
Zerschlagung des Unternehmens S-<br />
<strong>Bahn</strong> bzw. Teilausschreibung von Strecken<br />
zu nutzen.<br />
Stattdessen sollte zunächst die Weiterverwendung<br />
dieser Baureihe mit dem<br />
nötigen Sachverstand umfassend geprüft<br />
werden, insbesondere durch Begleitung<br />
mit betrieblichem Fachverstand<br />
aus dem Bereich der <strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Werkstätten, mit Kollegen der <strong>Bahn</strong>industrie<br />
und fachlich kompetenten<br />
Gewerkschaftsvertretern.<br />
B Wir zahlen nicht<br />
für euer Chaos!<br />
Und wer soll das alles bezahlen? Wenn<br />
die S-<strong>Bahn</strong> nicht mehr gezwungen ist,<br />
die Gewinne an den Mutterkonzern abzuführen,<br />
können die dringend notwendigen<br />
Investitionen in Infrastruktur, Personal<br />
und Wartung durchgeführt werden.<br />
Auch der <strong>Berlin</strong>er Senat muss seinen<br />
Teil zur Wiederherstellung der S-<br />
<strong>Bahn</strong> beitragen.<br />
Die per Verkehrsvertrag geregelten<br />
Kürzungen der Zuschüsse für die S-<strong>Bahn</strong><br />
sind in das Netz zu reinvestieren. Die<br />
Regionalisierungsmittel sind ausschließlich<br />
für die Bestellungen im Regionalverkehr<br />
und nicht zweckentfremdet zu verwenden.<br />
Das erfordert, dass Strukturen<br />
geschaffen werden, bei denen ein Abfluss<br />
von S-<strong>Bahn</strong>-Einnahmen und Unterstützungen<br />
für die S-<strong>Bahn</strong> nicht an die<br />
DB Regio und den Mutterkonzern fließen<br />
können (siehe unten).<br />
Wenn zusätzliche Gelder benötigt<br />
werden, müssen der Bund und das Land<br />
auch zusätzliche Mittel bereitstellen. Es<br />
ist ein Irrglaube, dass sich der öffentliche<br />
Nah- und Regionalverkehr betriebswirtschaftlich<br />
rechnen müsse. Er ist Teil<br />
der öffentlichen Daseinsvorsorge und<br />
muss vor allem Mobilitätsbedürfnisse<br />
befriedigen.<br />
Doch ganz im Sinne der Renditemaximierung<br />
mussten in den vergangenen<br />
Jahren die Beschäftigten aufgrund des<br />
Sparkurses bluten und auch die Fahrgäste<br />
mussten draufzahlen.<br />
Rücknahme der<br />
Fahrpreiserhöhungen –<br />
Für ein Sozialticket<br />
„Ich bin hier oben noch ganz dicht, der<br />
Spaß ist zu teuer, von mir kriegste<br />
nüscht!“ sang Mensch Meier von Ton<br />
Steine Scherben. „Und da sagte einer, du<br />
hast recht Mensch Meier, was die so mit<br />
uns machen, ist der reine Hohn. Erst<br />
wollnse von uns immer höhere Steuern<br />
und was se dann versieben, kostet unseren<br />
Lohn.“<br />
An dieses Lied erinnerten sich wohl<br />
viele, als mitten auf dem Höhepunkt des<br />
S-<strong>Bahn</strong>-Desasters am 1. Januar 2011 die<br />
Fahrpreise für S- und U-<strong>Bahn</strong>fahrten um<br />
2,8 Prozent erhöht wurden – obwohl nur<br />
40 Prozent der Züge im Einsatz waren.<br />
Für all jene, die in <strong>Berlin</strong> vor allem Einzeltickets<br />
benutzen, erhöhten sich die<br />
Kosten sogar um 9,5 Prozent. Im März<br />
2012 setzte der VBB eins drauf und verkündete<br />
eine neuerliche Fahrpreiserhöhung<br />
von 2,8 Prozent ab Sommer.<br />
Als Sofortmaßnahme müssen die<br />
jüngsten Preiserhöhungen zurück genommen<br />
werden.<br />
Wie in anderen Städten bereits realisiert,<br />
muss auch in <strong>Berlin</strong> ein Sozialticket<br />
eingeführt werden. Dieses muss<br />
sich in seiner Höhe an dem Regelsatz-<br />
Betrag des Arbeitslosengeldes II für eine<br />
Teilnahme am ÖPNV orientieren. Der<br />
<strong>Berlin</strong>er S-<strong>Bahn</strong>-<strong>Tisch</strong> fordert deshalb<br />
die Einführung eines Sozialtickets in<br />
Höhe von 18 Euro. Es kann nicht sein,<br />
dass der Bund einerseits Millionen Menschen<br />
in Armut zwingt und bei den bewilligten<br />
monatlichen Unterstützungszahlen<br />
den Satz von 18 Euro als ausreichend<br />
für die ÖPNV-Kosten der Betroffenen<br />
erklärt, und andererseits öffentliche<br />
Unternehmen ermäßigte ÖPNV-<br />
Tickets anbieten, die beim Doppelten<br />
und Dreifachen dieses Satzes liegen. Gegebenenfalls<br />
muss der Bund bei den entsprechenden<br />
ÖPNV-Unternehmen für<br />
einen finanziellen Ausgleich Sorge tragen.<br />
Jeder und jedem – egal ob jung oder<br />
alt, krank oder gesund – muss es möglich<br />
sein, kostengünstig die öffentlichen<br />
Verkehrsmittel zu nutzen und dadurch<br />
am Arbeits- und sozialen und kulturellem<br />
Leben teilzunehmen.<br />
C Nein zu Privatisierung<br />
und Ausschreibung<br />
Die sogenannte <strong>Bahn</strong>reform und die Einführung<br />
neuer Verordnungen der Europäischen<br />
Union in Bezug auf den öffentlichen<br />
Verkehr erfolgten im Interesse der<br />
privaten Konzerne und Investoren. Sie<br />
sollen die <strong>Bahn</strong> wie andere Bereiche der<br />
öffentlichen Daseinsvorsorge für die<br />
Profitinteressen privater Unternehmen<br />
lukrativer machen.<br />
Die EU-Verordnung 1370/2007 gilt<br />
seit Dezember 2009. Ihr zufolge können<br />
Kreise und Städte Verkehrsleistungen<br />
entweder ausschreiben oder unter bestimmten<br />
Bedingungen direkt an ein<br />
landeseigenes oder kommunales Unternehmen<br />
vergeben. Die genauen Bestimmungen<br />
und Auslegungen sind rechtlich<br />
umstritten.<br />
Politisch wurde die Ausschreibung an<br />
Private mit mehr Wettbewerb, sinkenden<br />
Kosten und mehr Effizienz begründet.<br />
Die realen Erfahrungen sprechen jedoch<br />
eine andere Sprache.<br />
Beispiel Brandenburg: In Brandenburg<br />
wurden seitens des Verkehrsverbunds<br />
<strong>Berlin</strong> Brandenburg (VBB) im Jahr 2009<br />
sechzehn Linien des Regionalverkehrs<br />
ausgeschrieben. Für fünf Linien bekam<br />
die private Ostdeutsche Eisenbahn<br />
GmbH (ODEG) den Zuschlag. Es handelt<br />
sich dabei originellerweise um eine „private“<br />
Gesellschaft, die im wesentlichen<br />
von den beiden öffentlichen Unternehmen<br />
FS, der italienischen Staatsbahn,<br />
und der Hamburger Hochbahn kontrolliert<br />
wird. Brandenburg spart durch die<br />
Vergabe an die ODEG vierzig Millionen<br />
Euro jährlich. Im Klartext: Das Land spart<br />
Kosten und die ODEG macht Gewinne zu<br />
Lasten der Beschäftigten und der Fahrgäste.<br />
Die ODEG bezahlt ihren Beschäftigten<br />
– auf das Jahreseinkommen berechnet<br />
– dreißig Prozent weniger. Die<br />
Arbeitsplätze wurden bei der Übergabe<br />
des Auftrags von der DB Regio an die<br />
ODEG nicht gesichert, Tarif-und Sozialstandards<br />
wurden nicht eingehalten.<br />
Aus dem Mund einer ODEG-Sprecherin<br />
hört sich das so an: „Wir bieten allen<br />
<strong>Bahn</strong>-Mitarbeitern an, sich bei uns zu<br />
bewerben. Aber sie müssen eben zur<br />
ODEG passen.“ Übersetzt: Passende Mitarbeiter<br />
sind solche, die sich mit weniger<br />
Lunapark21·extra 6/2012