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S-Bahn-Krimi Berlin - S-Bahn-Tisch

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S <strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Senkt Wettbewerb die Kosten?<br />

In der aktuellen Debatte um die Zukunft<br />

der S-<strong>Bahn</strong> wird argumentiert, eine Ausschreibung<br />

von Teilen des S-<strong>Bahn</strong>-Netzes<br />

mache Sinn, weil damit „der Wettbewerb“<br />

gestärkt und die Deutsche <strong>Bahn</strong><br />

AG bei all ihrem – unbestritten gut dokumentierten<br />

– Missmanagement endlich<br />

durch eine solche Konkurrenz „Druck<br />

bekommen“ würde. Im Ergebnis gäbe es<br />

insgesamt dann eine S-<strong>Bahn</strong> mit niedrigeren<br />

Kosten und besserer Qualität.<br />

Dabei wird<br />

jedoch oft vergessen,<br />

dass es keinen<br />

wirklichen Wettbewerb<br />

auf den<br />

Schienen geben<br />

kann. Was die<br />

Wettbewerbsbefürwortertatsächlich<br />

meinen, ist ein<br />

Ausschreibungswettbewerb:Unternehmenbewerben<br />

sich um die<br />

Konzession, eine<br />

bestimmte Strecke<br />

für einen Zeitraum<br />

von zehn oder 15<br />

Jahren zu betreiben,<br />

und wer den<br />

Zuschlag<br />

bekommt, betreibt den Verkehr dann für<br />

diesen Zeitraum als Monopolist.<br />

Da öffentlicher Verkehr im allgemeinen<br />

und insbesondere öffentlicher<br />

Schienenverkehr unter den gegebenen<br />

Bedingungen des Verkehrsmarktes nur<br />

durch staatliche Unterstützungszahlungen<br />

kostendeckend zu betreiben ist, geht<br />

es bei dem Ausschreibungswettbewerb<br />

auch darum, wer in den Genuss dieser<br />

Subventionen kommen wird. Es geht im<br />

Endeffekt also um Staatsgelder.<br />

Und weil zu einer Zeit immer nur ein<br />

Zug auf der Strecke fahren kann, wäre es<br />

auch kaum möglich, einen alternativen<br />

Verkehr auf den gleichen Gleisen anzubieten<br />

– schon gar nicht im dicht befahrenen<br />

S-<strong>Bahn</strong>-Netz.<br />

Schienenverkehr ist also ein natürliches<br />

Monopol (ähnlich wie z.B. die Wasserversorgung<br />

oder Energienetze). Es<br />

spricht vieles dafür, dass ein solches Monopol<br />

am besten von der öffentlichen<br />

Hand und aus einer Hand betrieben<br />

wird, um eine zuverlässige Versorgung<br />

sicherzustellen. Ein privater Betreiber<br />

hat hingegen immer den Anreiz, seine<br />

Monopolstellung auszunutzen und damit<br />

seine Gewinne zu maximieren –<br />

einerseits durch die Senkung der Kosten<br />

durch eine Reduktion von Qualität und<br />

Zuverlässigkeit, andererseits durch die<br />

Steigerung der Fahrpreise und der Nebenkosten<br />

und durch höhere Subventio-<br />

nen. Diese Tendenz gibt es jedoch auch<br />

bei staatlich organisierten Verkehrsbetrieben<br />

und insbesondere bei solchen,<br />

die mit ihrer Organisationsform (einer<br />

AG oder GmbH) auf Profitmaximierung<br />

ausgerichtet werden. Kommt dann noch<br />

ein vom Eigentümer öffentliche Hand<br />

mitgetragener Beschluss wie ein Börsengang<br />

hinzu, ist erst recht das Resultat<br />

eine solche Orientierung auf Profitmaximierung,<br />

Expansion usw. Dennoch gibt<br />

es auch hier einen entscheidenden Unterschied<br />

zwischen einem Unternehmen<br />

wie der DB AG und einem rein privaten<br />

Konzern wie z.B. Veolia (ehemals Connex):<br />

die DB AG kann durch einen politischen<br />

Beschluss (der Bundesregierung,<br />

im Bundestag) und durch politischen<br />

Druck zu einem öffentlichen Unternehmen,<br />

das ausschließlich die Interessen<br />

der Fahrgäste und der Beschäftigten im<br />

Zentrum hat, „zurückgebaut“ werden.<br />

Bei Veolia ist das nicht oder nur mit Ent-<br />

eignung vorstellbar.<br />

Die Negativbilanz der Ausschreibung<br />

und der Trennung von Netz und Betrieb<br />

lässt sich auch empirisch dokumentieren:<br />

In Großbritannien basiert seit der<br />

Privatisierung Mitte der 1990er Jahre<br />

das gesamte <strong>Bahn</strong>system auf solchen<br />

Ausschreibungswettbewerben. Die<br />

Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Sauberkeit<br />

der Züge ist überwiegend<br />

schlecht – bei sehr hohen Fahrpreisen<br />

und einer großen<br />

Unübersichtlichkeit<br />

des Systems mit 25<br />

<strong>Bahn</strong>gesellschaften.<br />

Laut einer Studie<br />

aus dem Jahr 2011<br />

(„Rail Value for<br />

Money Report“ alias<br />

„McNulty-<br />

Report“) ist der<br />

<strong>Bahn</strong>verkehr im<br />

Land ca. 40 Prozent<br />

ineffizienter als<br />

derjenige anderer<br />

<strong>Bahn</strong>en in Europa.<br />

Diese „Effizienzlücke“<br />

ist seit der Privatisierungerheblich<br />

größer geworden.<br />

Die privaten<br />

<strong>Bahn</strong>en erhalten<br />

auch höhere Subventionen als die<br />

Staatsbahn vor der Privatisierung. Ein<br />

Personenkilometer (also ein Durchschnittskilometer,<br />

den eine Person mit<br />

der <strong>Bahn</strong> zurücklegt) ist in Großbritannien<br />

fast doppelt so teuer wie in der<br />

Schweiz, die ein komplett öffentliches<br />

<strong>Bahn</strong>system hat.<br />

Die Studie nennt auch die Gründe:<br />

Neben einer zu starken Regulierung –<br />

wobei eine geringere Regulierung die<br />

Risiken noch erhöhen würde – sind es<br />

die fragmentierten Strukturen durch die<br />

Aufsplittung in eine Vielzahl von Unternehmen.<br />

Daher fordert eine breite Mehrheit der<br />

Britinnen und Briten: „Re-nationalise<br />

the Railways“. Auch zwei Drittel der<br />

Deutschen sprechen sich gegen eine<br />

<strong>Bahn</strong>privatisierung aus – man muss<br />

nicht jeden Fehler wiederholen, der<br />

andernorts schon gemacht worden ist.<br />

Bernhard Knierim<br />

Lunapark21·extra 6/2012

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