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S <strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong><br />
Gleiss Lutz im O-Ton und Charakter der Kanzlei<br />
Der Bericht verschweigt komplett den radikalen Belegschaftsabbau. Zur Situation<br />
der Beschäftigten bei der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH heißt es jedoch: „Das Durchschnittsalter<br />
der Beschäftigten der S-<strong>Bahn</strong> ist kontinuierlich gestiegen, von 40<br />
Jahren in 2000 auf 45,1 Jahren in 2008, wobei das Durchschnittsalter im Bereich<br />
Fahrzeuginstandhaltung 2008 sogar 47,1 Jahre betrug. Dies wohlgemerkt in einem<br />
Unternehmen, in dem die Mehrzahl der Beschäftigten mit körperlicher Arbeit verbundene<br />
Tätigkeiten ausführt, Triebzüge fährt und instandhält.“ (S.46).<br />
Einmal abgesehen davon, dass das Alter nicht ausschlaggebend für die Qualität<br />
der Belegschaft ist, verschweigt der Bericht, dass der radikale Belegschaftsabbau,<br />
den es in den vorausgegangenen zehn Jahren gab, letzten Ende erheblich zu dem<br />
relativ hohen Durchschnittsalter beitrug.<br />
Bei der Kanzlei Gleiss Lutz handelt sich um ein Büro mit 250 Anwälten, verteilt<br />
auf acht Städte in Europa und mit einem – für eine Kanzlei – sehr hohen Umsatz<br />
von 109 Mio Euro. Die Kanzlei rühmt sich, für mehr als zwei Drittel der DAX-Konzerne<br />
aktiv zu sein. Gleiss Lutz ist nach eigenen Angaben auf das „M&A-Business“,<br />
auf Unternehmensübernahmen und Zusammenschlüsse, spezialisiert – also beispielsweise<br />
für eine bald wieder anstehende Privatisierung der <strong>Bahn</strong>. Der S-<strong>Bahn</strong>-<br />
Bericht ist nicht die erste Hilfestellung für die DB AG. Der für Gleiss Lutz aktive<br />
ehemalige Justizminister Rupert Scholz warf sich im März 2009 – auf dem Höhepunkt<br />
der <strong>Bahn</strong>-Spitzelaffäre – für den Konzern ins Zeug und unterstrich, dass die<br />
<strong>Bahn</strong> „durch Hartmut Mehdorn glänzend geführt“ werde (Tagesspiegel 25.2.2010).<br />
Der Fall Großmann<br />
In einer Kleinen Anfrage der Grünen vom April 2010 heißt es:<br />
„Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass<br />
der Alleingesellschafter der Georgsmarienhütte Holding GmbH, welche die Radsätze<br />
für die Baureihe 481 an die S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH geliefert hat, gleichzeitig dem<br />
Aufsichtsrat der DB AG angehörte?“<br />
Die Antwort der Bundesregierung lautete: „Das genannte Aufsichtsratsmitglied<br />
ist aus Sicht der Bundesregierung ein ausgewiesener Experte mit hoher fachlicher<br />
Kompetenz. Die Bundesregierung geht von seiner Unabhängigkeit aus. Die Möglichkeit<br />
von Interessenskonflikten ist in jedem Einzelfall vom Aufsichtsratsvorsitzenden<br />
selbst zu prüfen und anzuzeigen.“<br />
Die Frage der Grünen traf ins Schwarze, auch wenn der Name Großmann mit<br />
falscher Höflichkeit unerwähnt blieb. Das letzte Wort und hier der Imperfekt ist<br />
allerdings irritierend: Großmann ist auch heute noch Aufsichtsrat der Deutschen<br />
<strong>Bahn</strong> AG. Und der Interessenskonflikt, in dem er sich dabei befindet, betrifft bei<br />
den ICE-Achsen, die zu einem großen Teil nicht dauerfest sind und die in den Jahren<br />
2013 bis 2015 zu tausenden ausgetauscht werden müssen, ein weit größeres<br />
Geschäftsvolumen als im Fall der S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong>.<br />
Quelle: Bundestagsdrucksache 17/1384<br />
Foto: Klaus Ihlau<br />
re Einnahmen aus den Erlösen im Personenverkehr<br />
erzielt worden. „Der Rückgang<br />
der Instandhaltungskosten war<br />
dafür nur von untergeordneter Bedeutung.“<br />
(S.48).<br />
Das ist schlicht die Unwahrheit. Die<br />
Schließung von Werkstätten, der Abbau<br />
der Belegschaft, die Verschrottung von<br />
132 S-<strong>Bahn</strong>-Wagen – all das war explizit<br />
Teil von OSB. Der Umstand, dass das<br />
Unternehmen seither keine Reservekapazitäten<br />
mehr hat, ist direkt OSB zu<br />
verdanken. Im Hauptwerk der Instandhaltung<br />
wurde als Teil der OSB-Sparmaßnahmen<br />
die Zahl der Beschäftigten<br />
von 800 auf rund 200 heruntergefahren;<br />
die Zahl der Meister von 26 auf 3. Das<br />
war ebenso gewinnbringend für den<br />
Konzern wie es zerstörerisch für die<br />
S-<strong>Bahn</strong> selbst war.<br />
Struktur der S-<strong>Bahn</strong> GmbH<br />
als Teil der DB AG<br />
Die S-<strong>Bahn</strong> <strong>Berlin</strong> GmbH gehört zu 100<br />
Prozent der DB Regio AG, die wiederum<br />
eine Tochter der in Bundeseigentum befindlichen<br />
Deutschen <strong>Bahn</strong> AG ist. Die<br />
operative Geschäftsführung für die<br />
S-<strong>Bahn</strong>en wurde einer gesonderten Gesellschaft,<br />
der DB Stadtverkehr, übertragen;<br />
allerdings: nicht ein Prozent des<br />
Eigentums. Dieses blieb zu 100 Prozent<br />
bei DB Regio.<br />
Im Frühjahr 2008 wurde alles nochmals<br />
komplizierter: die Subholding DB<br />
ML (Mobility and Logistic) wurde zwischen<br />
DB AG und alle Schienenverkehrsunternehmen<br />
(DB Regio, Fernverkehr<br />
und Railion/Schenker) geschaltet. DB ML<br />
kontrolliert also DB Regio AG.<br />
Nun wird in dem Gleiss Lutz-Bericht<br />
das Einwirken des Konzerns bzw. von DB<br />
ML bzw. von DB Regio auf die S-<strong>Bahn</strong><br />
GmbH nicht thematisiert. Es werden<br />
lediglich einige lächerliche Probleme wie<br />
Kommunikationsmängel (S. 50/51), unzureichende<br />
„Audits“ der Werkstätten<br />
(S.51) und eine problematische „Unternehmenskultur“<br />
(S.52) angesprochen.<br />
Selbst so krasse Dinge wie die – oben<br />
zumindest abgesegnete – „Spreizung“<br />
der Wartungsintervalle wird in dem Dokument<br />
lässig kommentiert mit: „Die<br />
früher bei der S-<strong>Bahn</strong> praktizierten Verlängerungen<br />
von Wartungs- und Instandhaltungsfristen<br />
und von Laufleistungen<br />
bis zur Hauptuntersuchung wur-<br />
Lunapark21·extra 6/2012