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sich alle als etwas Besonders fühlten,<br />
und es gab einen großen Zusammenhalt.<br />
Im Osten war das, man merkt das bis<br />
heute, noch ausgeprägter. Jetzt kommen<br />
die ganzen Vorbereitungen für die Ausschreibung:<br />
Dies bereitet man vor, indem<br />
man alle Bereiche organisatorisch<br />
trennt. Inzwischen arbeitet jeder Fachbereich<br />
nur noch für sich selbst. Da fehlt<br />
es jetzt an Abstimmung und Informationen<br />
innerhalb der S- <strong>Bahn</strong> – das spaltet<br />
alles die Belegschaft, und das merkt<br />
man. Das verunsichert die Leute, es gibt<br />
kein Gefühl von Zusammenhalt mehr.<br />
Ich glaube, das ist auch ein unterschwelliges<br />
Ziel bei der ganzen Geschichte,<br />
dass man da alle zermürbt,<br />
damit es am Ende nicht mehr so einen<br />
großen Widerstand gibt – so kommt mir<br />
das vor.<br />
JK: „Teile und herrsche“ – damit haben<br />
sie der Arbeiterbewegung schon immer<br />
zugesetzt. Das wird hier auch genutzt.<br />
Und trotzdem merkt man immer noch:<br />
Die S-<strong>Bahn</strong>er wollen sich da eigentlich<br />
noch nicht ganz aufgeben; bei bestimmten<br />
Situationen merkt man den Zusammenhalt<br />
dann wieder ganz deutlich –<br />
wie bei einem Gummiband, dass dann<br />
plötzlich wieder zusammenschnellt. Bei<br />
den Anforderungen hier in <strong>Berlin</strong><br />
braucht man aber Leute, die das mit<br />
ganzem Herzen tun.<br />
AB: Wer das aber überhaupt nicht gebrauchen<br />
kann, das sind diese Ausschreiber.<br />
Denen ist das natürlich total<br />
zuwider, dass es da Leute gibt, die an<br />
ihrer Firma hängen und die sich dafür<br />
auch einsetzen.<br />
JK: Die Identifikation würde aber auch<br />
wieder steigen, wenn die Entscheidun-<br />
Lunapark21·extra 6/2012<br />
gen endlich wieder dort getroffen werden,<br />
wo sie auch hingehören. Sonst<br />
stiehlt man den Kollegen auch den Stolz,<br />
wenn man wegen jedem kleinen Schritt<br />
erst fragen muss – früher hat man das<br />
einfach gemacht, und dann war das<br />
okay. Da waren die Leute stolz darauf,<br />
dass sie den Laden am Laufen gehalten<br />
haben. Heute muss man da erst einen<br />
Antrag stellen, braucht dreizehn Unterschriften<br />
usw.<br />
BK: Es gibt immer mehr S-<strong>Bahn</strong>höfe<br />
mit „ZAT“, also ohne Personal auf dem<br />
<strong>Bahn</strong>steig. Wie beurteilt ihr die Sicherheit<br />
auf diesen <strong>Bahn</strong>höfen?<br />
JP: Das ist ein allgemeines Problem – bei<br />
der <strong>Bahn</strong> heißt das gleiche „TAV – technikbasiertes<br />
Abfertigungsverfahren“. Das<br />
Eisenbahnbundesamt hat dem ganzen<br />
damals zugestimmt – aus meiner Sicht<br />
fälschlicherweise. Es gab den Fall der<br />
Frau, die in einem Regionalexpress in der<br />
Tür eingeklemmt wurde und bis zur<br />
nächsten Station bei 120 km/h in der Tür<br />
hängen geblieben ist – zum Glück ist ihr<br />
nichts passiert. Aber solche Dinge kann<br />
ich technisch nicht ausschließen. Insofern<br />
ist das Abfertigungssystem für mich<br />
Lug und Trug, und es birgt eine Unsicherheit<br />
für die Reisenden in sich, die ist<br />
enorm. Ein Triebfahrzeugführer hat eine<br />
Menge um die Ohren, und ich kann ihm<br />
nicht auch noch die Verantwortung für<br />
die Abfertigung aufdrücken. Aber jetzt<br />
ist es so: Der Triebfahrzeugführer trägt<br />
die Verantwortung, aber es ist nicht seine<br />
Verantwortung. Insofern ist es richtig<br />
zu fordern: Aufsichten auf den <strong>Bahn</strong>höfen,<br />
insbesondere auf den <strong>Bahn</strong>höfen<br />
mit viel Verkehr.<br />
Gespräch<br />
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