Kulturnotizen - Druckservice HP Nacke KG
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26<br />
Im Licht der Kunst improvisiert Almut Kühne.<br />
Veranstaltungsorten und zieht mit der<br />
ersten Gruppe los zur Hebebühne an der<br />
Mirkerstraße.<br />
In dem kleinen Bühnenraum der ehemaligen<br />
Tankstelle haben Regisseurin Marlin<br />
de Haan und Animationsdesignerin Vanessa<br />
Eder 30 Stunden verbracht. Sie haben<br />
dort gelernt, gespielt, gekocht, geschlafen<br />
und sich dabei fi lmen lassen. Während<br />
sie mit schwarzer Schlafmaske regungslos<br />
an der Seite stehen, präsentieren sie nun<br />
dem Publikum das unmittelbar zuvor<br />
entstandene Bildmaterial: rhythmisch aufeinanderfolgende<br />
Standbilder und somit<br />
ein Konzentrat ihres Aufenthaltes. Die<br />
Zuschauer erhalten damit einen unmittelbaren<br />
Rückblick auf das Experiment, auf<br />
eine frische, gewitzte Studie zum Thema<br />
Zeit und Durchhaltevermögen.<br />
Bei der nächsten Etappe steigt die Zahl<br />
der Besucher weiter an. Im Olga, Raum<br />
für Kunst, stehen sie dicht gedrängt,<br />
andere hocken auf dem Boden. „Den Ort<br />
hier wollte ich schon längst kennenlernen“,<br />
sagt eine Zuschauerin. Klar wird<br />
spätestens hier: Ein besonderer Vorteil<br />
dieser Art von Veranstaltung ist, dass<br />
nicht nur die Aufführungen, sondern<br />
ebenso die verschiedenen Kunsträume<br />
viele Neugierige anlocken. An der Station<br />
Nummer 3 hat Katharina Schmitt auf<br />
fünf Leinwänden eine Videoinstallation<br />
eingerichtet, die eine fl iegende weiße<br />
Taube vor blauem Himmel zeigt. Der<br />
Betont nachlässig singt der Berliner Künstler Christoph Dettmeier.<br />
Flügelschlag ist im leicht verfremdeten<br />
Ton zu hören. Ausgehend von diesem<br />
atmosphärischen Feld gestaltet Milton<br />
Camilo einen weich fl ießenden Tanz. Geschmeidig<br />
lässt er seine Arme schwingen<br />
– ein unspektakulärer aber feinsinniger<br />
Beitrag zur Performance-Nacht.<br />
Für seinen Auftritt im Neuen Kunstverein<br />
an der Hofaue hat Christoph Dettmeier<br />
seiner speziellen Country-Show den Titel<br />
„Peace in the Valley“ gegeben. Betont<br />
nachlässig singt der Berliner Künstler zu<br />
diversen Western-Songs, zeigt wirkungsvoll<br />
verlangsamt typische Cowboy-Posen,<br />
faselt wirr, doch mit Hintersinn über den<br />
Zusammenhang von Landschaft und Psychologie<br />
und präsentiert eindrucksvolle<br />
schwarz-weiß Dias. Mit seinen Aufnahmen<br />
spürt er der Western-Melancholie in<br />
heutiger Zeit nach. Er fi ndet sie in den<br />
Industrie-Brachlandschaften in Detroit,<br />
Istanbul oder Halle an der Saale. Die<br />
Performance löst Begeisterung und Kopfschütteln<br />
beim Publikum aus. Das verwundert<br />
nicht, denn die Show changiert<br />
verstörend zwischen Ironie, ernsthafter<br />
Auseinandersetzung und blankem Trash.<br />
Der „Ort“ an der Luisenstraße ist die<br />
nächste Station der Performance-Nacht.<br />
Der Raum ist klein, der Andrang groß,<br />
sodass auch hier spontan eine zweite<br />
Aufführung ins Programm eingepasst wird.<br />
Das Genfer Künstlerpaar Heike Fiedler und<br />
Steve Buchanan entwickelt eine packende<br />
Performance aus Worten, Versen und Phrasen,<br />
Geräuschen, Klängen und Bewegung.<br />
Zu intensiven Spracherkundungen und<br />
Videokompositionen von Fiedler bespielt<br />
Buchanan sein selbst erfundenes elektronisches<br />
Boden-Instrument „2nd line“. Der<br />
Musiker läuft und tänzelt federnd auf der<br />
Trittfl äche, kniet und schlägt mit Klöppeln.<br />
So bezieht er die gestische Bewegung in die<br />
faszinierende Performance mit ein.<br />
Ein Berliner Trio ist für die vorletzte Etappe<br />
im Kunstraum Grölle pass:projects zuständig.<br />
Künstler Helge Leiberg zeichnet<br />
und pinselt auf zwei Overhead-Projektoren<br />
zur Musikimprovisation von Sängerin<br />
Almut Kühne und Gitarrist Lothar Fiedler.<br />
Aufmerksam verfolgen die Besucher<br />
das impulsive Zusammenspiel, obwohl<br />
auch an dieser Station die Sitzplätze rar<br />
sind und für viele zu später Stunde das<br />
Stehen allmählich beschwerlich wird.<br />
Doch unermüdlich ziehen einige Kunstfreunde<br />
auch jetzt noch weiter zur fi nalen<br />
Party in den Arrenberg’schen Höfen. Dort<br />
ist bereits viel los, zur Tanzmusik von DJ<br />
STINGL projiziert GLUEH rhythmische<br />
Grafi ken und Bilder in den Raum. Es ist<br />
längst weit nach Mitternacht. Wer die<br />
gesamte Performance-Nacht geschafft hat,<br />
ist nun wohl viel zu müde zum Tanzen,<br />
dafür aber voller neuer Eindrücke nach<br />
einem facettenreichen Kunst-Marathon.<br />
Meike Nordmeyer<br />
Fotos: Antje Zeis-Loi