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Kulturnotizen - Druckservice HP Nacke KG

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Abb. 10, Honigpumpe am Arbeitsplatz,<br />

Inszenierung in der Ausstellung ‚Parallelprozesse‘<br />

lichen Denkens – als Bestandteil seiner<br />

„Plastischen Theorie“ begriff: „Denken<br />

ist Plastik, Sprechen ist Plastik und sollte<br />

betrachtet werden wie ein Kunstwerk.“<br />

Gleichwohl ist es nicht unproblematisch,<br />

die Selbstkommentare des Künstlers als<br />

Werkschlüssel zu benutzen, und da die<br />

Ausstellung kaum fl ankierendes Material<br />

zum Werkverständnis anbietet, empfi ehlt<br />

sich unbedingt das mit mehr als 400<br />

Seiten umfangreiche Katalogbuch, das<br />

fundierte Beiträge zahlreicher Autoren zu<br />

den unterschiedlichsten Werkaspekten<br />

enthält.<br />

Kritische Einwände<br />

Als Mitstreiter der Fluxus-Bewegung<br />

ging es Beuys seit den Sechziger Jahren<br />

des letzten Jahrhunderts immer seltener<br />

um das statische Einzelwerk, sondern<br />

zunehmend um Prozessuales, und zwar<br />

zunächst noch im Radius künstlerischer<br />

Praxis, dann – diesen transzendierend<br />

– im Sinne übergreifender sozialer<br />

Prozesse und politischer Aktionen. Dies<br />

ist ein Aspekt, der in der Düsseldorfer<br />

Ausstellung deutlich zu kurz kommt.<br />

Zwar werden einige hochinteressante<br />

fi lmische Dokumentationen diverser,<br />

zum Teil schamanistisch inspirierter<br />

Fluxus-Performances gezeigt, doch alles<br />

Abb. 11, Honigpumpe am Arbeitsplatz,<br />

Originalinstallation auf der ‚documenta<br />

6‘, Kassel 19<br />

scheint wie geronnen und eingefroren,<br />

und die unterkühlt museale, klinisch<br />

reine Atmosphäre kommt einem Begräbnis<br />

erster Klasse gleich. So erscheint zum<br />

Beispiel das Arrangement „Honigpumpe<br />

am Arbeitsplatz“ (1977, Abb. 10) als<br />

sinnlose Akkumulation ausgedienter<br />

Gerätschaften. Von den lebendigen<br />

Vorgängen, die einst auf der „documenta<br />

6“ in Kassel stattfanden, ist nichts mehr<br />

erfahrbar. Wurden seinerzeit zur Visualisierung<br />

biologischer (und ökonomischer)<br />

Kreisläufe zwei Tonnen Honig durch ein<br />

Schlauchsystem gepumpt und gleichzeitig<br />

100 kg Fett von einer motorgetriebenen<br />

Walze verfl üssigt, so ist davon heute nur<br />

noch ein trauriger Haufen funktionsloser<br />

Relikte geblieben (Abb. 11). – Konturlos<br />

bleibt in Düsseldorf auch Beuys’ theoretisches<br />

Konzept, wie es sich in seiner<br />

„Plastischen Theorie“ artikuliert. Im Mittelpunkt<br />

dieser sog. Plastischen Theorie<br />

steht die Idee von der „sozialen Skulptur“,<br />

was nichts anderes bedeutet, als daß es<br />

Beuys als einem genuinem Bildhauer<br />

nicht länger nur darum ging, einzelne<br />

Bildwerke zu formen, sondern die Gesellschaft<br />

als ganzes einem durchgreifenden<br />

Gestaltungs- und Transformationsprozeß<br />

zu unterziehen. Ihm galt die „Kunst als<br />

die eigentliche revolutionäre Kraft“, „als<br />

eigentliche Basis für das gesellschaftliche<br />

Tun“. Daß das für ihn mehr bedeutete als<br />

eine bloße Utopie, macht sein politisches<br />

(auch parteipolitisches) Engagement seit<br />

den späteren Sechziger Jahren deutlich,<br />

von der „Gründung der Deutschen<br />

Studentenpartei“ und der - an Gedanken<br />

des Anthroposophen Rudolf Steiner und<br />

Ideale der Französischen Revolution anschließenden<br />

- „Organisation für direkte<br />

Demokratie durch Volksabstimmung“ bis<br />

hin zu seiner Mitarbeit bei den „Grünen“.<br />

Trotz dieser kritischen Anmerkungen ist<br />

ein Besuch der Ausstellung unbedingt<br />

lohnend, weil zur intensivierten Auseinandersetzung<br />

mit einem der interessantesten<br />

und kontroversesten Künstler<br />

der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert<br />

anregend. Gelegenheit dazu besteht noch<br />

bis zum 16. Januar 2011.<br />

Joseph Beuys. Parallelprozesse<br />

11.09.2010 – 16.01.2011<br />

K20 Grabbeplatz und Schmela Haus<br />

Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-<br />

Westfalen<br />

Grabbeplatz 5<br />

40213 Düsseldorf<br />

Katalog<br />

Zur Ausstellung „Joseph Beuys. Parallelprozesse“<br />

erscheint der gleichnamige<br />

Katalog, mit Texten von Marion<br />

Ackermann, Gottfried Boehm, Wilfried<br />

Kuehn, Isabelle Malz, Maja Naef und<br />

Johannes Stüttgen sowie einem Interview<br />

mit Marina Abramovic, 432 Seiten,<br />

280 Abbildungen in Farbe, gebunden,<br />

herausgegeben von der Kunstsammlung<br />

Nordrhein-Westfalen, Verlag Schirmer/<br />

Mosel, München, 49,90 Euro<br />

Weitere Informationen auf der nervtötenden<br />

Internetseite der Kunstsammlung<br />

NRW: www.kunstsammlung.de<br />

Rainer K. Wick<br />

Fotos: Kunstsammlung NRW<br />

© VG Bild-Kunst,<br />

Bonn 2010 für die Werke von Joseph Beuys<br />

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