70 Recht_RecruitingInfoSchwerbehin<strong>de</strong>rten o<strong>de</strong>r Gleichgestellteneine Teilnahme an <strong>de</strong>n Vorstellungsgesprächenaller Bewerber verlangen(§ 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX). Ein Teilnahme-und Unterrichtungsrecht <strong>de</strong>r Schwerbehin<strong>de</strong>rtenvertretungbesteht nach § 81Abs. 1 Satz 10 SGB IX ausnahmsweisedann nicht, wenn <strong>de</strong>r schwerbehin<strong>de</strong>rteo<strong>de</strong>r gleichgestellte Bewerber (bei mehrerenschwerbehin<strong>de</strong>rten o<strong>de</strong>r gleichgestelltenBewerbern: alle) die Beteiligung <strong>de</strong>rSchwerbehin<strong>de</strong>rtenvertretung ausdrücklichabgelehnt hat (haben).Schritt 4: Erörterung <strong>de</strong>r beabsichtigtenAuswahlentscheidungBeson<strong>de</strong>re Pflichten ergeben sich für <strong>de</strong>nArbeitgeber, wenn im Betrieb die Pflichtquote(§ 71 SGB IX) zur Beschäftigungeiner Min<strong>de</strong>stzahl von schwerbehin<strong>de</strong>rtenMenschen zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Bewerbungsverfahrensnicht erfüllt ist. Ist indiesem Fall die Schwerbehin<strong>de</strong>rtenvertretungbeziehungsweise <strong>de</strong>r Betriebs- o<strong>de</strong>rPersonalrat mit <strong>de</strong>r beabsichtigten Auswahlentscheidungnicht einverstan<strong>de</strong>n,dann bestehen beson<strong>de</strong>re ErörterungsundAnhörungspflichten nach § 81 Abs. 1Satz 7 und 8 SGB IX.Dies be<strong>de</strong>utet, dass <strong>de</strong>r Arbeitgebermit <strong>de</strong>r Schwerbehin<strong>de</strong>rtenvertretungund <strong>de</strong>m Betriebs- o<strong>de</strong>r Personalrat diebeabsichtigte Entscheidung unter Darlegung<strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong> erörtern und dabei<strong>de</strong>n/die betroffenen schwerbehin<strong>de</strong>rteno<strong>de</strong>r gleichgestellten Bewerber anhören,ihm also Gelegenheit zur Stellungnahmegeben muss, sobald das Auswahlverfahrenabgeschlossen ist und <strong>de</strong>r aus Arbeitgebersichtgeeignete Kandidat für<strong>de</strong>n zu besetzen<strong>de</strong>n Arbeitsplatz und damitdie beabsichtigte Auswahlentscheidungfeststeht.Wichtig: Das Erörterungsgesprächsollte (mittels Gesprächsprotokoll, in <strong>de</strong>mZeitpunkt, Dauer, beteiligte Personenund Gesprächsinhalt enthalten sind)unbedingt dokumentiert wer<strong>de</strong>n. DieSchwerbehin<strong>de</strong>rtenvertretung und <strong>de</strong>rBetriebs- o<strong>de</strong>r Personalrat haben im Rahmen<strong>de</strong>r Erörterung ein Beratungs- undArbeitsrecht im SozialgesetzbuchIm SGB IX sind eigentlich die Rechte von schwerbehin<strong>de</strong>rten Menschen im öffentlichenLeben geregelt. Einige Vorschriften richten sich jedoch direkt an die Arbeitgeber. Beson<strong>de</strong>rsist dabei <strong>de</strong>r nachfolgend in Auszügen abgedruckte § 81 SGB IX zu beachten.Abs. 1 : „Die Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehin<strong>de</strong>rtenMenschen, insbeson<strong>de</strong>re mit bei <strong>de</strong>r Agentur für Arbeit arbeitslos o<strong>de</strong>rarbeitsuchend gemel<strong>de</strong>ten schwerbehin<strong>de</strong>rten Menschen, besetzt wer<strong>de</strong>n können. Sienehmen frühzeitig Verbindung mit <strong>de</strong>r Agentur für Arbeit auf. Die Bun<strong>de</strong>sagentur fürArbeit o<strong>de</strong>r ein Integrationsfachdienst schlägt <strong>de</strong>n Arbeitgebern geeignete schwerbehin<strong>de</strong>rteMenschen vor. Über die Vermittlungsvorschläge und vorliegen<strong>de</strong> Bewerbungenvon schwerbehin<strong>de</strong>rten Menschen haben die Arbeitgeber die Schwerbehin<strong>de</strong>rtenvertretungund die in § 93 genannten Vertretungen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten.Bei Bewerbungen schwerbehin<strong>de</strong>rter Richter und Richterinnen wird <strong>de</strong>r Präsidialratunterrichtet und gehört, soweit dieser an <strong>de</strong>r Ernennung zu beteiligen ist.Bei <strong>de</strong>r Prüfung nach Satz 1 beteiligen die Arbeitgeber die Schwerbehin<strong>de</strong>rtenvertretungnach § 95 Abs. 2 und hören die in § 93 genannten Vertretungen an. Erfüllt <strong>de</strong>r Arbeitgeberseine Beschäftigungspflicht nicht und ist die Schwerbehin<strong>de</strong>rtenvertretung o<strong>de</strong>reine in § 93 genannte Vertretung mit <strong>de</strong>r beabsichtigten Entscheidung <strong>de</strong>s Arbeitgebersnicht einverstan<strong>de</strong>n, ist diese unter Darlegung <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong> mit ihnen zu erörtern. Dabeiwird <strong>de</strong>r betroffene schwerbehin<strong>de</strong>rte Mensch angehört. Alle Beteiligten sind vomArbeitgeber über die getroffene Entscheidung unter Darlegung <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong> unverzüglichzu unterrichten. Bei Bewerbungen schwerbehin<strong>de</strong>rter Menschen ist die Schwerbehin<strong>de</strong>rtenvertretungnicht zu beteiligen, wenn <strong>de</strong>r schwerbehin<strong>de</strong>rte Mensch die Beteiligung<strong>de</strong>r Schwerbehin<strong>de</strong>rtenvertretung ausdrücklich ablehnt.“Abs. 2: „Arbeitgeber dürfen schwerbehin<strong>de</strong>rte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behin<strong>de</strong>rungbenachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu die Regelungen <strong>de</strong>s AllgemeinenGleichbehandlungsgesetzes.“Vorschlagsrecht. Grün<strong>de</strong> und Gegengrün<strong>de</strong>sollen behan<strong>de</strong>lt, abgewogen und besprochenwer<strong>de</strong>n. Allerdings kann auchin <strong>de</strong>n vorgeschriebenen „Erörterungsfällen“keine Einstellung <strong>de</strong>s abgelehntenschwerbehin<strong>de</strong>rten o<strong>de</strong>r gleichgestelltenBewerbers erzwungen wer<strong>de</strong>n. Der Arbeitgeberist auch hier in seiner Auswahlentscheidungletztlich frei.Schritt 5: Mitteilung und Begründungeiner AblehnungsentscheidungSchließlich ist <strong>de</strong>r Arbeitgeber verpflichtet,<strong>de</strong>n betroffenen schwerbehin<strong>de</strong>rteno<strong>de</strong>r gleichgestellten Bewerber, dieSchwerbehin<strong>de</strong>rtenvertretung und <strong>de</strong>nBetriebs- o<strong>de</strong>r Personalrat unverzüglichüber seine getroffene Entscheidung zuunterrichten (§ 81 Abs. 1 Satz 9 SGBIX). Diese Unterrichtungspflicht bestehtebenfalls unabhängig davon, ob <strong>de</strong>r Arbeitgeberdie gesetzliche Beschäftigungsquote(§ 71 SGB IX) erfüllt o<strong>de</strong>r nicht.Aus Beweisgrün<strong>de</strong>n empfiehlt sichauch hier dringend eine schriftliche Unterrichtung.Erfor<strong>de</strong>rlich ist dabei eineDarlegung <strong>de</strong>r Ablehnungsgrün<strong>de</strong>, also<strong>de</strong>r Tatsachen, die <strong>de</strong>n Arbeitgeber zuseiner Auswahl bestimmt haben (zumBeispiel das Fehlen einer erfor<strong>de</strong>rlichenund in <strong>de</strong>r Stellenausschreibung gefor<strong>de</strong>rtenMin<strong>de</strong>stanfor<strong>de</strong>rung).Achtung: Beson<strong>de</strong>re Pflichten öffentlicherArbeitgeberÖffentliche Arbeitgeber – darunter fallenAnstalten, Stiftungen beziehungsweiseKörperschaften <strong>de</strong>s öffentlichenRechts, aber nicht privatrechtlich organisierteArbeitgeber (zum Beispiel in <strong>de</strong>rRechtsform einer GmbH) – müssen neben<strong>de</strong>r Grundnorm <strong>de</strong>s § 81 Abs. 1 SGBBei Fragen wen<strong>de</strong>n Sie sich bitte an thomas.muschiol@personalmagazin.<strong>de</strong>personalmagazin 10 / 12
71IX zusätzlich die Regelung <strong>de</strong>s § 82 SGBIX beachten. Deren Verletzung begrün<strong>de</strong>tebenfalls die Vermutung, dass einschwerbehin<strong>de</strong>rter o<strong>de</strong>r gleichgestellterStellenbewerber wegen seiner Behin<strong>de</strong>rungabgelehnt wur<strong>de</strong>.Vor allem aber sieht § 82 Satz 2 SGB IXvor, dass schwerbehin<strong>de</strong>rte beziehungsweisegleichgestellte Bewerber zwingendzu einem Vorstellungsgespräch eingela<strong>de</strong>nwer<strong>de</strong>n müssen. Etwas an<strong>de</strong>res giltausnahmsweise dann, wenn <strong>de</strong>r Bewerberoffensichtlich ungeeignet ist. Der Bewerbermuss dazu zweifelsfrei und auf<strong>de</strong>n ersten Blick für die ausgeschriebeneStelle fachlich nicht geeignet sein. Diesbeurteilt sich nach <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Stellenausschreibungbekannt gegebenen unddort ausdrücklich aufgeführten Aufgaben-und Anfor<strong>de</strong>rungsprofil, an das <strong>de</strong>rArbeitgeber für die Dauer <strong>de</strong>s Auswahlverfahrensinsoweit gebun<strong>de</strong>n bleibt.Die beson<strong>de</strong>ren Pflichten <strong>de</strong>s Arbeitgebersaus §§ 81 und 82 SGB IX sollen lediglichschwerbehin<strong>de</strong>rte und gleichgestellteMenschen schützen. Arbeitnehmer, diezwar eine Behin<strong>de</strong>rung im Sinne von § 2Abs. 1 SGB IX aufweisen, aber nicht dieVoraussetzungen einer Schwerbehin<strong>de</strong>rung(§ 2 Abs. 2 SGB IX) o<strong>de</strong>r Gleichstellung(§ 2 Abs. 3 SGB IX) erfüllen, wer<strong>de</strong>nzwar auch vom Benachteiligungsverbot<strong>de</strong>s § 7 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz(AGG) erfasst. Sie können daherfür <strong>de</strong>n Fall einer Ablehnung wegen ihrer„einfachen“ Behin<strong>de</strong>rung ebenfallsEntschädigungs- und Scha<strong>de</strong>nsersatzansprücheaus § 15 AGG geltend machen(siehe Kasten auf <strong>de</strong>r nächsten Seite). Allerdingsfallen sie nicht unter <strong>de</strong>n SchutzHPOARBEITSHILFECheckliste Welche Fragen im Vorstellungsgesprächzulässig und welche unzulässigsind (HI547953).Die Arbeitshilfe fin<strong>de</strong>n Sie im <strong>Haufe</strong>Personal Office (HPO). Internetzugriff:www.haufe.<strong>de</strong>/hi54795310 / 12 personalmagazin