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Geregelte Bahnen - Haufe.de

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72 Recht_RecruitingInfo<strong>de</strong>r §§ 81, 82 SGB IX. Daher begrün<strong>de</strong>tein Verstoß gegen diese Vorschriften für„einfach“ behin<strong>de</strong>rte Bewerber nicht dieVermutung (§ 22 AGG), dass die Ablehnungwegen <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Behin<strong>de</strong>rungerfolgt ist. „Einfach“ behin<strong>de</strong>rteBewerber müssen vielmehr an<strong>de</strong>re Tatsachendarlegen, die eine Benachteiligungwegen <strong>de</strong>r Behin<strong>de</strong>rung vermuten lassen.Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen§ 81 Abs. 1 und § 82 SGB IXBereits die bloße Verletzung <strong>de</strong>r in § 81Abs. 1 und § 82 SGB IX aufgeführtenPflichten begrün<strong>de</strong>t zugunsten einesabgelehnten schwerbehin<strong>de</strong>rten o<strong>de</strong>rgleichgestellten Bewerbers regelmäßigdie Vermutung, dass dieser wegen seinerSchwerbehin<strong>de</strong>rung o<strong>de</strong>r Gleichstellungnicht berücksichtigt wur<strong>de</strong>. Derabgelehnte schwerbehin<strong>de</strong>rte Bewerberkann daher in diesen Fällen regelmäßigmit Erfolg einen Entschädigungsanspruchaus § 15 Abs. 2 AGG geltendmachen, ohne dass er das tatsächlicheVorliegen einer Benachteiligung beweisenmuss. Allerdings wird die Indizwirkungnach § 22 AGG nur dann ausgelöst,wenn <strong>de</strong>m Arbeitgeber die Schwerbehin<strong>de</strong>rteneigenschafto<strong>de</strong>r Gleichstellung<strong>de</strong>s abgelehnten Bewerbers bekanntwar o<strong>de</strong>r er sich aufgrund <strong>de</strong>r Bewerbungsunterlagendiese Kenntnis hätteverschaffen können. Von einem für<strong>de</strong>n Arbeitgeber erkennbaren und ausreichen<strong>de</strong>nHinweis auf eine Schwerbehin<strong>de</strong>rungo<strong>de</strong>r Gleichstellung istinsbeson<strong>de</strong>re dann auszugehen, wenn<strong>de</strong>n Bewerbungsunterlagen eine Kopie<strong>de</strong>s Schwerbehin<strong>de</strong>rtenausweises o<strong>de</strong>r<strong>de</strong>s Gleichstellungsbescheids beigefügto<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Umstand „ Schwerbehin<strong>de</strong>rung“o<strong>de</strong>r „Gleichstellung“ ausdrücklich erwähntwur<strong>de</strong>. Der bloße Hinweis imBewerbungsschreiben „durch meineBehin<strong>de</strong>rung bin ich … nicht eingeschränkt“genügt nicht. Denn hier wirdnicht hinreichend <strong>de</strong>utlich, ob vom Bewerberlediglich auf eine „einfache“ Behin<strong>de</strong>rung(die nicht die Pflichten nach§§ 81, 82 SGB IX auslöst) o<strong>de</strong>r aber aufDas AGG-Merkmal Behin<strong>de</strong>rungBewerber mit einer „Behin<strong>de</strong>rung“ können auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s allgemeinenGleichbehandlungsgesetzes Scha<strong>de</strong>nsersatz for<strong>de</strong>rn, wenn sich aus Indizien ergibt,dass ein Arbeitgeber kein Interesse an Bewerbern mit einer Behin<strong>de</strong>rung hatte.Dabei ist zu beachten, dass <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r „Behin<strong>de</strong>rung“ aus § 1 AGG keinesfalls nur„anerkannte“ Schwerbehin<strong>de</strong>rungen umfasst. Er entspricht vielmehr <strong>de</strong>r Definition <strong>de</strong>s§ 2 Abs.1 SGB IX. Danach sind Menschen behin<strong>de</strong>rt, wenn ihre körperliche Funktion,geistige Fähigkeit o<strong>de</strong>r seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger alssechs Monate von <strong>de</strong>m für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihreTeilhabe am Leben in <strong>de</strong>r Gesellschaft beeinträchtigt ist.Nach <strong>de</strong>r Rechtsprechung können schon bestimmte Formulierungen in einer Stellenausschreibung<strong>de</strong>m Arbeitgeber zum Verhängnis wer<strong>de</strong>n. So sollten beispielsweisefolgen<strong>de</strong> Attribute in Stellenausschreibungen vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n:✓✓✓✓„leistungsstarke“„körperlich fitte“„körperlich uneingeschränkt leistungsfähige“„geistig bewegliche“eine Schwerbehin<strong>de</strong>rung / GleichstellungBezug genommen wur<strong>de</strong>.Fragen nach Schwerbehin<strong>de</strong>rungensollten im Regelfall unterbleibenIm Bewerbungsverfahren sollte die pauschaleFrage nach einer Behin<strong>de</strong>rungvermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Denn diese Fragelässt – soweit ein Bewerber trotz wahrheitsgemäßerBejahung <strong>de</strong>r Frage eineAblehnung erhält - ebenfalls vermuten,dass kein Interesse an <strong>de</strong>r Beschäftigungbehin<strong>de</strong>rter Arbeitnehmer besteht. Etwasan<strong>de</strong>res kann gelten, wenn <strong>de</strong>r Arbeitgeberganz gezielt nach behin<strong>de</strong>rtenBewerbern sucht, um diese bevorzugt einzustellen,was jedoch nachgewiesen wer<strong>de</strong>nmüsste. Zulässig ist dagegen die Fragenach konkret bestehen<strong>de</strong>n körperlichen,geistigen beziehungsweise seelischenEinschränkungen <strong>de</strong>s Arbeitnehmers, dieeiner Erfüllung <strong>de</strong>r Arbeitsaufgaben undAnfor<strong>de</strong>rungen entgegenstehen.Sonstige RechtsfolgenEin Verstoß gegen § 81 Abs. 1 SGB IXkann <strong>de</strong>n Betriebsrat berechtigen, dieZustimmung zur Einstellung eines Bewerbers,für <strong>de</strong>n sich <strong>de</strong>r Arbeitgeberunter gleichzeitiger Ablehnung einesschwerbehin<strong>de</strong>rten Bewerbers entschie<strong>de</strong>nhat, zu verweigern. Dies kannzwar nicht zu einer Verpflichtung führen,<strong>de</strong>n vom Betriebsrat gewünschtenKandidaten einzustellen. Gleichwohlkann dies <strong>de</strong>n Einstellungsprozess verzögern,<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Arbeitgeber muss dieversäumten Pflichten nach § 81 SGBIX nachholen und gegebenenfalls einsogenanntes Zustimmungsersetzungsverfahrenvor <strong>de</strong>m Arbeitsgericht einleiten.Schließlich ist darauf hinzuweisen,dass eine Verletzung <strong>de</strong>r Unterrichtungspflichtaus § 81 Abs. 1 Satz 4 und 9SGB IX und <strong>de</strong>r Erörterungspflicht nach§ 81 Abs. 1 Satz 7 SGB IX eine Ordnungswidrigkeitdarstellt, die mit einer Geldbußevon bis zu 10.000 Euro geahn<strong>de</strong>twer<strong>de</strong>n kann (§ 156 SGB IX).Dr. Stefan müller ist Rechtsanwaltund Fach anwalt für Arbeitsrecht in Leipzig.Bei Fragen wen<strong>de</strong>n Sie sich bitte an thomas.muschiol@personalmagazin.<strong>de</strong>personalmagazin 10 / 12

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