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Sie marschieren wieder. . .

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Spinnen an braunen NetzenBremer Neonazis arbeiten im Untergrund an einer „Volksfront von rechts“Als die ersten Neonazis in der Bremer Kneipeeintreffen, ist es längst dunkel. Das passt denMännern gut in den Kram, schließlich ist ihrTreffen hochkonspirativ: An diesem Abend setztsich fast alles an einen Tisch, was sich in derrechtsextremen Szene Bremens einen zweifelhaftenNamen gemacht hat. In Treffen wie diesemwollen die Neonazis ein Bündnis schmieden.An einer solchen „Volksfront von rechts“stricken Männer wie Henrik Ostendorf. DerBremer Neonazi pflegt seine Szenekontakte inder Hansestadt bevorzugt am Wochenende. Unterder Woche zieht es ihn ins sächsische Riesa. Dortarbeitet er bei der „Deutschen Stimme“, dasbestätigen Verfassungsschützer. Der Verlag derNPD-Parteizeitung gibt neben der Monatszeitschriftauch andere rechtsextremistischeSchriften und Tonträger heraus. Den Geschäftsführerder „Deutschen Stimme“, Jens Pühse,kennt Ostendorf seit vielen Jahren. Beide sindgebürtige Bremer, Pühse war in der Hansestadtals jugendlicher Skinhead unterwegs.Trotz seines Verlagsjobs ist HenrikOstendorf, in der Szene „Ossi“ genannt, allesandere als ein Schreibtischtäter. Als ein Anführerder Bremer Hooligans darf der 36-Jährige Gewaltnicht scheuen. Ist „Ossi“ nicht in Bremen, sagtAndré Sagemann den muskelbewehrten„Hools“, wo’s lang geht. Er gilt als Ostendorfsrechte Hand, Seite an Seite sieht man die beidenbundesweit bei Neonazi-Veranstaltungen <strong>marschieren</strong>.Szenekenner schätzen den „harten Kern“gewaltbereiter rechter Fußballfans in Bremen aufgut 20 Mann, die sich „Standarte“ nennen.Rechte „Bremen-Fans“ marschiertenauch bei der NPD-Demonstrationim April 2005 in Verden mit.Stehen Schlägereien auf dem Programm, könne„Ossi“ kurzfristig auch „ganz locker“ mehr als 50Mann mobilisieren, heißt es aus der Szene. „Dasgeht blitzschnell“, berichtet ein Insider. „Manverabredet sich mit den ,Hools‘ eines anderenVereins auf einem Parkplatz, kloppt sich – undverschwindet <strong>wieder</strong>, bevor jemand überhauptetwas mitkriegt oder gar die Polizei kommt.“Die Hooligans um Ostendorf aber begnügensich nicht mit dem üblichen „Hooligansport“, inder Szene „dritte Halbzeit“ genannt. Gemeinsammit Neonazis aus Kameradschaften lauschen sieam Wochenende auch mal Berichten eines SS-Veteranen. Oder schauen sich in einer ihrerStammkneipen einen bräunlichen Film überHitlers Stellvertreter Rudolf Heß an – mitten inBremens Innenstadt. Von solchen Veranstaltungenberichten Szenebeobachter und Verfassungsschützer.Trefflich verbinden kann Henrik OstendorfNPD-Kontakte und Hooligan-Erfahrung im„Bundesordnerdienst“ der Partei, den NPD-Vorstandsmitglied Manfred Börm aus Lüneburgseit etwa 2003 aufbaut. Mitte Februar 2005 jedenfallstrat der Bremer in Dresden an der Spitze desNPD-Aufmarsches als „Ordner“ auf.Was Börm unter „Ordnerdienst“ versteht, hater beim – erfolglosen – Wahlkampf der rechtsextremenPartei in Schleswig-Holstein gezeigt. ImDezember 2004 lieferte sich seine Truppe dortmit Gegendemonstranten eine Straßenschlacht.Die Staatsanwaltschaft ermittelte unter anderemwegen schwerer Körperverletzung. Bei denBremer Neonazi-Treffen ist die NPD bislang nurdurch Daniel Fürstenberg vertreten. Fürstenbergist Mitglied der NPD-Jugendorganisation „JungeNationaldemokraten“ (JN) und lebt seit Monatenauf dem Heisenhof des Hamburger NeonazisJürgen Rieger in Dörverden.Zahlreicher als NPD-Vertreter erscheinen die„Freien Nationalisten“ um den verurteiltenGewalttäter Andreas Hackmann. Das knappeDutzend Männer, das den harten Kern derKameradschaft ausmacht, besteht zum großenTeil aus „Veteranen“ unter den Braunen in Bremen.<strong>Sie</strong> verstehen sich laut Verfassungsschutz alseine neonazistische „Kaderschmiede“ – ständigbemüht, rechte Skinheads und andere rechtsorientierteJugendliche zu ideologisieren.Hackmann ist Bremens umtriebigster„Freier Nationalist“. Der bekennende Hitler-Fan fehlt bei kaum einem Neonazi-Aufmarschoder Rechtsrock-Konzert in Norddeutschland.Wenn sich Rechtsextreme in oder um Bremenzusammenfinden, hat „Hacki“ meist seine Fingerim Spiel. Auch auf dem Heisenhof war der34-Jährige zur Stelle, als der NPD-Nachwuchsum Fürstenberg im November seine ersteSchulung veranstaltete. Den verurteilten RechtsterroristenPeter Naumann soll er dem Parteinachwuchsals „Referenten“ vermittelt haben.„Hacki“ besucht auch viele Treffen undKonzerte der Bremer „Hammerskins“ umAndreas Lohei. Die international vernetzten„Hammerskins“ verstehen sich als elitäre „arischeBruderschaft“ und agieren extrem konspirativ.Ähnlich wie das in Deutschland verboteneNetzwerk „Blood & Honour“ verbreiten sieHetzparolen gegen Ausländer und Juden auf CDsund in Konzerten.„Hakenkreuz-Fahnen und ,Heil-Hitler‘-Rufe– die ganze Palette“, berichtet ein Besucher eines„Hammerskin“-Konzertes mit rund 300 Gästen,das vor einigen Jahren im Teufelsmoor imLandkreis Osterholz stattfand. Solche Konzertewerden als Privatpartys getarnt. „Irgendwie sindsie das auch“, meint der Augenzeuge. Kommendürfe nur, wer ausdrücklich eingeladen sei, in derRegel endeten die zweifelhaften Events inAlkoholexzessen und brutalen Schlägereien. Fürdie illegalen Partys nehmen die Eingeladenenweite Anfahrten in Kauf, Hardcore-Neonazis reisensogar aus dem Ausland an.Neonazi-Konzerte lassen sich aber nicht nurin abgelegenen Winkeln wie dem Teufelsmoor,sondern auch in Großstädten organisieren. So tratenAnfang März 2005 rechtsextreme Bands mittenin Hamburg vor mehr als 300 Besuchern auf.Mit von der Partie war „Lunikoff“ alias MichaelRegener. Regener ist in der rechtsextremenSzene ein Star – spätestens, seit Berliner Richterseine Band „Landser“ 2003 als kriminelleVereinigung verboten haben. Events wie das inHamburg könnten die Neonazis bei ihren Treffendemnächst auch in Bremen planen.Regener hat schon vor Monaten einenAufnahmeantrag in die NPD gestellt – seinBeispiel zeigt, dass NPD und neonazistischeGruppen bundesweit längst eng zusammenarbeiten.Bremens Neonazis dagegen beäugen die NPDder Hansestadt mit Argwohn. Allerdings nennenSzenebeobachter dafür weniger ideologische alspersonelle Gründe. Geführt werden die nur knapp50 Mitglieder des Landesverbandes von HorstGörmann aus Bremerhaven. Sein Verband machtseit Jahren allenfalls durch interne Querelen vonsich reden. Vor einigen Wochen vermeldete diePartei stolz im Internet, sie habe BremensRepublikaner geschluckt. Deren Landesverbandzählt aber nur ein schlappes Dutzend Mitglieder.Auch Markus Privenau hofft offenbar, imUmfeld der Bremer NPD bald <strong>wieder</strong> eine Rollezu spielen. Er führte bis Mitte der 90er Jahre dieBremer Neonazis als Landeschef der 1995 verbotenen„Freiheitlich deutschen Arbeiterpartei“(FAP) an, war später bei der JN aktiv und pflegtebeste Kontakte zu Altnazis in der Hansestadt.Dann zog der mehrfach verurteilte Gewalttätermit Neonazis aus dem Umfeld von KameradschaftsanführerThomas Wulff nach Mecklenburg-Vorpommern.Seit einigen Monaten <strong>wieder</strong>in Bremen, will er alte Kontakte neu knüpfen.Viel stärker als die NPD ist in Bremenbekanntlich die DVU mit ihren rund 200Mitgliedern. Deren Kreisvorsitzender undBürgerschaftsabgeordneter in Bremerhaven,<strong>Sie</strong>gfried Tittmann, hat es im vergangenen Jahrzum stellvertretenden Bundesvorsitzendengebracht. Doch von einer gemeinsamen„Volksfront“ mit den Bremer Neonazis scheint dieDVU weit entfernt. Der Partei arbeiten die rechtenZirkel derzeit vermutlich zu sehr am Rande derIllegalität.Insgesamt treffen in Bremen schwache rechtsextremeParteistrukturen auf einen harten neonazistischenUntergrund. Zumindest GörmannsAmtsvorgänger Jörg Hendrik Wrieden,der laut Verfassungsschutz heute den NPD-Ortsverband Bremen-Nord leitet, kennt offenbarkeine Berührungsängste: Wrieden wurde wegenVolksverhetzung verurteilt, weil er über dasNPD-Faxgerät eine Mitteilung von „Blood &Honour“ verbreitet hat. Das Schreiben rief indirektdazu auf, auf Polizisten zu schießen.Fälle wie dieser könnten sich <strong>wieder</strong>holen,sollten die Bremer Braunen sich erfolgreichverbünden. Dann wird der neonazistische Untergrunddie legalen Parteistrukturen nutzen – undnicht umgekehrt. Darüber sind sich die meistenSzenekenner schon heute einig.Christine Kröger18 19

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