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Im braunen HimmelWas Rechte in das Haus Atlantis an der Böttcherstraße zieht„Sturmlieder“ nennt die extrem rechte Band„Allerseelen“ ihre dritte CD. Das Cover zeigt eineSkulptur von Odin, auch Wotan genannt, demhöchsten Gott der alten Germanen. <strong>Sie</strong> zierte bis1944 die Fassade des Hauses Atlantis in derBöttcherstraße.Das gesamte Booklet der CD „Sturmlieder“ist eine Verbeugung der rechten Musikervon heute vor dem Haus Atlantis von gestern: mitBernhard Hoetgers Lebensbaum samt Odin-Skulptur an der Außenfassade, dem bis heuteerhaltenen Treppenhaus und dem ebenfallsrestaurierten Himmelssaal im Innern. „Die Odin-Skulptur stammt übrigens von Bernhard Hoetger,der im ,Dritten Reich‘ als entarteter Künstlergalt“, betont „Allerseelen“-Sänger Gerhard Petakin einem Szenemagazin. Er scheint bemüht, politisch„unverdächtig“ zu wirken. Und schweigt zupolitisch braun gefärbten Zusammenhängen.In seinem Buch „Der gebaute Mythos“ entlarvtArn Strohmeyer, Redakteur der „BremerNachrichten“, das 1931 eingeweihte HausAtlantis als Huldigung an eine religiös verbrämteBlut-und-Boden-Ideologie. Erdacht von HermanWirth (1885–1981), dem ersten Präsidenten desSS-Ahnenerbes. Bezahlt von Ludwig Roselius(1874–1943), dem von Hitlers Ideen begeistertenBremer Kaufmann. Umgesetzt von BernhardHoetger (1874–1949), dem sich zum Nationalsozialismusbekennenden Bildhauer.„Die Wiedererrichtung der Böttcherstraße istein Versuch, deutsch zu denken“, sagt Roselius1929. Allerdings kein gelungener – befindensowohl die SS-Oberen als auch ihr Führer siebenJahre später. 1936 lehnt Adolf Hitler selbst „dieBöttcherstraßenkultur schärfstens“ ab. Dennochlässt er die ganze Straße unter Denkmalschutzstellen – als Lehrbeispiel „entarteter Kunst“.Dabei hat Hoetger das Haus Atlantis nachden Ideen Wirths entworfen. Mit demPseudogelehrten in völkischer Ahnen- undRunenkunde gründet der zur Esoterik neigendeSS-Reichsführer Heinrich Himmler 1935 das„Deutsche Ahnenerbe“. Das Schulungs- undForschungsorgan der SS soll auf der Wewelsburgbei Paderborn eine völkisch-rassistische„Geistesurgeschichte“ erforschen und eine „neugermanischeErsatzreligion“ ersinnen. HimmlersHofgelehrter Wirth lobt Hoetgers Bauten als„die in diesem Jahrhundert einzigen, für die ,Blutund Boden‘ kein gestelztes Schlagwort ist“.Bezahlt wird das Haus Atlantis von LudwigRoselius, dem erfolgreichen Kaffeeunternehmerund großzügigen Kunstmäzen. Roselius ist schonfrüh begeistert von Wirths wirrer Germanentümelei,später glaubt er fest an die neureligiöseBlut-und-Boden-Ideologie seines engen Freundes.Dieser Ideologie will er mit dem HausAtlantis ein Denkmal setzen.Als Architekten wählt Roselius BernhardHoetger. Er schätzt dessen expressionistischesWerk. Hoetger selbst „denkt nordisch“ undbekennt sich zum Germanentum. Einzig: SeinExpressionismus missfällt Hitler. Wie Roseliusreagiert Hoetger 1936 mit Anpassung auf dieKritik des „Führers“. Er habe aus der „Sehnsuchtnach rein deutscher Form“ gearbeitet, entschuldigter sich. Später arbeitet Hoetger für dieNationalsozialisten und wird in Rom Mitglied derAuslands-NSDAP.Roselius lässt nach Hitlers Machtwort promptdas expressionistische Gefüge aus Stein und Glasentfernen, das den Eingang der Böttcherstraßeziert. An seine Stelle tritt Hoetgers Relief „DerLichtträger“, das noch heute dort hängt. Es zeigtden heiligen Michael, der mit einem Schwertgegen einen Drachen kämpft. „Die Bronze stelltden <strong>Sie</strong>g unseres Führers über die Mächte derFinsternis dar“, deutet Roselius das Werk. Der„Lichtträger“ ist im Booklet des extrem rechtenMusik-Samplers „Lucifer Rising“ abgebildet. Mitihm illustriert die Band „Waldteufel“ ihrenBeitrag, die Gruppe vertont auf dem Album„Heimliches Deutschland“ zudem Verse vonHerman Wirth.Offenbar schätzt in der rechten Musikszenenicht nur „Allerseelen“ die Böttcherstraße.„Allerseelen“ aber will Anfang 2005 gar einKonzert im Himmelssaal des Hauses Atlantisgeben. Doch der Vermieter kündigt rechtzeitigden Mietvertrag, als er vom politischen Hintergrundder Musiker erfährt. Christine KrögerErinnerung an ein dunkles Kapitel derdeutschen Geschichte: der Himmelssaal imHaus Atlantis während der NS-Zeit.Eine Hommage an die Böttcherstraßesind die „Sturmlieder“ der extrem rechtenBand „Allerseelen“.2829

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