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Eltern helfen – aber wie?Ein Gastbeitrag von Andrea Müller und Cornelius PeltzSchulen gegen rechts – aber wie?Ein Gastbeitrag von Gerd BückerImmer häufiger suchen Eltern oder andereAngehörige Unterstützung, weil ihr Sohn oderihre Tochter in rechtsextremistische Organisationenabzudriften droht oder dort bereitsaktiv ist. Viele haben eine lange Odyssee hintersich, bis sie eine Beratungseinrichtung gefundenhaben.2001 wurden die Bundesländer von BundesinnenministerSchily aufgerufen, Aussteigerhilfenanzubieten – bei Landeskriminalämtern,Behörden oder freien Trägern. Doch niemandwusste, wie eine kompetente Beratung fürratsuchende Eltern und Angehörige aussehenkönnte.Das Lidice-Haus versuchte, zeitnah auf diesenMangel zu reagieren. Es ist eingebunden inein Netzwerk erfahrener Institutionen undKollegen, die bei der Entwicklung eines dreiteiligenKonzeptes halfen. Es bietet Qualifizierungsangebotefür alle, die auf Hilfeersuchenvon Eltern und Angehörigen kompetent reagierenmöchten.Ausstiegsprogramme konzentrieren sichüberwiegend auf die Arbeit mit den Jugendlichenselbst. Polizeistellen verweisen oft an andereÄmter – meist erfolglos, weil Jugendämter undEinrichtungen der Erziehungsberatung in derRegel nicht ausreichend qualifiziert sind für diespezielle Thematik „Zugehörigkeit zu rechtenSzenen und/oder Organisationen“. UndJugendarbeit gerät häufig in einen Rollenkonflikt,weil sie sich vor die Entscheidung „vertrauensvolleZusammenarbeit mit Jugendlichen“ oder„Kooperation mit deren Eltern“ gestellt fühlt.Eltern- und Angehörigenberatung ist auchdeswegen besonders schwierig, weil Hilfe oft erstbei drohenden oder laufenden Strafverfahrengesucht wird. Zudem hat der bisherige Umgangder Eltern mit ihren Kindern oft zur aktuellenProblemlage beigetragen. Gewöhnlich klaffenihre Vorstellungen, wo es hingehen soll, weit auseinander.Das erschwert die Gespräche zusätzlich.Die Bedingungen des Aufwachsens und dieKommunikation zwischen Jugendlichen undihren Eltern beziehungsweise Stiefvätern undStiefmüttern sowie anderen erwachsenenAngehörigen gelten zugleich aber als einewesentliche Weichenstellung in der Herausbildungjugendlicher Denk- und Verhaltensmuster.Um das Bewusstsein der Erwachsenen fürihre (Mit-)Verantwortung, ihre Bereitschaft zurselbstkritischen Mitarbeit und ihre Rolle beimAusstieg rechter Jugendlicher zu stärken, bedarfes einer neuen und problemübergreifendenBeratungsqualität.Voraussetzung sind neben den Beratungskompetenzeninsbesondere die aktuelle „Feldkompetenz“und Szenekenntnis der Beratenden.Eltern, die in ein Erstgespräch Gegenstände ausdem Zimmer ihres Kindes mitbringen (CDs,Kleidungsstücke, Flyer, Spuckies) oder überNamen und Orte aus dem Umfeld ihres Sohnesberichten, erwarten – zu Recht – eine realistischeAuskunft der Berater, wie diese Dinge undNamen einzuschätzen sind. Können sie das nicht,droht die Beratung zu enden, bevor sie überhauptbegonnen hat.Inhalte und Ziele der dreiteiligen Zusatzqualifikationumfassen folgende Ebenen: Rechtsextremismus, menschenfeindlicheIdeologien und Jugendkultur: Das Spannungsfeldvon jugendlichen Subkulturen, Lifestyles undrechtsextremer, autoritärer Identitätsentwicklung. Beziehungsgeflecht Familie: Eltern-Kind-Beziehungen und ihr Zusammenhang für denEin- und Ausstieg in extreme Denk- undVerhaltensmuster. Grundlagen von Beratung und Gesprächsführung:Erlernen, Einüben und Weiterentwickelnvon Beratungs- und Gesprächsführungskompetenz.Seit Herbst 2003 werden diese Fortbildungenangeboten. Die Teilnehmer sind Mitarbeiter vonProjekten der Jugendhilfe und Jugendarbeit,Ausstiegsprogrammen, Mobilen Beratungsteams,schulpsychologischen und freien. Adressaten sindauch Erziehungs- und Familienberater. DasLidice-Haus hat mit dieser im Bundesgebiet bislangeinzigartigen Initiative einen Stein insRollen gebracht. Eltern aus dem gesamtenBundesgebiet bitten uns um Rat bei der Suchenach einem Beratungsangebot in ihrer Region.Die Autoren: Andrea Müller ist pädagogischerLeiter, Cornelius Peltz wissenschaftlicherMitarbeiter im Lidice-Haus: Lidice-Haus, Aufdem Hohen Ufer 118/122, 28759 Bremen, Telefon04 21 / 69 27 20, E-Mail lidice@jugendinfo.de,Internet www.lidicehaus.de.Im März 2004 ist beim LandespräventionsratNiedersachsen (LPR) die „Clearingstelle zurPrävention von Rechtsextremismus in Niedersachsen“eingerichtet worden. Wir verstehen unsals eine koordinierende und vernetzende Fachberatungseinrichtungfür das gesamte Bundesland.Im Fachbeirat arbeiten Einrichtungen undDienststellen mit, die bereits über Erfahrungen inder Präventionsarbeit auf dem ThemenfeldRechtsextremismus verfügen: die Arbeitsstellegegen Rechtsextremismus und Gewalt ausBraunschweig, das ARPOS-Institut aus Hannover,die niedersächsische Landesstelle Jugendschutz,das Landesjugendamt, die AussteigerhilfeRECHTS in Niedersachsen, das Landesamt fürVerfassungsschutz und das Landeskriminalamt.Seit wenigen Monaten zählt auch dieJugendbildungsstätte Lidice-Haus aus Bremen zuden Mitgliedern und damit zu den Partnern derClearingstelle.Die fachliche Beratung kommunalerPräventionsräte – in Niedersachsen existierendavon rund 170 – stellt eine wesentliche Aufgabeder Clearingstelle dar. So wurden auch inZusammenarbeit mit dem Verdener Präventionsratkonkrete Maßnahmen und Projekte gegen denRechtsextremismus angeschoben. MehrerePartner des Fachbeirates haben bereits im vergangenenJahr an Schulen entsprechende Veranstaltungendurchgeführt, Projekttage initiiert und mitgestaltet.Weiter beteiligen wir uns an öffentlichenDiskussions- und Informationsveranstaltungen.Die Clearingstelle berät außerdem Gemeinden,wie sie eine gewaltfreie und demokratische Kulturdes Widerstandes gegen rechtsextreme Erscheinungenfördern können.Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass rechtsextremeParteien und Gruppen verstärkt versuchen,an Schulen für ihre menschenverachtendeIdeologie zu werben. <strong>Sie</strong> verteilen Flugblätter undCDs mit „nationalen Texten“, laden zu „Freizeitveranstaltungen“ein und fordern schon 14-Jährigeauf, zu „Kameradschaftsabenden“ zu kommen.Hier muss „Schule“ ansetzen, jungeMenschen zu immunisieren gegen die Einflussnahmeextremistischer Gruppen. Projekttage, ambesten eine ganze Projektwoche, gehören zu deneffektivsten Möglichkeiten. Das trockene Vermittelnvon Geschichtswissen, politisch-historischenDaten und Fakten allein genügt nicht. JungeMenschen müssen positiv erleben, wasDemokratie bietet und genau erfahren, wohin derWeg überzeugter Rechtsextremisten führt!Rechtsextrem orientierte Musik, einschlägigeDresscodes, Hintergründe zu bestimmten Zeichenund Symbolen – hier ist anzusetzen, hier sindFachfrauen und -männer gefragt, die lebendigeund klare Antworten geben können. Die Clearingstellekann Referentinnen und Referenten vermitteln,die – zugeschnitten auf die Zielgruppe –mit multimedialen Mitteln ergänzende Informationengeben. Zeitzeugen, die die NS-Diktaturmiterleben mussten, sind ein besonderer Mosaiksteinin Projektwochen für Demokratie und gegenrechtsextreme Gewalt. <strong>Sie</strong> können oft hochinteressantund ausgesprochen plastisch berichten,„wie es war“ – vor allem auch, wie der ganz normaleAlltag zwischen 1933 und 1945 ablief.Der Blick in die eigene Gemeinde und deneigenen Landkreis ist die Basis für das weitereHandeln. Gibt es eine rechtsextreme Partei oderGruppe vor meiner Haustür? Wie nehme ich dieseMenschen wahr? Machen sie mir Angst? Wiegehe ich damit um? Was kann ich tun, damit niemandaus meinem Freundeskreis in die Fänge dieserGruppen gerät? Wie gehe ich mit Mitschülernum, von denen ich weiß, dass sie extremistischenGedanken nahe stehen?Diese und viele andere Fragen müssen – inder Klasse, mit den Lehrkräften, mit Experten –diskutiert werden. Fragen und Wünsche an dieJugendhilfe vor Ort, an die Verantwortlichen ausder Kommunalpolitik sind zu formulieren und zudokumentieren.Andrea Müller Cornelius Peltz Gerd BückerProjekttage und -wochen sollten kontinuierlichdurchgeführt werden. <strong>Sie</strong> müssen keinen einmaligenEventcharakter haben, sollen auch nichtals abwechslungsreiche Partywoche betrachtetwerden. Es kommt auf klare und eindeutigeFormulierungen an und darauf, das lebendigeInteresse an einem jugendorientierten Gegenentwurfzu wecken. Daran müssen junge Menscheneffektiv beteiligt werden, um sie auf Dauer für eindemokratisches Miteinander zu gewinnen.In die pädagogische Fachausbildung gehörtdeshalb die Kenntnis über (rechts-)extremistischeErscheinungsformen und über Möglichkeiten,diesen entschlossen zu begegnen. Die Clearingstelleund andere kompetente Einrichtungen undDienststellen unterstützen solche Fachausbildungengern.Der Autor: Gerd Bücker ist im LandespräventionsratNiedersachsen und leitet die Clearingstelle:Clearingstelle zur Prävention vonRechtsextremismus in Niedersachsen, Am Waterlooplatz5 a, 30169 Hannover, Telefon 05 11/1 20 52 59, E-Mail info@lpr.niedersachsen.de,Internet www.lpr.niedersachsen.de.5455

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