12.07.2015 Aufrufe

Sie marschieren wieder. . .

Sie marschieren wieder. . .

Sie marschieren wieder. . .

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Hakenkreuze für die EwigkeitAuf „Ahnenstätten“ begraben auch rechte Neuheiden ihre TotenEin hübsches Fleckchen Erde, dieserFriedhof im winzigen Hilligenloh bei Hude. Ganzstill in einem Wäldchen gelegen, mit Bäumen,Sträuchern und Feldsteinen entlang schmalerWege. Ein schöner Ort für die letzte Ruhestätte,mögen zufällig vorbeikommende Spaziergängerdenken. Aber die Erde ist hier viel brauner alsanderswo.Das malerische Fleckchen ist kein gewöhnlicherWaldfriedhof, 1932 ist hier eine„Ahnenstätte“ entstanden. Kreuze will der„Verein Ahnenstätte Hilligenloh“ hier nichtsehen. Verbotene Zeichen wie das Swastikakreuz,ein Hakenkreuz mit gebogenen Ecken,oder die Wolfsangel, von den Nazis als Symbolder Wehrhaftigkeit verwendet, lässt der Vereinaber offenbar gerne durchgehen. Diese Symboleprangen seit vielen Jahren auf einigenGrabsteinen – auch wenn der Verein behauptet,„vom nationalsozialistischen Ungeist unabhängig“zu sein. Einzig: Er will laut Satzung nurDeutsche begraben. Und zwar möglichst solche,die „sich der Gotterkenntnis Mathilde Ludendorffsverbunden fühlen“.Zwei besonders große Findlinge rechts undlinks neben dem Eingangstor sind MathildeLudendorff und ihrem Mann Erich gewidmet. InStein gemeißelt wird sie als „Schöpferin“, er als„Wegbereiter der Gotterkenntnis“ gepriesen.Erich Ludendorff ist im Ersten WeltkriegGeneralfeldmarschall, 1923 putscht er in Münchenerfolglos an der Seite Hitlers. Später entzweiensich die beiden Braunen: Beeinflusst vomreligiös verbrämten Antisemitismus seinerEhefrau glaubt der General, sogar Adolf Hitler als„Juden-Knecht“ entlarvt zu haben. Der Diktatorträgt dem „großen Feldherrn“ den Zwist nichtnach. Als Ludendorff 1937 stirbt, ordnet er einenpompösen Staatsakt an.Witwe Mathilde verfasst bis zu ihrem Tode1966 unverdrossen immer neue Schriften mit wirrenantisemitischen und rassistischen Verschwörungstheorien.„Blutsvermischung“ zwischen„Licht- und Schattenrassen“ führe zum„Volkstod“, glaubt die „Schöpferin der Gotterkenntnis“.1961 verbieten die Innenminister derLänder ihren Bund als verfassungsfeindlich,wegen Verfahrensfehlern heben bayerischeVerwaltungsrichter das Verbot 1977 auf. So spinnendie Ludendorff-Anhänger ihr rassistischesGarn bis heute unbehelligt weiter. Alle Jahre <strong>wieder</strong>laden sie ihresgleichen zu Ostern nachDorfmark bei Fallingbostel ein. Dort wollen sieThemen wie die „multikulturelle Gesellschaft“diskutieren oder sich bei einem „Volkstumsabend“amüsieren.In Hilligenloh ersetzen altgermanischeRunen andernorts übliche Symbole. Von denNazis populär gemachte „Lebens- und Todesrunen“verweisen auf Geburts- und Todesjahr.Auf vielen Steinen fehlt die Todesrune, mancherstellt sich hier schon zu Lebzeiten einen Findlingsamt Inschrift bereit. Statt Familien folgen inHilligenloh „Sippen“ ihren Ahnen ins Jenseits.Ein nur leicht verfremdetes Hakenkreuz„ziert“ diesen Stein in Hilligenloh.Als Ende der 90er Jahre ein evangelischerGemeindepastor auf den Ludendorff-Kult und dieverbotenen Zeichen hinweist und den Trägervereinöffentlich kritisiert, geht ein Rauschen durchden deutschen Zeitungswald. Der Huder Kirchenmanndulde keine Religionsfreiheit, wetternMitglieder des „Ahnenstättenvereins“, im Pfarrhausgehen anonyme Morddrohungen ein. Umaus den Schlagzeilen zu kommen, setzt derGemeinderat einen Arbeitskreis ein. Doch letztlichbleibt alles beim Alten, in Hilligenloh kehrt<strong>wieder</strong> Ruhe ein. Und die Kommune weist weitermit einem Schild auf die „Ahnenstätte“ als Sehenswürdigkeithin.Im benachbarten Ammerland hat die Stättelängst nicht nur Freunde, sondern auch Nachahmergefunden. 1958 kommen in der Kneipe deskleinen Dorfes Conneforde rund 30 Frauen undMänner zusammen, um einen „Ahnenstättenverein“zu gründen. Gerd Brumund, Inhaber derKneipe und Gründungsmitglied, verpachtet demjungen Verein ein Grundstück gleich gegenüber.Darauf entsteht eine Anlage nach dem VorbildHilligenlohs. Als Zeichen wählen die Conneforderden heidnischen Weltbaum, „Irminsul“genannt. Er hängt heute noch über dem Kamin im„Alten Dorfkrug“. Den führt heute längst GerdBrumunds Sohn. Sein Vater hat auf der „Ahnenstätte“einen besonders stattlichen Findling miteiner leicht verfremdeten Wolfsangel bekommen.Alfred Manke aus Bassum im Kreis Diepholzsitzt dem „Ahnenstättenverein“ jahrelang vor.Der heute 76-Jährige meldet sich schon mit 16Jahren freiwillig für ein Panzerjagdkommando inder Hitler-Jugend. Nach 1945 marschiert erweiter stramm rechts:1964 bereitet er die Gründungder NPD mit vor, später ister Mitinitiator der militan-ten „Aktion Widerstand“. Die Gruppe macht1970 Front gegen die Ostverträge von BundeskanzlerWilly Brandt: „Deutsches Land wirdnicht verschenkt, eher wird der Brandt gehenkt!“Weniger militant, aber nicht weniger rechtsengagiert sich Manke im „Bund DeutscherUnitarier“. Was den Ludendorffern die GeneralswitweMathilde ist, ist den Unitariern die extremrechte Religionswissenschaftlerin Sigrid Hunke.<strong>Sie</strong> lehnt das Christentum als „orientalisch“ und„artfremd“ ab. Mit Germanenmythos und Runenkundewill sie „zurück zu Europas eigenerReligion“. Sonst müssen die Deutschen untergehen,prophezeit die 1999 verstorbene unitarischeIdeologin. Ihr Bund trifft sich noch Ende der 90erJahre regelmäßig auch in Bremen.So finden Ultrarechte aus der Hansestadt inConneforde die letzte Ruhe. Hans Hertel zumBeispiel, unter Hitler SS-Offizier, fungiert inden 70er Jahren als Funktionär im rechtsextremen„Stahlhelm“, dem „Bund der Frontsoldaten“. Erliegt gleich neben seinem Namensvetter HeinzHertel begraben, dem einstigen Chef der DVU inBremen.Heidnische Bräuche und germanische Sittenlocken nicht nur Altnazis auf der Suche nach einerGrabstätte ins Ammerländische. Auch Neonaziszieht es nach Conneforde. Der Hamburger AnwaltJürgen Rieger scheint der „Ahnenstätte“ seitJahren verbunden. Der braune Strippenzieherunterhält nicht nur beste Kontakte zum extremistischenNachwuchs, mit seiner „Artgemeinschaft“leitet der Rechtsanwalt seit Jahrzehntenauch eine knallharte Rassisten-Sekte. Von dererwartet er „Gefolgschaft dem besseren Führer“und „Härte und Hass gegen Feinde“. Feinde sindfür den Neuheiden Juden wie Christen: „DasChristentum ist ein Krebs, der sich bislang nochin jedes gesunde Volk hineingefressen hat.“Gerne lauschen Rieger und seine Sekte nochin den 90er Jahren Gertrud Herrs Berichten überdas „Dritte Reich“. Die Holocaust-Leugnerinwar eine der Führerinnen in Hitlers „BundDeutscher Mädel“. <strong>Sie</strong> ist bei den 1998 verbotenenneonazistischen „Hetendorfer Tagungswochen“nahe Celle ein gern gesehener Gast. Genauwie Hermann Thiele. Der langjährige Leiter derunitarischen Landesgemeinde Bremen hat nachseinem Tod wie Gertrud Herr in Conneforde einenFindling bekommen.Der Bremer Altnazi Wilhelm Tietjenruht in Conneforde. Seinen Findling sollder Hamburger Neonazi Jürgen Riegerausgesucht haben.Und noch ein Bremer ruht hier, der Riegerund seiner „Artgemeinschaft“ eng verbunden war:Wilhelm Tietjen. Tietjen ließ dem Neonazi vermutlichMillionen zukommen. Nach ihm ist auchdie britische Stiftung benannt, die im vergangenenJahr den Heisenhof in Dörverden erworben hat.Im Namen des kinderlos verstorbenen Bremerswill Jürgen Rieger in Dörverden demnächst„Fruchtbarkeitsforschung“ betreiben. TietjensFindling ist allerdings ganz schlicht. Bei seinerAuswahl soll Rieger die Kosten genau im Blickgehabt haben – trotz allen mutmaßlichen Erbes.Christine Kröger7677

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!