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Bizarre Braune in SchwarzIn der Böttcherstraße sollte „Musik wie Munition“ erklingen„Musik wie Munition“ bejubelt der BremerAxel Meese im Internet ein Konzert von„Allerseelen“. Ein „schöner und kämpferischer“Auftritt sei das gewesen im sommerlichenOberhausen. Nun will er einladen ins „winterlicheBremen“: In einer „Privatveranstaltung“an einem „exquisiten Ort in geschichtsträchtigemAmbiente“ soll die extrem rechte Band„Allerseelen“ auftreten.Meese meint den Himmelssaal im HausAtlantis an der Böttcherstraße. Doch das HotelHilton vermasselt ihm Ende Januar 2005 dieTour: Es trat als Eigentümer des Hauses vomMietvertrag zurück, als es vom politischenHintergrund des Konzertes erfuhr.Bizarre Braune in Bremens guter Stube:Mit üblichen Neonazi-Konzerten haben solcheAuftritte wenig gemein. Statt grölender rechterSkinheads sind es vor allem rechte Dark-Wave-Anhänger, die sich dort ein Stelldichein gebensollten. Braune, die sich innerhalb der rechtenSzene wohl für eine Art Elite halten.Axel Meese ist offenbar gut Freund mitGerhard Petak, alias Kadmon, dem Kopf von„Allerseelen“ aus Wien. Jedenfalls tut der Bremerin lockerem Plauderton via Internet kund:„Gerhard äußerte schon vor geraumer Zeit denWunsch, einmal in Norddeutschland aufzutreten,und beim Allerseelen-Auftritt in Oberhausenhaben wir dann die ganze Sache soweit beschlossen.“Mit Veranstaltungen wie diesen will Meese„einem geneigten Publikum qualitativ hochwertigeWerke in Ton-, Schrift- und Bildform zugänglichmachen“. So beschreibt der nach eigenenAngaben nebenberufliche Versandhändler seine„Philosophie“ im Internet. „Kunst hat sich überideologische und moralische Grenzen zu erheben.Kunst – und die Sprache – sind frei.“ Gleichanschließend nimmt der Bremer sich die Freiheit,ausführlich Julius Evola (1898–1974) zu zitieren– einen Vordenker des italienischen Faschismus.LPs wie „Blut und Boden“ des Bandprojektes„Rasthof Dachau“ und „Lager“ von„Murder Corporation“ gehören zum „qualitativhochwertigen“ Angebot, das Meese unter demTitel „Neue Ästhetik“ zum Kauf anbietet. Einesder Cover zeigt das zu trauriger Berühmtheitgelangte Tor des Konzentrationslagers Auschwitzmit der zynischen Inschrift „Arbeit macht frei“.Spätestens hier wird offensichtlich, wie weit derDark-Wave-Fan „ideologische und moralischeGrenzen“ aufgehoben sehen will.Zu kaufen gibt es bei Meese neben CDs undLPs extrem rechter Dark-Wave-Bands unverdächtigeTonträger wie Iggy Pops „The Idiot“. AuchKultregisseur Quentin Tarantino kommt mit„Gewalt ist eine Art der Unterhaltung“ zu Wort.Damit frönt Meese einer Eigenart rechterAnhänger der schwarzen Szene: <strong>Sie</strong> stellenextrem rechte Musik wie selbstverständlichneben unpolitische Inhalte. In Interviews undPublikationen beziehen sie sich mit derselbenSelbstverständlichkeit auf Nazi-Ideologen wieauf andere Dichter und Philosophen.So stricken sich diese Rechten einenDeckmantel des Unpolitischen. Werden dieBezüge zu eindeutig faschistisch, antisemitischoder neonazistisch, ziehen sich viele Szenevertreterarrogant auf die „Freiheit der Kunst“zurück. Braune in Schwarz sprechen gerne ironischvon den „politisch Korrekten“, die ihnen sogerne in die Suppe spucken. Bevor er in seinerKonzertkritik zum „Allerseelen“-Auftritt inOberhausen ins Schwärmen gerät, klagt auchMeese ausführlich über die Präsenz der Polizeiund die Auflagen des Ordnungsamtes.Solchen Komplikationen versuchte derBremer wohl zu entgehen, indem er den hiesigen„Allerseelen“-Auftritt sehr konspirativ organisierte:Den „der Musik angemessenenVeranstaltungsort“ sollten die maximal 130Besucher erst drei Stunden vor Konzertbeginnüber eine Handynummer erfahren – ein in derrechtsextremen Szene übliches Verfahren, umprotestierende Linke, aber auch Behörden undPolizei möglichst fern zu halten.Deshalb sind rechte Konzerte auch häufig alsPrivatveranstaltungen“ deklariert, für die ebensostrenge wie verräterische Regeln aufgestellt werden.Auf Meeses Einladungen steht: „Das Tragenund Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole undZeichen verfassungsfeindlicher Organisationenzieht den Ausschluß von der Veranstaltung nachsich!“ Die „persönlichen Einladungen“ warenübrigens gegen eine Anzahlung von fünf Euro fürjedermann erhältlich, der auf Meeses Internetauftrittstieß.Sein Gast, Gerhard Petak von „Allerseelen“,gehört zu den festen Größen des rechten Dark-Wave-Flügels – nicht nur wegen der düsteren,teils rituell anmutenden Musik, die der Sängermeistens mit einem Bassisten und zweiTrommlern produziert. Petak war zudem Herausgeberund Autor themenbezogener Hefte namens„Ahnstern“. Einige Ausgaben sind Nazis gewidmet– wie Karl Maria Wiligut, einem jener„SS-Angehörigen, deren Arbeit ich am meistenschätze“, schreibt Petak. Ein Grund: „Wiligutmachte Himmler auf die Wewelsburg beiPaderborn aufmerksam.“ Der Weserrenaissance-Bau war während des „Dritten Reiches“ eineKultstätte der SS. Hier ließ der SS-ReichsführerHeinrich Himmler rassistische Forschung betreibenund nach einer germanischen „Ersatzreligion“suchen. In der Nähe wurde ein KZ errichtet,dessen Häftlinge die Burg umbauen mussten.Das allerdings erwähnt Wiligut-Fan Petaknicht, nur so viel: Wiligut „fiel in Ungnade, bevordie Gewalt im ,Dritten Reich‘ grausam eskalierte“.Das klingt, als hätte jemand bis 1939 SS-Brigadeführer und engster weltanschaulicherBerater Himmlers sein können, ohne mit Hitlerswahnsinnigen Ideen konform zu gehen. Auch fielWiligut nicht „in Ungnade“. Er verließ die SSoffiziell aus Altersgründen, in Wahrheit wegengeistiger Unzurechnungsfähigkeit – nachdem erbereits 1925 wegen Geisteskrankheit entmündigtworden war.Petak geht einmal mehr szenetypisch vor:Rechte Dark-Wave-Anhänger verehren häufig –als eine Art verkannter Genies – Nazi-Persönlichkeiten, die irgendwann bei der NS-Führung aneckten, egal warum. Einen ähnlichenLebenslauf hat ein weiterer Himmler-Vertrauter:Herman Wirth, der „Ideengeber“ für das HausAtlantis mit dem Himmelssaal in der Böttcherstraße.Ein bei „Allerseelen“ beliebtes Symbol ist dieSchwarze Sonne – ein Zeichen, das auch in dergesamten neonazistischen Szene beliebt ist. Eskann als zwölfarmiges Hakenkreuz gedeutetwerden. In der Wewelsburg ist eine SchwarzeSonne in den Boden eingelegt, Petak nennt dasMosaik schwärmerisch „eine künstlerischeArbeit“.Auf genau dieser Schwarzen Sonne sollensich während der NS-Zeit die ranghöchsten SS-Führer versammelt haben. Eine menschenverachtendebraune „Elite“, für die es keine moralischenGrenzen gab. Die den Mord an MillionenMenschen organisiert hat. Kein Wort dazu vonPetak. Auch so ein „künstlerisches Werk“?Christine KrögerEin „qualitativ hochwertiges“Angebot?Axel Meese handeltmit CDs extrem rechterDark-Wave-Bandswie „Waldteufel“oder „Allerseelen“.Auch die LP „Lager“von „MurderCorporation“ hat derBremer im Angebot.26 27

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