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Sie marschieren wieder. . .

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Vor dem Gesetz sind alle gleichVerdens Oberkreisdirektor Werner Jahn zum Heisenhof und zu Riegers PlänenKommunen gegen rechts – aber wie?Ein Gastbeitrag von Reinhard KochVor dem Gesetzsind alle gleich – auchNeonazis wie derHamburger RechtsanwaltJürgen Riegermit seinen Phantasienvon einem neuheidnischenReich ohne„Rassenmischung“.Ob Gemeindeund Landkreis dennoch Chancen haben,den Heisenhof zu verhindern, beantwortetOberkreisdirektor Werner Jahn im Gespräch mitAnke Landwehr.Frage: Herr Jahn, was geschieht, falls dasOberverwaltungsgericht Lüneburg auch inletzter Instanz bestätigen würde, dass dieBewohner des Heisenhofs das Gelände räumenmüssen?Werner Jahn: Wir werden unsere Verfügungenvollstrecken. Zunächst wird das mildeste Mittelangewendet, also ein Zwangsgeld festsetzen.Und wenn <strong>Sie</strong> das nicht eintreiben können?Die drei Männer sollen ja allesamt vonArbeitslosengeld II leben . . .Dann käme der unmittelbare Zwang inBetracht, das heißt: die Zwangsräumung notfallsunter Einsatz der Polizei. Verlassen müssen dieMänner den Heisenhof so oder so. Falls sie keineandere Unterkunft haben, wird es Aufgabe derGemeinde als Obdachlosenbehörde sein, sieirgendwo unterzubringen.Bei den Verwaltungsgerichten geht es umdie Frage der sofortigen Vollziehung desNutzungsverbotes. Gleichzeitig hatte HerrRieger aber Widerspruch gegen die von Ihnenangeordnete Räumung eingelegt. Wie werden<strong>Sie</strong> entscheiden?Wir werden den Widerspruch natürlich alsunbegründet zurückweisen.Anzunehmen, dass Rieger dagegen klagtund daraus eine unendliche juristischeGeschichte wird. Mit welcher Dauer ist IhrerErfahrung nach zu rechnen?Das ist schwer einzuschätzen. Ich kenneBauprozesse, die in einer Instanz über zwei Jahregedauert haben.Das Verwaltungsgericht Stade teilt in einervorläufigen Einschätzung die Rechtsauffassungdes Landkreises, dass Herr Rieger fürjegliche Nutzung des Heisenhofes eineBaugenehmigung braucht. Müsste sie ihmnicht auf alle Fälle erteilt werden?Bisher hat er seinem Bauantrag noch keineprüffähigen Unterlagen folgen lassen. Täte erdies, wäre primär zu prüfen, ob die beantragteNutzung bauplanungsrechtlich zulässig ist. Diegesamte Anlage Heisenhof befindet sich imAußenbereich, wo normalerweise jede Nutzungausgeschlossen ist.Die Crux ist doch wohl, dass drei der vierGebäude unter Denkmalschutz stehen – HerrnRieger nach dem Baugesetzbuch also einewirtschaftliche Nutzung ermöglicht werdenmuss.Das ist richtig. Das Gesetz sieht Ausnahmeregelungenzur Erhaltung von Baudenkmalenvor. In welchem Umfang das hier gilt,müsste geprüft werden. Entscheidend ist natürlichauch, was die Gemeinde dazu sagt. <strong>Sie</strong> hatdie Planungshoheit und könnte die Aufnahmeeiner Nutzung durch entsprechende Maßnahmender Bauleitplanung vielleicht erschweren.Könnte sie das Gelände einfach als Grünflächeausweisen, wie es die örtliche SPD-Gemeinderatsfraktion vorgeschlagen hat?Nein, das wäre rechtlich nicht zulässig.Und was wäre zulässig?Ich könnte mir vorstellen, hier nur eineNutzung zu erlauben, die sich in das GesamtkonzeptVictoria Garden einfügt.Davon hört man allerdings gar nichtsmehr. . .Das Projekt läuft nach wie vor weiter, wennauch nicht öffentlich. Im Augenblick geht es ganzkonkret um den Grundstückserwerb. Leider hatder Heisenhof die Investitionsbereitschaft ausländischerGeldgeber nicht gerade erhöht. Ich glaubeaber fest daran, dass der Victoria Garden realisiertwird.Und wenn sich doch herausstellt, dass essich nur um Luftschlösser handelt?Dann hätte die Gemeinde noch andereMöglichkeiten, über die ich aber nicht öffentlichspekulieren werde. Die Sache wird dadurcherschwert, dass Herr Rieger aus seinen vielen,vielen Gerichtsverfahren gelernt hat. Er wirdnatürlich alle Nutzungen neutral beschreiben, dawird mit Sicherheit nichts von neonazistischerIdeologie auftauchen. Da wird die Rede vonFortbildungsveranstaltungen und Wochenendseminarensein – von den Begriffen her völligunverfängliche Dinge. Man muss immer bedenken:Das Baurecht ist objekt- und nicht personenbezogen.Wem der Heisenhof gehört – ob einemMassenmörder, einem Kinderschänder oder ebenHerrn Rieger – ist deswegen völlig unerheblich.Wir werden dann möglicherweise in eineSituation kommen, in der wir tatsächlich eineBaugenehmigung erteilen müssen, obwohl wirRieger nicht haben wollen. Aber die Rechtsordnunggilt nun einmal auch für ihn.Eben sagten <strong>Sie</strong> aber noch, die Gemeindekönne ihn dank ihrer Planungshoheit ausbremsen. . .Noch einmal: Ich werde nicht jetzt schon alleÜberlegungen im Detail ausbreiten. Anderenfallswürde Herr Rieger sich sicher bedanken undsagen: Das ist wie eine Rechtsberatung, da kannich geradezu was draus lernen. Ich will hier nursagen, dass Einschränkungen möglich sind.Dürfte Herr Rieger denn auch Fruchtbarkeitsforschungbetreiben, wie er es angekündigthat?Das findet an jeder Universität statt. DieFrage ist, was er konkret im Heisenhof machenwill. Wenn das in Richtung Lebensborn geht,käme er sicher mit dem Strafgesetz in Konflikt.Da müsste dann ein Strafrechtler ran.Fünf Jahre ist esher, dass BundeskanzlerGerhard Schröderden „Aufstand derAnständigen“ gegenRechtsextremismus,Fremdenfeindlichkeit,Gewalt und Rassismusausrief. Als Reaktionauf die erhebliche Medienpräsenz des Themasinsbesondere nach dem Bombenanschlag inDüsseldorf im Sommer 2000 begann ein weithinbekanntes Ritual. Die (weitestgehend) überfordertePolitik verwies zunächst auf die Klassikerder gemeinhin Zuständigen: Schulen und Polizei.Dann wurde zusätzlich Jugendhilfe und Sozialarbeitangemahnt, um schließlich im gemeinsamenVerbund aller auf die Elternhäuser zu verweisen.Dieses idealtypische Verfahren spiegelt sichauf Ebene der kommunalpolitischen Entscheidungsträgerkonsequent wider. Um diesen Kreislaufzu durchbrechen, sollten folgende Erfahrungswerteden Handlungsrahmen bestimmen:Erste Erkenntnis: Noch immer ist akuterProblemdruck und die damit zusammmenhängendeMedienberichterstattung auslösenderFaktor für die Thematisierung des Rechtsextremismusin einer Kommune.Zweite Erkenntnis: Verharrt eine Kommunein der starken Orientierung auf das Außenbild,dominieren Aktionismus und Imagekampagnendas politische Handeln.Dritte Erkenntnis: Nötig ist eine deutlicheund sichtbare Positionierung wichtiger Persönlichkeiten,einflussreicher Institutionen und allerParteien als gemeinsame Orientierung.Vierte Erkenntnis: Die gleichberechtigteBeteiligung von Jugendlichen schafft Erfahrungsfelderdemokratischer politischer Kultur.Professionelle Pädagogen sollten auf denAnspruch eines Wissensvorsprungs verzichtenund jugendlichem Expertenwissen Raum lassen.Fünfte Erkenntnis: Die Bereitschaft zurKooperation mit überregionalen Fachleutenschafft oder erweitert die Ressourcen lokalerKompetenzzentren, deren Aufgabe die notwendigeDifferenzierung in der lokalen rechtsextremenSzene ist. Hier ist besonders eine Bewertung derKader und potenziell erreichbaren Personen vorzunehmen.Institutionen sind mit in dieVerantwortung zu nehmen sowie Handlungsempfehlungen(Repression, Ausstiegshilfen) zuentwickeln.Sechste Erkenntnis: Zu den wirkungsvollenInstrumentarien der Kommune gehört eine rigideAnwendung aller ordnungspolitischen Möglichkeitengegen die Kader. Hier sind oft die kleingedrucktenVerordnungen treffgenauer als dasStrafgesetzbuch.<strong>Sie</strong>bte Erkenntnis: Gelingt es, eine Kerngruppezu langfristigem Engagement zu installieren,ist ein wesentlicher Schritt zur Nachhaltigkeitgetan.Achte Erkenntnis: Die Kommune hat dieregionale und landespolitische Beteiligung undPolizisten vor dem Gelände des Heisenhofes.Unterstützung einzufordern, um den Blick aufstrukturelle Entwicklungen zu lenken und keinenMythos eines „lokalen Problems“ zu fördern.Hier bietet insbesondere die beim LandespräventionsratNiedersachsen eingerichtete ClearingstelleRechtsextremismus eine Scharnierfunktion.Neunte Erkenntnis: Alle Prozesse imAktionsplan sollten rechtzeitig, detailliert undtransparent dokumentiert werden – auch, umanderen Kommunen entsprechende „Aha-Erlebnisse“ zu ersparen.Der Autor: Reinhard Koch ist Leiter derArbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt beider Bildungsvereinigung Arbeit und Leben inBraunschweig (Arug), Bohlweg 55, 38100Braunschweig, Telefon 05 31/12 33 642, Hotline05 31/12 33 634, E-mail info@arug.de, Internetwww.arug.de.36 37

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