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Sie marschieren wieder. . .

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Rechte Töne auf dem SchulhofNeonazi-Kameradschaften und rechtsextreme NPD setzen auf Gratis-CDVehikel für Neonazi-IdeologieRechtsrockexperte: Braune Lieder sind gefährlichNPD-Bundesgeschäftsführer Frank Schwerdtkonnte sich eine gewisse Häme nicht verkneifen:„Trotz allem Verfolgungswahn der Behörden“*,schrieb er im Internet, „die Sachsen-CD ist weitestgehendan die Jugendlichengebracht worden.“Schwerdt meint dieCD, von der die NPDAnfang September 2004im Landtagswahlkampf inSachsen 25 000 Exemplarepressen ließ, um siegratis an Jugendliche zuverteilen. Auf dem Tonträgergibt der wegenVolksverhetzung verurteilteLiedermacherFrank Rennicke ausBaden-Württemberggleich drei Stücke zumBesten. Rennicke, seit1987 aktiv, ist der beliebteste„nationale Barde“der Szene, er absolviertviele Auftritte für NPD,JN und „freie Kameradschaften“.Immer <strong>wieder</strong>propagiert er den Kampfgegen das ihm verhasste„herrschende System“.Erst im Januar 2005 hatRennicke vor etwa 200Neonazis in Oyten (KreisVerden) gesungen – bisdie Polizei den „Liederabend“auflöste.Eher ein „Shooting-Star“ der Szene istAnnett Moeck aus Brandenburg, die im Jahr2000 mit ihrem Debüt „Eine Mutter klagt an“ fürFurore gesorgt hat. Ihr Stück „DeutscheMutter“ ist ebenfalls auf der NPD-CD verewigt.Darin regt sich die rechte Liedermacherin auf:„Ich arbeit’ mir den Arsch hier blau für seine siebenGörn und seine olle Frau.“ In der drittenStrophe merkt der aufmerksame Zuhörer, wer die„sieben Görn“ hat – und um was es Moeckeigentlich geht: um Stimmungsmache gegenandere Kulturen. „Das ist wahr, dass in vielenSchulen euer Glaube schon gelehrt. Wo bleibtunsere Kultur – haben wir alles schon verlernt?“Auch Annett Moeck ist im Jahr 2004 in einerGaststätte im Landkreis Verden vor mehr als 50überwiegend jungen Anhängern der rechtenSzene aufgetreten.Als „Fels in der Brandung“ produziert sich„Lunikoff“ auf der NPD-CD. Hinter demPseudonym steckt Michael Regener, Sänger derNeonazi-Kultband „Landser“. <strong>Sie</strong> wurde 2003 alskriminelle Vereinigung verboten.Seither nennen Regenerund seine Musiker sich „DieLunikoff Verschwörung“ –und münzen das „Landser“-Verbot gerne und immer <strong>wieder</strong>zur Drohung um: „EinesTages werdet ihr euch wünschen,wir würden nur Musikmachen.“ Solche gefährlichenTöne will die NPD nunbundesweit unter dieJugendlichen bringen.Die Idee für eine kostenloseSchulhof-CD hat die Parteioffenbar übernommen – vonanderen Rechtsextremisten:Das bundesweite Netzwerkneonazistischer Kameradschaften,die sich „FreieNationalisten“ nennen, wolltein ganz Deutschland bis zu250 000 CDs gratis an Schülerverteilen. Dann schrieben dieNeonazis im Internet über ihr„Projekt Schulhof“: „Eigentlichwollten wir euch eine CDin die Hand drücken, aberdurch staatliche Verbote undWillkür war es uns nicht möglich.“Damit meinen dieNeonazis Gerichtsbeschlüsse,die der „Schulhof-CD“ jugendgefährdendeInhalte bescheinigen. Als „Ersatz“ boten die„Kameraden“ Musik zum Downloaden an – undverwiesen dabei unter anderem auf die Gruppe„Endlöser“ aus Bremen. Christine Kröger* Fehler im Original.Rechtsrock hat viele Facetten – von HeavyMetal bis Folklore. Längst werden die gefährlichenpolitischen Botschaften zu den verschiedenstenKlängen vorgetragen, berichtet derDüsseldorfer Rechtsrockexperte Christian Dornbuschim Gespräch mit Christine Kröger.Frage: Herr Dornbusch, wie wichtig istMusik in der rechten und rechtsextremenSzene?Christian Dornbusch: Man kann dieBedeutung von Musik gar nicht überschätzen. Inden vergangenen zehn Jahren ist sie das VehikelNummer eins für rechtsextreme Ideologie geworden.Woran machen <strong>Sie</strong> das fest?Ganz einfach: Die Branche boomt. Bundesweitsind rund 120 rechtsextreme Bands aktiv, diepro Jahr mehr als 100 neue CDs auf den Marktwerfen. Dazu kommen Neonazi-Bands aus demAusland, deren Scheiben auch in Deutschland zukaufen sind.Wie ordnen <strong>Sie</strong> die Bremer Szene ein?Hart – und hartleibig. Bremens Rechtsextrememischen seit mehr als 20 Jahren ständig imMusikgeschäft mit. Die Besetzung und Nameneinzelner Bands wechseln häufig, meist aufgrundvon Streitereien innerhalb der Szene. Das darfaber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieHansestädter immer im Geschäft waren und sind.Aber der Verfassungsschutz sagt, in Bremenhabe seit Jahren kein Neonazi-Konzertmehr stattgefunden . . .. . . das heißt nicht, dass die Bands nicht livegespielt haben. Selbst „Endstufe“ – von vielen seitJahren immer <strong>wieder</strong> totgesagt – ist noch 2003 beieinem großen Neonazi-Konzert in Österreich vor1500 Besuchern aufgetreten. Solche Konzertewerden sehr konspirativ geplant, sind oft alsPrivatpartys getarnt und finden über die ganzeBundesrepublik verteilt oder eben im benachbartenAusland statt.„KC“ war Ende 2004 in Cottbus, beiDortmund und in Bad Nenndorf zu hören.Eben. Die Hooligan-Band ist auch einBeispiel dafür, wie Rechtsrock in andereJugendkulturen ausstrahlt. Und damit für immermehr Jugendliche zum Alltag gehört. Auch inBremen berichten Lehrer, dass es etwa von dersiebten Klasse an kaum noch Jugendliche gibt, dienicht schon einmal Musik von „Endlöser“ oder„Landser“ gehört haben.Wie populär Rechtsrock ist, haben jetztoffenbar auch die neonazistischen Kameradschaftenund die NPD erkannt.Der Rechtsextremismus hat sich enormmodernisiert. Die „Schulhofprojekte“ geben derSzene eine neue beängstigende Qualität.Rechtsextreme Parteien haben noch nie so offenmit harten Rechtsrockern aus dem Untergrundzusammengearbeitet.<strong>Sie</strong> meinen Michael Regener alias„Lunikoff“, der öffentlichkeitswirksam einenAufnahmeantrag für die NPD gestellt hat?Unter anderem. Das Schlimme: Bislang musstendie Jugendlichen den ersten Schritt tun, sichzum Beispiel ein Musikstück aus dem Internetziehen. Mit ihren Gratis-CDs aber <strong>marschieren</strong>jetzt die Extremisten auf die Jugendlichen zu. DerNPD ist offenbar jedes Mittel recht, um jungeLeute zu gewinnen.Jedes Mittel – übertreiben <strong>Sie</strong> nicht einbisschen? Es bleibt doch Musik . . .Ausländerfeindliche Texte zu aggressivenMelodien können sogar unmittelbar zu Gewaltführen. Schon viel zu oft sagten Neonazis, diebrutale Taten – bis zum Totschlag – begangen hatten,sie hätten kurz zuvor hasserfüllte Bands wie„Landser“ gehört.Zur Person: Christian Dornbusch ist Mitautordes Buchs „RechtsRock. Bestandsaufnahmeund Gegenstrategien“, eines der umfassendstenund aktuellsten Werke über braune Lieder. Wegenseiner wissenschaftlichen Arbeit wird er häufigbedroht, daher verzichten wir auf die Veröffentlichungeines Fotos.24 25

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