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Gewalt hält die Szene zusammenWarum Jugendliche nach rechts gehenWie VAJA arbeitetAkzeptierende Jugendarbeit made in BremenIn rechten Cliquen werden aus Mitläufernrasch Mitwisser – oder gar Mittäter. Im Gesprächmit Christine Kröger rät Reinhard Koch betroffenenEltern, rechtzeitig professionelle Hilfe zusuchen. Koch leitet die Arbeitsstelle Rechtsextremismusund Gewalt in Braunschweig.Frage: Herr Koch, immer mehr Jugendlicheschließen sich rechten Cliquen an.Warum? Weil sie den Neonazismus gut finden?Reinhard Koch: Nein, in der Regel spielt dieIdeologie zunächst keine Rolle. Die Jugendlichensuchen in der rechten Clique, was Jugendliche injeder Clique suchen: das Gefühl von Zusammengehörigkeitund gemeinsame Erlebnisse. In rechtenCliquen geraten sie aber zusätzlich schnell inkonspirative Strukturen, und das ist oft einzusätzlicher Reiz . . .<strong>Sie</strong> meinen den Reiz des Verbotenen?Ja. Aus Mitläufern der Clique werden raschMitwisser – und im schlimmsten Fall Mittäter.Fatal ist, dass dieser Mechanismus in beideRichtungen funktioniert: Er zieht die Jugendlichenrasch tief hinein in die Clique, gleichzeitigerschwert er den Ausstieg.Warum sind rechte Cliquen meist von jungenMännern dominiert?Weil das rechte bis rechtsextreme Milieu vorMännlichkeitsritualen nur so strotzt. Da wird vielgetrunken und „gekämpft“, man fühlt sich vonFeinden umgeben, muss stark und unerschrockenwirken. Das ist gerade für männlicheJugendliche aus bestimmten Familienkonstellationenextrem anziehend.Welche Konstellationen meinen <strong>Sie</strong>?Oft Familien, in denen ein männlichesVorbild fehlt. Damit meine ich ausdrücklichnicht, dass alleinerziehende Mütter etwas falschmachen. Die Mütter sind selten das Problem.Sondern der fehlende Vater. In anderen Fällenlebt der Vater in der Familie, wird aber von seinemheranwachsenden Sohn als „schwach“ empfunden.Wie prägend sind die politischen Einstellungender Eltern?Rechtsextreme Jugendliche können in „linken“und in „unpolitischen“ Elternhäusern heranwachsen.Aber natürlich auch in rechten. In diesemFall fühlen die Jugendlichen sich oft als„Vollstrecker“ dessen, was sie zu Hause hören.Nach dem Motto: Die Alten reden immer nur, wirtun endlich was.Gewalt spielt offenbar eine sehr großeRolle in der rechten Szene . . .Gewalt ist das Bindemittel, das die Szenezusammenhält. <strong>Sie</strong> gilt in aller Regel als legitimesMittel, um für „klare Verhältnisse“ zu sorgen. Dasheißt, sie löst – sehr vordergründig – vieleProbleme. Das gilt für Konflikte innerhalb derSzene genauso wie für Konflikte mit den„Feinden“ draußen.Was raten <strong>Sie</strong> betroffenen Eltern?Möglichst rasch professionelle Beratung undHilfe zu suchen, wenn sie merken, dass ihr Kindins rechtsextreme Milieu abrutscht. Leider meldensich viele Eltern erst, wenn der Leidensdruckzu groß wird.Was heißt das?Zum Beispiel, wenn Strafverfahren gegen ihrKind eingeleitet werden. Oder wenn derJugendliche öffentlich als Neonazi auftritt. Aberdann sind die jungen Leute oft schon sehr tiefdrin.Vorher merken die Eltern nichts?Merken vielleicht schon. Aber sie nehmen esoft nicht ernst genug, tun den „Nazi-Kram“ alspubertäre Phase ab, schämen sich vielleicht auchfür die Einstellung ihres Kindes. Aber dieseSzene ist zu prägend, um sie auf die leichteSchulter zu nehmen – und zu gefährlich.Worauf müssen Eltern achten?Das veränderte Outfit, die neuen Freunde,das Abreißen anderer sozialer Kontakte – undnatürlich den rechten Lebensstil, zum Beispieldie Musik. Und die Jugendlichen teilen sich vielweniger mit, um ihre „konspirative Gemeinschaft“nicht zu verraten.Zur Person: Reinhard Kochs ArbeitsstelleRechtsextremismus und Gewalt der BildungsvereinigungArbeit und Leben (ARuG) in Braunschweigberät Eltern rechtsextremer Jugendlicher.Dieses Beratungsangebot ist einzigartig inNorddeutschland. <strong>Sie</strong> erreichen die ARuG unterTelefon 05 31 / 1 23 36 34 oder im Internet unterwww.arug.de. Die Arbeitsstelle vermittelt auchAnsprechpartner in der Region.Der Bremer Pädagoge Franz Josef Krafeld hatdas Projekt der akzeptierenden Jugendarbeit speziellfür die Arbeit mit rechtsextrem orientiertenJugendlichen entwickelt. 1992 wurde in Bremender Verein zur Förderung akzeptierenderJugendarbeit (VAJA) gegründet. Seine Sozialarbeitist „aufsuchend“: <strong>Sie</strong> findet statt, wo dieJugendlichen sich aufhalten – auf Spielplätzenoder Parkbänken, in Einkaufszentren oderKneipen.Die „akzeptierende Jugendarbeit“ ist umstritten.Kritiker werfen ihren Anhängern vor, zu viel„Akzeptanz“ an den Tag zu legen – bis zurKumpanei mit rechtsextremen Führungskadern.Heute arbeitet VAJA längst nicht mehr nur mitrechtsextrem orientierten Cliquen. Im Projekt„Grenzgänger“ hilft der Verein in Huchting,Jugendliche türkischer und kurdischer Herkunftzu integrieren. Kajak (Kreis aufsuchendeJugendarbeit Kattenturm) soll KattenturmsJugendlichen zugute kommen, denn in demStadtteil leben junge Menschen aus 56Nationalitäten.Im Punk-Streetwork-Projekt betreut VAJAjunge Punks, um zu vermeiden, dass sie in dieObdachlosen- oder Junkie-Szene abrutschen. DasRegionalteam Ost schließlich kümmert sich umsozial benachteiligte junge Menschen in siebenStadtteilen Bremens. Christine KrögerDie rechtsextreme Szenestrotzt vor Männlichkeitsritualen.52 53

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