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Sie marschieren wieder. . .

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Nicht Bange machen lassenWie junge Ausländer in Dörverden mit dem Heisenhof leben„Kiek mol wedder rin . . . in eine andereWelt“ steht auf der Tafel neben dem DörverdenerOrtsschild. Die Straße ist gesäumt von Backsteinhäusern,hier und da gibt es noch Bauernhöfe.In Bahnhofsnähe sind die Häuser kleiner.Drei Reihen graublauer Blöcke ragen heraus, dieDeniz und Suleyman Tuac:junge Immigranten in Dörverden.Fassadenfarbe blättert ab. Früher war das oft dieerste Unterkunft für neu zugezogene Immigranten.Nicht weit davon steht das Einfamilienhaus,in dem Suleyman und Deniz Tuac mit Eltern unddrei Geschwistern wohnen. Die Tuacs leben seit1994 in Dörverden. Der älteste Bruder hat inzwischenseine eigene Familie gegründet und sich inder Nachbarschaft niedergelassen.„Meine Mutter war nicht so begeistert davon,dass ich hier was über uns erzähle“, sagt der22-jährige Suleyman. „<strong>Sie</strong> hat Angst, dass dannbald jemand vor der Tür steht.“ Wer? „Na ja,jemand vom Heisenhof oder so.“ Die Brüdergrinsen, halten die Sorge ihrer Mutter für übertrieben.„Die Nazis werden so stark beobachtet –ich glaube nicht, dass die was machen würden“,sagt Deniz.Außerdem gehöre das doch zur Taktik derBraunen: ruhig bleiben und seriös rüberkommen.Dass der Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger denHeisenhof gekauft und dort seine Gefolgsleuteeinquartiert hat, hat das Straßenbild in Dörverdennicht verändert. Die Polizei scheint den Brüdernpräsenter zu sein als die Rechtsradikalen. „Sicherkann man sich natürlich nicht sein. Die wollen janicht mehr auffallen und ziehen sich heute ganzanders an als früher“, weiß der 19-jährige Deniz.Beide haben die deutsche Staatsbürgerschaft,„aber wir würden nie sagen: Wir sind Deutsche“.Denn das würde voraussetzen, als solche akzeptiertzu werden. Wenn Deniz früher Schulkameradenzu Hause besuchte, hatte er nicht dasGefühl, willkommen zu sein. „Man ließ uns spüren:Du gehörst zu denen da hinten.“„Da hinten“ ist die Gegend um den Bahnhof.„Ghettoisierung ist vielleicht zu krass ausgedrükkt. . . Jedenfalls waren die Deutschen unter sich,und wir gehörten zu der anderen Gruppe“,berichtet Suleyman. Er räumt ein, auch umgekehrtVorurteile gehabt zu haben. „Es war immerein Denken in Gruppen.“ Die Folge: Problemeund Prügeleien zwischen den Jugendcliquen.Der erste Dörverdener Jugendtreff wurdedeswegen geschlossen. „Die Pädagogen dorthaben versucht, die ausländischen Jugendlichenzu integrieren. Wir haben auch beim Aufbaugeholfen“, erinnert sich Suleyman und fügthinzu: „Gut, es wurde echt viel Mist gebaut.“Doch unter den 40 Jugendlichen seien vielleichtdrei oder vier Rowdys gewesen. „Wenn einer vondenen schwarze Haare hat, fällt das auf, und eswird gleich verallgemeinert“, so Suleyman.Während sich die Dorfjugend beiSchützenpartys „die Kante gab“ und kräftig feierte,hatten die beiden Brüder bald „keinen Bock“mehr darauf. „Da wurde einem schon mal,Scheiß-Kanake‘ hinterhergerufen“, beschreibtDeniz eine latente Ausländerfeindlichkeit. Oderim Supermarkt: „Kaum stand ich vor einemRegal, hatte ich gleich einen Verkäufer hinter mir.Am Ausgang wurden meine Taschen kontrolliert.Das war nicht immer so, kam aber schon öftervor“, sagt Suleyman. Heute kann nur noch dasOsterfeuer die Brüder in ein DörverdenerPartyzelt locken, sie halten sich lieber in Verdenauf.Doch aus der Gruppendynamik haben siesich gelöst, Vorurteile abgebaut. Deniz sagt, seinFreundeskreis bestünde zu 90 Prozent ausDeutschen. „Man muss auch mal die zweite Türöffnen und gucken, was dahinter steckt“, empfiehlter. Was die Rechtsradikalen angeht, habenSuleyman und Deniz eine Vermutung: Die hättenwahrscheinlich einfach noch nie richtigenKontakt zu Ausländern gehabt. Wenn’s um Protestgegen Rechtsextremismus geht, sind die Brüderdabei. Deniz war bei den Sonntagsspaziergängenund auch beim Aktionstag gegen rechts am2. April 2005 in Verden. Die Proteste derBevölkerung gefallen ihnen, und doch haben sieleise Zweifel: „Vielleicht machen einige nur mit,weil sie dann besser dastehen.“Suleyman hat seine eigene Methode, zurVerständigung unter den Kulturen beizutragen:Mit Jugendlichen trainiert er mehrmals in derWoche Breakdance. Selbst tanzt er seit Jahren inder Verdener Truppe „Tuff Rockin’ Force“, derjunge Leute verschiedener Nationalitäten angehören.In Dörverden beträgt der Ausländeranteil6,4 Prozent. Im vergangenen Jahr wechselte keineinziger Schüler nicht-deutscher Herkunft zumGymnasium, nur drei schafften den Übergang zurRealschule. So gesehen sind die Tuac-BrüderAusnahmen. Suleyman schaffte im Mai 2004 seinFachabitur an den Berufsbildenden Schulen inDauelsen und plant, in die Gebäudereinigungsfirmaseines großen Bruders einzusteigen. „Ichwerde meinen Meister machen“, hat er sich vorgenommen.Deniz besucht die 12. Klasse des VerdenerDomgymnasiums und möchte später Medizin studieren.Er hofft, einen Studienort nicht allzu weitweg zu finden – damit er immer mal „wedder rinkieken“kann, in seine alte Welt. Lena WendteErste Adresse für Immigranten:In den Wohnblöcken in Bahnhofsnähe werdenvor allem Ausländer untergebracht.5657

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